04.04.2012 | FG Hamburg

Verstößt die Entstrickungsbesteuerung gegen EU-Recht?

Das FG Hamburg hat den Europäischen Gerichtshof zur Klärung der Frage angerufen, ob die Besteuerung stiller Reserven (Entstrickungsbesteuerung) im Zusammenhang mit einem gesellschaftsrechtlichen Umwandlungsvorgang gegen Unionsrecht verstößt.

Im Ausgangsverfahren waren zwei in Österreich ansässige Gesellschaften zunächst als Kommanditisten an einer deutschen KG beteiligt, Komplementärin war eine inländische GmbH. In diese GmbH brachten die österreichischen Gesellschaften im Wege der Sacheinlage ihre Anteile an der KG ein und erhielten hierfür Anteile an der GmbH. Die KG war damit aufgelöst. Nach der im Streitjahr 2000 geltenden Rechtslage durfte die aufnehmende GmbH das eingebrachte Betriebsvermögen nicht mit dem Buchwert fortführen, sondern musste den sog. Teilwert ansetzen, weil das Besteuerungsrecht im Falle der Veräußerung der neu erworbenen GmbH-Anteile durch die Einbringenden wegen deren Ansässigkeit in Österreich nach dem zwischen Deutschland und Österreich bestehenden DBA Österreich gebührt.

DBA zwischen Deutschland und Österreich

Durch den Teilwertansatz, der für die Einbringenden bindend ist, werden die in dem eingebrachten Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven aufgedeckt; für die einbringenden Gesellschaften entsteht ein entsprechender Veräußerungsgewinn. Wären die einbringenden Gesellschaften dagegen in Deutschland ansässig gewesen, hätten die stillen Reserven durch die dann mögliche Buchwertfortführung nicht aufgedeckt werden müssen, eine Besteuerung wäre erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven erfolgt.

Unionsrecht verletzt?

Das FG Hamburg hat Zweifel, ob die Regelung des § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG 1995 mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist und die Frage dem EuGH mit Beschluss vom 26.01.2012 (Az. 2 K 224/10) vorgelegt. Der Klärung durch den EuGH bedarf u.a. auch die Frage, ob eine etwaige Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt sein könnte, etwa durch eine gerechte Aufteilung des Besteuerungssubstrats zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten, und ob nicht jedenfalls die Sofortbesteuerung unverhältnismäßig ist.

Fragen weiterhin relevant

Auch wenn das Ausgangsverfahren ausgelaufenes Recht zum Gegenstand hat, dürften die Vorlagefragen auch für die aktuelle Rechtslage von erheblicher Bedeutung sein, weil die sog. Entstrickungsbesteuerung nach wie vor in der Diskussion steht und die Fünftel-Regelung in verschiedenen vom Gesetzgeber als europäisiert angesehenen Gesetzen Anwendung findet.


(FG Hamburg / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 04.04.2012, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.