30.07.2025 | Fachartikel
Von RA Dennis Hillemann und RAin Tanja Ehls
Bei kritischen Nachfragen zu Überbrückungshilfen müssen Steuerberater ihre Mandanten umfassend und zeitnah informieren. Die richtige Kommunikation kann dabei über Erfolg oder Misserfolg des gesamten Verfahrens entscheiden. Worauf Sie achten sollten und welche Fehler Sie vermeiden müssen, beschreiben die Autoren in diesem Beitrag.
Die Schlussabrechnungsverfahren bei den Corona-Überbrückungshilfen entwickeln sich für viele Unternehmen zum Spießrutenlauf. Bewilligungsstellen prüfen inzwischen mit einer Intensität, die viele Antragsteller überrascht. Als Steuerberater stehen Sie in der Pflicht, Ihre Mandanten nicht nur fachlich zu begleiten, sondern auch umfassend über Risiken und Handlungsoptionen zu informieren.
Die Bewilligungsstellen haben ihre Prüfungsintensität massiv erhöht. Insbesondere die Coronabedingtheit der Umsatzeinbrüche wird inzwischen mit einer Akribie hinterfragt, die während der ursprünglichen Antragstellung undenkbar gewesen wäre. Die IHK für München und Oberbayern, die Bezirksregierungen in NRW und andere Bewilligungsstellen verlangen detaillierte Nachweise und lückenlose Begründungen.
Für Sie als Steuerberater bedeutet das: Die bloße Weiterleitung von Behördenschreiben reicht längst nicht mehr aus. Ihre Mandanten benötigen eine umfassende Einordnung der Situation, klare Handlungsempfehlungen und vor allem eine realistische Einschätzung der Risiken.
Sobald kritische Nachfragen eingehen, tickt die Uhr. Die Behörden setzen meist enge Fristen – in der Regel 21 Tage für umfangreiche Stellungnahmen. Ihre erste Information an den Mandanten sollte daher unverzüglich erfolgen, idealerweise noch am Tag des Eingangs oder jedenfalls am nächsten Werktag.
Eine vorbildliche Erstinformation enthält folgende Elemente: Die konkrete Frist für die Beantwortung, eine klare Einordnung der Tragweite der Nachfragen, einen Hinweis auf mögliche Konsequenzen bei Nichtmitwirkung und erste Handlungsempfehlungen. Wichtig ist dabei, dass Sie die Dringlichkeit unmissverständlich kommunizieren. Formulierungen wie "bei Gelegenheit" oder "wenn Sie Zeit haben" sind hier fehl am Platz.
Besonders bewährt hat sich die sofortige Beantragung einer Fristverlängerung, wenn absehbar ist, dass die Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen Zeit benötigt. Dies verschafft allen Beteiligten Luft und zeigt der Behörde gleichzeitig, dass Sie sich der Sache annehmen.
Viele Mandanten verstehen die Tragweite behördlicher Nachfragen nicht sofort. Eine Nachfrage der IHK für München und Oberbayern zur "Prüfung der Coronabedingtheit" klingt zunächst harmlos. Dass dahinter die potenzielle Rückforderung aller erhaltenen Hilfen stehen kann, wird oft erst auf den zweiten Blick deutlich.
Ihre Aufgabe ist es, diese Zusammenhänge verständlich zu erklären. Verzichten Sie auf Behördendeutsch und Fachkauderwelsch. Erklären Sie stattdessen in klaren Worten: Was will die Behörde wissen? Warum stellt sie diese Fragen jetzt? Was steht auf dem Spiel?
Ein Praxisbeispiel verdeutlicht dies: "Die IHK prüft, ob Ihre Umsatzeinbrüche tatsächlich durch Corona verursacht wurden oder andere Gründe hatten. Wenn wir das nicht überzeugend nachweisen können, müssen Sie die erhaltenen 150.000 Euro Überbrückungshilfe komplett zurückzahlen." Das wäre eine Formulierung, die die Dringlichkeit der Nachfrage unterstreicht.
Immer wieder sehen wir, dass Steuerberater die Mandanten bei den Nachfragen „im Regen stehen lassen“ und diese nicht einordnen. Das kommt oft wie ein Bumerang zurück: Erfolgt dann die Rückforderung der Hilfen wegen unzureichender Beantwortung der Nachfragen, sind die Mandanten schnell dabei, den Steuerberater wegen Beratungsfehlern in Haftung zu nehmen und sich bei der Steuerberaterkammer über den Steuerberater zu beschweren, oftmals mit sehr emotionalen Untertönen.
Ein häufiger Fehler ist es, die Konsequenzen mangelnder Mitwirkung zu verschweigen oder zu beschönigen. Ihre Mandanten müssen verstehen, dass Passivität keine Option ist. Wer Behördenfristen verstreichen lässt, riskiert nicht nur die Rückforderung der Hilfen, sondern unter Umständen auch strafrechtliche Konsequenzen.
Kommunizieren Sie daher klar: "Wenn Sie nicht oder nicht rechtzeitig antworten, wird die Behörde davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für die Überbrückungshilfe nicht vorlagen. Die Folge wäre eine vollständige Rückforderung plus Zinsen."
Gleichzeitig sollten Sie aber auch Mut machen. Viele Nachfragen lassen sich mit der richtigen Argumentation und entsprechenden Nachweisen entkräften. Wichtig ist nur, dass man sich der Sache annimmt und professionell reagiert.
Als Steuerberater kennen Sie Ihre fachlichen Grenzen. Bei kritischen Nachfragen zur Coronabedingtheit oder drohenden Rückforderungen im sechsstelligen Bereich ist oft der Punkt erreicht, an dem spezialisierte Rechtsberatung sinnvoll wird.
Scheuen Sie sich nicht, dies Ihren Mandanten zu empfehlen. Eine frühzeitige anwaltliche Begleitung kann nicht nur die Erfolgsaussichten verbessern, sondern spart oft auch Geld. Denn die Kosten für eine professionelle Stellungnahme sind meist deutlich geringer als die drohende Rückforderung.
Hilfreich ist es, wenn Sie konkrete Ansprechpartner nennen können. Recherchieren Sie vorab, welche Kanzleien sich auf Überbrückungshilfen spezialisiert haben. Weisen Sie auch darauf hin, dass möglicherweise die Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt – allerdings sollte dies vorab schriftlich geklärt werden.
In der Praxis zeigen sich immer wieder dieselben Kommunikationsfehler, die fatale Folgen haben können. Der klassische Fehler ist die verspätete Information. Manche Steuerberater sammeln erst einmal Schriftstücke, bevor sie den Mandanten informieren. Das kostet wertvolle Zeit. Besser: Sofort eine Erstinformation senden und dann sukzessive nachliefern.
Ein weiterer häufiger Fehler ist die Verharmlosung. Aussagen wie "Das wird schon nicht so schlimm" oder "Die wollen nur ein paar Unterlagen" können dazu führen, dass Mandanten die Sache nicht ernst genug nehmen. Die Folgen können verheerend sein.
Auch das Gegenteil ist problematisch: Panikmache hilft niemandem. Ja, die Situation ist ernst. Aber mit professioneller Herangehensweise lassen sich viele Probleme lösen. Ihre Aufgabe ist es, den richtigen Ton zwischen Dringlichkeit und Zuversicht zu treffen.
Dokumentieren Sie Ihre Informationen an den Mandanten sorgfältig. E-Mails sind hier das Mittel der Wahl, da sie einen Zeitstempel tragen und die Kommunikation nachvollziehbar machen. Oftmals ist es sinnvoll, sich eine Empfangsbestätigung senden zu lassen, besonders in kritischen Fällen. Lassen Sie sich wichtige Informationen auch bestätigen, etwa wenn der Mandant sich entscheidet, keinen Anwalt hinzuzuziehen.
Besonders wichtig: Wenn Mandanten nicht reagieren, haken Sie nach. Ein zweites und notfalls drittes Erinnerungsschreiben sollte Standard sein. Dokumentieren Sie auch diese Versuche. Im Ernstfall können Sie so nachweisen, dass Sie Ihrer Informationspflicht nachgekommen sind.
Entwickeln Sie Standardprozesse für den Umgang mit kritischen Nachfragen. Ein Mustertext für die Erstinformation spart Zeit und stellt sicher, dass keine wichtigen Punkte vergessen werden. Dieser sollte individuell anpassbar sein, aber die Grundstruktur vorgeben.
Pflegen Sie ein Netzwerk von spezialisierten Anwälten, die Sie bei Bedarf empfehlen können. Nichts ist unprofessioneller, als wenn Sie auf die Frage nach einem geeigneten Anwalt mit den Schultern zucken müssen. Bleiben Sie selbst auf dem Laufenden. Die Rechtsprechung zu Überbrückungshilfen entwickelt sich dynamisch. Wer die aktuellen Urteile kennt, kann seine Mandanten besser beraten und rechtzeitig vor Risiken warnen.
Die richtige Information bei kritischen Nachfragen zu Überbrückungshilfen ist mehr als eine lästige Pflicht – sie ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Mandanten, die frühzeitig und umfassend informiert werden, können besser reagieren und haben höhere Erfolgsaussichten.
Ihre Rolle als Steuerberater geht dabei weit über die reine Weitergabe von Behördenschreiben hinaus. Sie sind Übersetzer, Warner, Mutmacher und Lotse in einem. Nehmen Sie diese Verantwortung ernst. Ihre Mandanten werden es Ihnen danken – spätestens dann, wenn dank Ihrer professionellen Begleitung ein positiver Schlussbescheid ergeht.
Die Autoren laden Sie ein, "Überbrückungshilfe - Das Netzwerk" beizutreten, eine kostenlose Plattform, die von Rechtsanwalt Dennis Hillemann für einen bundesweiten Austausch über Überbrückungshilfen, Widerspruchs- und Klageverfahren gegründet wurde. Schließen Sie sich dem Netzwerk mit rund 1.000 Steuerberater*innen an unter
www.überbrückungshilfe-netzwerk.de
und nutzen Sie die Möglichkeit, aktuelle Rechtsfragen zu diskutieren und von den Erfahrungen anderer zu profitieren!
Über die Autor*innen:
Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von ADVANT Beiten (www.advant-beiten.com). Tanja Ehls ist ebenso Partnerin der Kanzlei und arbeitet als Rechtsanwältin im Fördermittelrecht und Verwaltungsprozessrecht im Frankfurter Büro von ADVANT Beiten. Sie beraten gemeinsam Unternehmen und deren Steuerberater*innen bundesweit zu Corona-Überbrückungshilfen, kennen die Praxis der Bewilligungsstellen und vertreten in zahlreichen Widerspruchs- und Klageverfahren. Zudem erstellen Sie Gutachten und begleiten die Schlussabrechnungen.