30.07.2025 | Unternehmenssteuerung
Von RA/StB Ronny Walter und StB Dipl.-Finw. Matthias Winkler
Was in Konzernen längst etabliert ist, wird im gehobenen Mittelstand zunehmend zum strategischen Thema: der gezielte Aufbau zentraler Dienstleistungsfunktionen in Form eines Shared Service Centers (SSC). Insbesondere bei wachsenden Unternehmensgruppen mit mehreren Gesellschaften oder Standorten geht es nicht nur um Effizienzgewinne, sondern um eine verlässliche betriebswirtschaftliche Grundlage für interne Leistungsverhältnisse.
Viele mittelständische Unternehmen beginnen mit einer operativen Gesellschaft, wachsen jedoch im Laufe der Zeit zu einer Unternehmensgruppe mit mehreren Einheiten, Beteiligungen oder Auslandsstandorten. Was dabei oft unbemerkt bleibt: Zentrale Leistungen wie Buchhaltung, Personalverwaltung, IT oder Einkauf werden weiterhin informell aus dem Haupthaus erbracht, ohne organisatorische oder vertragliche Trennung.
In der Folge fließen Leistungen in Tochtergesellschaften ein, ohne dass sie verrechnet werden. Die betriebswirtschaftliche Ergebnisdarstellung einzelner Gesellschaften wird dadurch verzerrt. Gleichzeitig bleiben Aufwand und Verantwortung an zentralen Stellen zurück – ohne kostenmäßige Entlastung oder organisatorische Sichtbarkeit.
Ein Shared Service Center hilft dabei, personelle und finanzielle Ressourcen sinnvoll zu organisieren. Es bildet diejenigen Leistungen ab, die zentral erbracht und für mehrere Gesellschaften genutzt werden. Häufig zählen dazu:
Entscheidend ist nicht die Zahl der Funktionen, sondern die klare Abgrenzung, Verantwortung und Abrechnung gegenüber den nutzenden Einheiten und im Sinne der Gesamtgruppe.
Ein wesentliches Ziel des Shared Service Centers ist die transparente Verrechnung interner Leistungen – sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch aus steuerlicher Sicht. Eine saubere Leistungsverrechnung zeigt auf, welche Einheiten welche Dienste in Anspruch nehmen, macht deren Kosten sichtbar und hilft dabei, die Profitabilität der einzelnen Gesellschaften realistisch zu bewerten.
Steuerlich ist es entscheidend, dass die Verrechnung auf Grundlage klarer, schriftlicher Verträge erfolgt und die Vergütung dem Fremdvergleich standhält. Fehlt es an Dokumentation oder ist die Bemessung wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, kann es bei Betriebsprüfungen oder in internationalen Strukturen zu Korrekturen kommen – insbesondere im Kontext konzerninterner Verrechnungspreise.
Neben der Kosten- und Leistungstransparenz trägt ein Shared Service Center auch zur besseren Nutzung personeller Ressourcen bei. Gerade in Zeiten begrenzter Fachkräftekapazitäten ist es für viele Unternehmen nicht realistisch, jede Gesellschaft mit eigenem HR- oder Rechnungswesenpersonal auszustatten.
Durch die Bündelung können Tätigkeiten und Fachlichkeit optimiert sowie beispielsweise auch Vertretungsregelungen besser abgebildet werden. Mitarbeitende können außerdem gezielter entwickelt und eingesetzt werden – ohne dass operative Einheiten an Flexibilität verlieren.
In der Praxis wird ein Shared Service Center im Mittelstand häufig als eigene GmbH innerhalb der Unternehmensgruppe aufgebaut – insbesondere dann, wenn mehrere operative GmbHs bestehen oder eine Holdingstruktur vorhanden ist.
Diese rechtliche Selbstständigkeit bietet Vorteile: Sie schafft klare vertragliche Beziehungen, ermöglicht eine steuerlich saubere Leistungsverrechnung und reduziert das Haftungsrisiko.
Alternativ kann das Shared Service Center auch als zentrale Abteilung innerhalb einer bestehenden Gesellschaft geführt werden. Entscheidend ist in jedem Fall: Leistungen, Zuständigkeiten und Abrechnungsregeln müssen verbindlich geregelt sein. Verträge, interne Service Level Agreements (SLA) und eine laufende wirtschaftliche Überprüfung sind dabei unerlässlich.
Ein Shared Service Center ist also kein rein administratives Modell, sondern ein strategischer Baustein für unternehmerische Steuerung. Es schafft Klarheit über Leistungen, fördert die betriebswirtschaftliche Vergleichbarkeit innerhalb der Gruppe, nutzt personelle Ressourcen gezielter und reduziert steuerliche Risiken.
Besonders in wachsenden Unternehmensgruppen bietet es die Möglichkeit, Struktur und Effizienz in Einklang zu bringen – ohne operative Einheiten zu überfrachten oder zentrale Funktionen im Hintergrund verschwinden zu lassen. Ein strukturierter Aufbau, rechtlich sauber geregelt und wirtschaftlich tragfähig ausgestaltet, ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.
Über die Autoren:
Matthias Winkler ist Diplom-Finanzwirt, Steuerberater, Fachberater für internationales Steuerrecht und Partner im Bereich Tax bei der multidisziplinären Kanzlei Baker Tilly an den Standorten München und Regensburg (www.bakertilly.de). Ronny Walter ist Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und ebenfalls Partner im Bereich Tax bei Baker Tilly am Standort München. Gemeinsam beraten sie mittelständische Unternehmen und deren Inhaberfamilien umfassend in steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Begleitung von Familienunternehmen im Rahmen der Mittelstandsberatung.