21.09.2011 | Konfliktlösungsmethoden

Kooperationen zwischen Steuerberatern und Wirtschaftsmediatoren

Von Sylvia Ahlers, Steuerberaterin und Wirtschaftsmediatorin, Wiesbaden

Rät der steuerliche Berater zu einer Mediation, kann er durch das Aufzeigen einer zum gerichtlichen Verfahren alternativen Konfliktlösungsmethode enormen Druck von seinem Mandanten nehmen und den sprichwörtlichen Silberstreif am Horizont zeigen. Das stärkt nicht nur die Mandatsbindung, sondern kann als Instrument der Zukunftssicherung betrachtet werden.

Wirtschaftsmediatorin Sylvia Ahlers: "Die Beteiligten sind die Spezialisten für das Problem, sie sind demnach auch die Spezialisten für die Lösung."
Die Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten ist in der Steuerberatung längst gang und gäbe geworden, wobei im Konfliktfall der Gang zum Gericht durch folgende Überlegungen erschwert wird: Hat es überhaupt Sinn, gerichtlich vorzugehen? Stehen die Kosten im Verhältnis zum Prozessrisiko? Sind ausreichend persönliche und finanzielle Ressourcen verfügbar, um einen Prozeß, gegebenenfalls über mehrere Instanzen, durchzustehen? Werden langjährige soziale Bindungen zerstört?

Schließlich ist es ebenso wichtig, ein Unternehmen nicht durch einen Prozeß zu lähmen und schlimmstenfalls in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten zu lassen, was den Verlust des Mandats zur Folge haben kann. Und: ein Prozeß ist immer öffentlich, was auch der Reputation des Unternehmens schaden kann.

Daher ist es von Vorteil, wenn der steuerliche Berater eine Alternative zum Anwalt bieten kann und die am Konflikt Beteiligten an einen in der Wirtschaftsmediation spezialisierten Kollegen verweisen kann. Viele Mandanten, die einem Konflikt ausgesetzt sind, wollen die Sache zwar geklärt haben, scheuen den Gang zum Anwalt aber aus den oben genannten Gründen. Oder sie befinden sich bereits vor Gericht, und das Verfahren mit den verbundenen Belastungen ist unerträglich geworden.


Vor Gericht und auf hoher See ...

Beim Gang zum Gericht ist sicher: die Fronten verhärten sich. Der Dialog, nur noch in schriftlicher Form geführt, wird schärfer; der Konflikt entwickelt eine Eigendynamik. Gespräche, auch über mögliche Vergleiche, finden nur noch über Anwälte statt. Die Kosten des Verfahrens und die letztendliche Entscheidung des Richters sind nahezu unkalkulierbar. Auch die Dauer eines gerichtlichen Prozesses ist kaum abzusehen und naturgemäß eine Folge der Überlastung deutscher Gerichte. Sie beträgt in den meisten Fällen mehr als ein Jahr, bei einem Gang durch mehrere Instanzen häufig länger.

All diese Unabwägbarkeiten stellen zum Einen eine hohe wirtschaftliche Belastung durch Anwaltshonorare und Gerichtskosten dar, zum Anderen kommt es durch die Öffentlichkeit der Verfahren möglicherweise zu einem Verlust des öffentlichen Ansehens. Auch die psychischen Belastungen sind nicht zu unterschätzen. Die daraus resultierende Gereiztheit überträgt sich auf andere (private) Lebensbereiche und vermindert somit die Lebensqualität. In einem gerichtlichen Verfahren verlieren die Beteiligten vor allem auch die Möglichkeit, für sich selbst zu sprechen und zu handeln: mithin ihre Autonomie.


Dialog statt Konfrontation

Die Mediation findet auf „terra incognita“ statt, jede der Parteien schildert dem Mediator ihre Sicht der Dinge; sogenannte „Einzelgespräche in Gegenwart der/des Anderen“.
Den größten Anreiz für eine Mediation stellt die Tatsache dar, dass die Beteiligten für sich selbst sprechen und handeln können. Verantwortung muss nicht delegiert werden. Diese Eigenverantwortlichkeit für das Gelingen des Verfahrens stärkt die Autonomie der Beteiligten. Die Lösung des Konfliktes kann „in die eigene Hand“ genommen werden. Der Wirtschaftsmediator fungiert als Wegbereiter und Begleiter hin zu dieser Lösung, wobei er keine Lösungsvorschläge macht, denn: Die Beteiligten sind die Spezialisten für das Problem, sie sind demnach auch die Spezialisten für die Lösung. Anstelle der Konfrontation tritt der Dialog. Ziel der Mediation ist von Anfang an eine Lösung für die Zukunft und nicht die Klärung von vergangenheitsorientiertem Verhalten und deren Bewertung in einem Urteil. Es geht auch nicht um gegenseitige Schuldzuweisungen.

Eine Mediation bietet sich immer an bei Konflikten zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern, bei Gesellschaftern einer Personengesellschaft untereinander, Konflikten innerhalb von Abteilungen oder Führungskräften und Untergebenen, aber auch im familiären Bereich bei Erbfolgeregelungen, in Erbfällen, bei Unternehmensnachfolge und Generationenkonflikten sowie bei Trennungen. Insbesondere hilft eine Mediation dann, wenn familiäre Strukturen erhalten werden sollen, bei finanziellen Verflechtungen und um eine schnelle Handlungsfähigkeit wiederherzustellen. Die Kosten der Mediation sind kalkulierbar. Die Dauer hängt vom Einigungswillen der Beteiligten ab und beträgt in der Regel nur wenige Termine.


Grundsätze des Mediationsverfahrens

In einem Mediationsverfahren gelten folgende Prämissen:

  • Freiwilligkeit: Jeder Beteiligte nimmt freiwillig an der Mediation teil und kann diese jederzeit auf seinen Wunsch hin abbrechen.

  • Vertraulichkeit: alle regelungsbedürftigen Interessen und wesentlichen Informationen können mitgeteilt werden, ohne zu befürchten, dadurch in einen Nachteil zu geraten oder dass diese Inhalte in die Öffentlichkeit gelangen. Es nehmen nur die am Konflikt tatsächlich Beteiligten teil. Gerade hierdurch nimmt das Mediationsverfahren oftmals eine unerwartete Wendung, die plötzlich viel Spielraum für eine gemeinsame Lösung offenbar werden lässt. Niemand braucht zu befürchten, das etwas Gesagtes später gegen ihn verwendet wird. Der Mediator hat überdies ein Zeugnisverweigerungsrecht.

  • Eigenverantwortlichkeit: da das Mediationsverfahren von der Autonomie und Selbstbestimmtheit der Beteiligten ausgeht, finden gefundene Lösungen eine große Akzeptanz und haben nachhaltig Bestand.

  • Unabhängigkeit: der Mediator muss wirtschaftlich und persönlich unabhängig von den Beteiligten sein.

  • Neutralität: Der Mediator hat für eine gleichberechtigte und faire Gesprächsatmosphäre zu sorgen und unparteilich auf die Beteiligten einzugehen sowie dafür zu sorgen, dass jedem die Möglichkeit gewährt wird, gehört zu werden.


Ablauf des Mediationsverfahrens

In der Regel folgt eine Mediation einem bestimmten Muster, das natürlich je nach Fall varrieren kann: Die Mediation findet auf „terra incognita“ statt, normalerweise in den Räumen des Mediators, damit dieses besondere Verfahren einen geschützten Raum hat.

Jede der Parteien schildert dem Mediator ihre Sicht der Dinge; sogenannte „Einzelgespräche in Gegenwart der/des Anderen“. Jeder Beteiligte hat somit Zeit seinerseits gehört zu werden und andererseits die Positionen und Beweggründe der Anderen zu hören. Hieraus ergibt sich oft ein tieferes, gegenseitiges Verständnis; der Kommunikationsprozeß wird stabilisiert und normalisiert. Dies ist der Schlüssel zum Erfolg der Mediation, denn hieraus können die Beteiligten kreativ ihre Lösungsmöglichkeiten entwickeln, die allen Beteiligten ein größtmögliches Maß an Zufriedenheit schenken.

Die gefundene Lösung wird zum Abschluss verbindlich in einer Mediationsvereinbarung festgehalten, wobei der Mediator lediglich als „Schriftführer“ fungiert. Sie wird zur Prüfung und ggf. Beurkundung einem Rechtsanwalt/Notar vorgelegt um evt. sitten- oder gesetzeswidrige Formulierungen zu vermeiden. Die von den Beteiligten und dem Mediator unterzeichnete Vereinbarung hat Rechtsgültigkeit und stellt einen vollstreckbaren Titel dar.

In der Regel wird im Anschluss ein Termin vereinbart, der 2-3 Monate in der Zukunft liegt, um zu überprüfen, inwieweit die in der Mediationsvereinbarung getroffenen Regelungen die Wirklichkeit/Gegenwart positiv verändert haben (Realitäts-Check) oder ob noch Bedarf an Nachverhandlungen besteht. Bei bereits vor Gericht befindlichen Konflikten wird das Verfahren in Absprache mit dem Gericht für die Dauer der Mediation unterbrochen.


Kooperation und Mandantenschutz

Viele Wirtschaftsmediatoren sind selbst Steuerberater, die eine Zusatzausbildung zum Mediator absolviert haben. Aufgrund des Grundsatzes der wirtschaftlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Mediators von den Beteiligten wird der Kollege bzw. die Kollegin jedoch ausschließlich als Mediator und nicht als steuerlicher Berater auftreten. Der Auftrag der Wirtschaftsmediation sollte also gleichzeitig jegliche steuerliche Beratung klar ausschließen. Alles andere wäre kontraproduktiv. Es würde bei den Beteiligten Befremden auslösen und dazu führen, das Vertrauensverhältnis zum Steuerberater/Wirtschaftsmediator zu unterwandern.

Mandatsschutz sollte bei einer Kooperation selbstverständlich sein. Eine Mediation bei eigenen Mandanten kann es daher auch nicht geben. Langfristiges Ziel ist vielmehr eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen steuerlichem Berater und auf Wirtschaftsmediation spezialisiertem Kollegen.



* Hinweise zur Autorin


ahlersSylvia Ahlers ist Dipl.-Betriebswirtin, selbstständige Steuerberaterin und Wirtschaftsmediatorin und leitet Workshops zum o. g. Thema.

Weitere Informationen: www.sylvia-ahlers.de

Kontakt:
Telefon: (0172) 6999216
E-Mail: info@sylvia-ahlers.de




(STB Web)



Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.09.2011, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.