20.06.2012 | Fachbeitrag Recht

Viele Ärzte unterschätzen die Folgen von Fangprämien und Rückvergütungen

Von RA Dr. Stefan Hiebl, Fachanwalt für Strafrecht, Bonn *

Mit seiner Studie zu Fangprämien im Gesundheitswesen hat der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen den Ärzten ihren Ärztetag in Nürnberg ganz schön verhagelt. Seitens der Ärzte fielen besonders häufig die Worte „nebulöse Anschuldigungen“ und „Grauzone“. Die Realität ist jedoch viel konkreter.

Es geht längst nicht mehr darum, ob sich Ärzte bei derartigen Vereinbarungen überhaupt strafbar machen, sondern es geht nur noch um die Frage, nach welcher Norm die Strafbarkeit begründet ist und aus welchem Strafrahmen die Strafe genommen werden muss.

Das Problem: Niedergelassene Vertragsärzte sind, da sind sich die Oberlandesgerichte mittlerweile weitgehend einig, Beauftragte des geschäftlichen Betriebs der Krankenkasse, mit der sie im jeweiligen Fall abrechnen. Sämtliche verkaufsfördernde Maßnahmen, also Extrahonorare für die Überweisung von Patienten in ein Krankenhaus oder andere geldwerte Vorteile wie Aufträge des Krankenhauses für die Behandlung des Patienten vor oder nach dem Krankenhausaufenthalt, sind gemäß § 299 des Strafgesetzbuches strafbar. Für den Leistenden handelt es sich um Bestechung im geschäftlichen Verkehr, für den Empfänger, in der Regel den Arzt, um Bestechlichkeit.

Berufsordnung untersagt Entgelt für Zuweisung von Patienten

Auch die Musterberufsordnung für Ärzte untersagt es, sich für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder ander Vorteile versprechen oder gewähren zu lassen bzw. es selbst zu versprechen oder zu gewähren. Wie weit diese Regelung reicht, zeigt ein Fall, der 2009 vom Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt wurde. Ein Krankenhausträger und die niedergelassenen Ärzte der Region hatten einen Vertrag zur „sektorübergreifenden“ Versorgung abgeschlossen. Darin verpflichteten sich die Ärzte, beim Vorliegen einer entsprechenden Indikation ihren Patienten die Vorstellung im Krankenhaus des Trägers zu empfehlen. Und dieser sollte, soweit medizinisch notwendig, die Ärzte mit festgelegten Leistungen vor oder nach der stationären Behandlung beauftragen. Das Oberlandesgericht sah in dieser Vereinbarung nicht nur einen Verstoß gegen die Berufsordnung; allein schon die Verpflichtung, das Krankenhaus zu empfehlen, war nach Ansicht der Richter wettbewerbswidrig.

Anhängige Verfahren beim Bundesgerichtshof

Wenn im Augenblick von einer unsicheren Rechtslage gesprochen wird, kann das also nur für die Frage gelten, ob Ärzte als Beauftragte der Krankenkassen zu behandeln sind oder sogar als Amtsträger. Letzteres würde die Lage deutlich verschärfen. Hierüber liegen dem Großen Senat des Bundesgerichtshofs zwei entsprechende Verfahren zur Entscheidung vor. Sollte der Große Senat darin die Amtsträgereigenschaft bejahen, bedeutet das das Ende jeglichen Pharma-Marketings, da dann wirklich jede Dankeschöngabe als Korruption gesehen wird.

Wer als Arzt auch nur ansatzweise daran zweifelt, alles richtig gemacht zu haben, sollte einen Anwalt seines Vertrauens aufsuchen, um noch rechtzeitig Schaden von sich, der Praxis und seinen Patienten abwenden zu können. Sich aufgrund der verharmlosenden Diskussion der letzten Wochen in Sicherheit zu wiegen, ist brandgefährlich.


* Hinweise zum Autor:

Dr. Stefan Hiebl ist Fachanwalt für Strafrecht der Anwaltssozietät Eimer Heuschmid Mehle, eine überregionale Anwaltssozietät mit Sitz in Bonn. Die Kanzlei ist interdisziplinär ausgerichtet. Ein Team von Fachanwälten deckt alle relevanten Rechtsgebiete ab. Über das internationale Kanzleinetzwerk AVRIO haben die Mandanten zudem Zugriff auf renommierte Kanzleien in Europa, im nahen und mittleren Osten, in den USA und Kanada sowie in Asien und Australien.

www.ehm-kanzlei.de


(Eimer Heuschmid Mehle / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 20.06.2012, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.