21.03.2012 | Beratertipp

BFH zu Grenzen der Zulässigkeit einer Betriebsprüfungsanordnung

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

 
Im vorliegenden Fall hatte das Finanzamt bei einem Rechtsanwalt eine Betriebsprüfung angeordnet - offenbar deshalb, weil der Anwalt einen Mitarbeiter des Finanzamtes wegen Mobbing vertrat. In seinem Urteil dazu hat der BFH entschieden, dass angesichts der Besonderheiten des Falles ein außersteuerlicher Zusammenhang nicht von der Hand zu weisen wäre. Für Steuerberater ist diese Entscheidung interessant, weil darin die Grundsätze der Betriebsprüfung nochmal erläutert werden sowie die Grenzen der Zulässigkeit einer Betriebsprüfungsanordnung. Diese sind zwar sehr eng, aber in Gesprächen mit Mandanten über die Zulässigkeit von Betriebsprüfungen kann dieses Urteil gut als Grundlage herangezogen werden, wann eine Prüfungsanordnung fehlerhaft ist.

Das Urteil erläutert die Grundsätze der Betriebsprüfung nochmal sowie die Grenzen der Zulässigkeit einer Betriebsprüfungsanordnung. (Foto: Kautz15 - Fotolia.com)
Der Vorsteher eines Berliner Finanzamtes stand wegen Mobbingvorwürfen erheblich unter Beschuss. Die Mobbingopfer wurden von einem Rechtsanwalt vertreten, und wendeten sich mit Petitionen an den Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, die teilweise erfolgreich waren. Daraufhin verloren offenbar die den Mobbingvorwürfen ausgesetzten Beamten die Nerven. Jedenfalls wurde im engen zeitlichen Zusammenhang mit diesen Auseinandersetzung beim Rechtsanwalt eine Betriebsprüfung angeordnet. Zeitgleich wurden auch die beiden mit der Petition befassten Abgeordnete des Petitionsausschusses sowie der Vorsitzende des Ausschusses steuerlich überprüft. Das FG Berlin-Brandenburg sah in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2007 8 K 10097/06 B trotz dieser Vorkommnisse keinen Anlass, näher auf diese Zusammenhänge einzugehen. Die erteilte Prüfungsanordnung sei wegen des den Finanzämtern eingeräumten sehr weiten Ermessens rechtmäßig; auf die dargestellten außersteuerlichen Vorkommnisse komme es nicht an.

BFH sieht Zusammenhang mit Mobbingvorwürfen: willkürlich und schikaniös angeordnete Betriebsprüfung

Anders der BFH: er entschied, dass die Prüfungsanordnung sehr wohl willkürlich und schikaniös angeordnet worden sein könnte. Daher könne die Prüfungsanordnung in diesem Fall ermessensfehlerhaft erteilt worden sein. Dies zu überprüfen, ist Sache des Finanzgericht, dass nunmehr neu entscheiden muss.

Grundsätzlich – so der BFH – können bei Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften eine Betriebsprüfung ohne Angaben von Gründen angeordnet werden, vgl. § 193 Abs. 1 AO. Daher hätte das Finanzamt die äußeren Grenzen seines Ermessens nicht überschritten. Aber im konkreten Fall sei es nicht ausgeschlossen, dass außersteuerliche Gesichtspunkte herangezogen worden seien. Die Betriebsprüfung ist zu einem Zeitpunkt angeordnet worden, als massive Repressalien gegen einen der vom Rechtsanwalt vertretenen Mandanten (Zwangsversetzung und ungerechtfertigter Verweis) durchgeführt wurde. Schon dieser zeitliche Zusammenhang weise auf eine möglicherweise außersteuerliche Motivation bei der Anordnung der Betriebsprüfung hin. Gestützt wird diese Vermutung durch die zeitgleich durchgeführten steuerlichen Prüfungen bei den Mitgliedern des mit den Mobbingvorwürfen befassten Petitionsausschusses. Diese Zusammenhänge hätte das FG nicht außer Acht lassen dürfen. Dabei, so der BFH, ist auch aufzuklären, nach welchen Kriterien das beklagte Finanzamt im Übrigen im fraglichen Zeitraum seinen Prüfungsplan erstellt hat und wie es sich insbesondere in Bezug auf die Angehörigen der freien Berufe verhielt sowie dem zeitlichen Ablauf vom Prüfungsvorschlag des Veranlagungsbezirks zur Außenprüfung. Im vorliegenden Fall lagen zwischen Prüfungsvorschlag des Veranlagungsbezirks und Annahmen durch die Betriebsprüfungsstelle lediglich eine Woche, so dass sich auch der Verdacht aufdrängt, dass wegen der Mobbingvorwürfe die Betriebsprüfung unüblich schnell angeordnet wurde.

Folgerungen für die Beratungspraxis:

Für die Beratungspraxis lässt sich aus dieser Entscheidung folgendes ablesen:

  1. Grundsätzlich hat die Finanzverwaltung bei der Anordnung von Betriebsprüfungen gegenüber Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften ein sehr weites Ermessen. Gab es im Vorfeld mit dem betreffenden Finanzamt Auseinandersetzungen über steuerliche Einzelheiten, dürfte dies kaum den Verdacht rechtfertigen, eine Betriebsprüfung ist unzulässig angeordnet worden.  Denn steuerliche Auseinandersetzungen sind der Regelfall, im vorliegenden Fall lag die Verknüpfung darin, dass es eine nichtsteuerliche Auseinandersetzung gab und zudem der betroffene Kläger selbst bei dem betreffenden Finanzamt steuerlich geführt wurde.

  2. Die Ausübung des Ermessens ist anhand des internen Prüfungsplans und dem Zusammenhang zwischen Prüfungsvorschlag und Prüfungsanordnung kontrollierbar. Inwieweit in weniger krass gelagerten Fällen diese internen Vorgänge in der gerichtlichen Auseinandersetzung von der Finanzverwaltung offenzulegen sind, lässt der BFH in seiner Entscheidung offen.

  3. Bei der Prüfungsanordnung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der mit dem Rechtsmittel des Einspruchs angefochten werden kann.

Hinweis: Der Einspruch gegen eine Prüfungsanordnung hat keine aufschiebende Wirkung. Soll durch den Einspruch der Prüfungsbeginn verschoben werden, ist dazu die Aussetzung der Vollziehung erforderlich, so dass mit dem Einspruch auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verbunden werden sollte.

Festzustellen bleibt aber auch, dass außerhalb solcher ungewöhnlicher Fallgestaltungen grundsätzlich Betriebsprüfungen als notwendige Übel hinzunehmen sind. In der Regel sind Einsprüche gegen Betriebsanordnungen nur wegen formeller Mängel (falscher Adressat, falsche Steuerart u.ä.) erfolgversprechend, nicht aber wegen Ermessensfehler.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de


(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.03.2012, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.