25.04.2025 | Fachartikel
Von RA Dennis Hillemann und RAin Tanja Ehls, ADVANT Beiten
Die Schlussabrechnungen der Corona-Überbrückungshilfen beschäftigen Steuerberater und Mandanten auch im Frühjahr 2025 weiterhin intensiv. Nach wie vor beobachten wir eine strenge Prüfpraxis bei den Bewilligungsstellen. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die aktuell vorrangigen Themen und Probleme sowie die Praxis der Bewilligungsstellen bei der Bearbeitung der Schlussabrechnungen.
Die Bewilligungsstellen verstehen die Schlussabrechnung nach wie vor überwiegend als sogenannten "Totalvorbehalt". Dies bedeutet, dass sie sich das Recht vorbehalten, sämtliche Angaben und Voraussetzungen, die bereits bei Antragstellung geprüft und positiv beschieden wurden, erneut vollumfänglich zu überprüfen und gegebenenfalls anders zu bewerten. Dies betrifft insbesondere die Anspruchsvoraussetzungen wie den coronabedingten Umsatzeinbruch, die Fixkosten oder die Unternehmensdefinition.
Die Rechtsfrage, ob ein solcher Totalvorbehalt tatsächlich rechtmäßig ist oder ob nicht vielmehr die Prüfung im Rahmen der Schlussabrechnung auf Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Antrag beschränkt sein müsste, ist in der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt. Zahlreiche Widerspruchs- und Klageverfahren sind erst erhoben worden und werden in den kommenden Monaten oder eher Jahren entschieden werden. Die langen Bearbeitungszeiten bei den Bewilligungsstellen und Verwaltungsgerichten führen zu erheblichen Verzögerungen bei der rechtlichen Klärung dieser grundlegenden Frage.
Tipp für Steuerberater: Dokumentieren Sie bei strittigen Fällen genau, welche Angaben bereits bei Antragstellung gemacht wurden und inwieweit die Bewilligungsstelle diese damals geprüft und akzeptiert hat. Dies kann in späteren Widerspruchs- oder Klageverfahren von entscheidender Bedeutung sein.
Wir sehen derzeit (weiter) die folgenden Schwerpunktthemen:
Die Frage, ob ein antragstellendes Unternehmen Teil eines Unternehmensverbunds ist, wird von den Bewilligungsstellen intensiv geprüft. Insbesondere werden gesellschaftsrechtliche Verflechtungen und beherrschende Einflüsse teilweise weiter ausgelegt, als dies bei der Antragstellung erwartet wurde.
Die Bewilligungsstellen prüfen hier verstärkt die tatsächlichen Machtverhältnisse und nicht nur die formalen Beteiligungen. Dies führt dazu, dass Unternehmen nachträglich als verbunden eingestuft werden, obwohl sie sich bei Antragstellung als eigenständig betrachtet haben. Die Konsequenzen können erheblich sein: andere Förderhöchstgrenzen, andere Beihilferahmen und im Extremfall eine vollständige Rückforderung der Hilfen.
Tipp für Steuerberater: Überprüfen Sie bei Mandanten mit komplexeren Gesellschaftsstrukturen noch einmal genau die Verbundstruktur. Bereiten Sie für eventuelle Rückfragen der Bewilligungsstellen bereits jetzt Nachweise vor, die die Eigenständigkeit der Unternehmen belegen können.
Die Prüfung, ob der Umsatzrückgang tatsächlich coronabedingt war, ist nach wie vor eines der Hauptthemen bei den Schlussabrechnungen. Die Bewilligungsstellen fordern hier jedenfalls bei nicht direkt von Schließungsanordnungen betroffenen Branchen umfangreiche Nachweise darüber, dass die Umsatzeinbrüche kausal auf die Corona-Pandemie bzw. die staatlichen Maßnahmen zurückzuführen sind.
Besonders kritisch werden Fälle betrachtet, in denen Unternehmen bereits vor der Pandemie rückläufige Umsätze hatten oder wo branchenspezifische Vergleiche zeigen, dass andere Unternehmen der gleichen Branche weniger stark betroffen waren. Auch bei Unternehmen, die nicht von direkten Schließungsanordnungen betroffen waren, wird die Kausalität besonders intensiv hinterfragt.
Die Bewilligungsstellen neigen dazu, bei unzureichender Begründung den coronabedingten Zusammenhang zu verneinen und eine vollständige Rückforderung auszusprechen.
Tipp für Steuerberater: Bereits im Schlussabrechnungsverfahren sollte der Mandant Rechtsanwälte hinzuziehen, wenn der coronabedingte Umsatzeinbruch kritisch nachzuweisen sein könnte. Denn nach der Rechtsprechung werden im Gerichtsverfahren nur solche Sachverhalte berücksichtigt, die bereits im Klageverfahren vorgetragen worden sind.
Die nachträgliche Anerkennung von Fixkosten, insbesondere wenn diese im ursprünglichen Antrag nicht oder anders angegeben wurden, wird von den Bewilligungsstellen sehr restriktiv gehandhabt. Besonders neue Fixkosten, die erst in der Schlussabrechnung geltend gemacht werden, werden kritisch geprüft.
Die Bewilligungsstellen vertreten häufig die Position, dass die Liste der beantragten Fixkosten abschließend sei und nachträgliche Ergänzungen nur in sehr begrenztem Umfang möglich sind. Dies führt dazu, dass Unternehmen teilweise trotz belegbarer Gesamtbelastung Rückzahlungen leisten müssen, weil die Kosten nicht in der richtigen Kategorie oder nicht im ursprünglichen Antrag geltend gemacht wurden.
Tipp für Steuerberater: Nicht zu schnell aufgeben. Wenn Sie die neuen Fixkosten streichen oder den Verzicht darauf erklären, kann der Mandant diese gegebenenfalls nicht mehr mit Widerspruch oder Klage einfordern. Besser ist es, wenn eine Teilablehnung ergeht, die der Mandant anfechten kann.
Bei der Wahl des Beihilferahmens zeigen sich zunehmend Probleme, insbesondere beim Beihilferahmen "Schadensausgleich" (Bundesregelung Schadensausgleich). Die Bewilligungsstellen prüfen sehr genau, ob die Voraussetzungen für diesen Beihilferahmen tatsächlich vorlagen und ob die Unternehmen diesen Rahmen rechtmäßig wählen konnten.
Besonders problematisch wird es, wenn Unternehmen den Schadensausgleich gewählt haben, aber die strengen Voraussetzungen für einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen staatlichen Corona-Maßnahmen und dem entstandenen Schaden nicht hinreichend nachweisen können. Hier kommt es vermehrt zu Rückforderungen, da die Bewilligungsstellen den Standpunkt vertreten, dass der Schadensausgleich zu Unrecht gewählt wurde.
Tipp für Steuerberater: Wegen der betragsmäßig hohen Auswirkungen bei Streichung eines größeren Beihilferahmens ist bei Nachfragen auch hier wieder zu raten, Rechtsanwälte hinzuzuziehen werden.
Ein besonderer Problembereich betrifft die Überkompensation bei den November- und Dezemberhilfen. Da diese Hilfen pauschal auf Basis des Vorjahresumsatzes berechnet wurden, kommt es in der Schlussabrechnung häufig zu Feststellungen, dass Unternehmen mehr Hilfen erhalten haben, als sie tatsächlich an Einbußen erlitten haben.
Die Bewilligungsstellen prüfen hier sehr genau, ob es zu einer Überkompensation gekommen ist, insbesondere wenn Unternehmen schon vor der Pandemie hohe Umsätze durch Außer-Haus-Verkäufe erzielt haben.
Tipp für Steuerberater: In Kürzungen wegen vermeintlicher Überkompensation sollten die Mandanten in jedem Fall anwaltlichen Rat suchen.
Die Prüfpraxis der Bewilligungsstellen variiert regional teils erheblich. Besonders streng ist aktuell die Praxis bei der IHK für München und Oberbayern sowie bei der NBank (Niedersachsen), insbesondere beim Thema coronabedingter Umsatzeinbruch.
Bei der IHK München und Oberbayern werden sehr detaillierte Nachweise für die Coronabedingtheit des Umsatzrückgangs gefordert. Es wird penibel geprüft, ob der Umsatzrückgang wirklich auf die Pandemie und nicht auf andere betriebliche oder wirtschaftliche Faktoren zurückzuführen ist.
Die NBank zeichnet sich ebenfalls durch eine besonders strenge Prüfung des coronabedingten Umsatzeinbruchs aus und fordert umfangreiche Nachweise und Erläuterungen. Zudem prüft sie sehr kritisch das Thema Überkompensation bei den November- und Dezemberhilfen.
Bundesweit im Fokus steht das Thema Unternehmensverbund, wobei eine besonders strenge Prüfpraxis neben Bayern und Niedersachsen auch in Hessen und Baden-Württemberg herrscht.
Die einzelnen Bewilligungsstellen scheinen dabei unterschiedlich weit in ihrer Arbeit: Während die Bearbeitung der Schlussabrechnungen in Bayern und Hessen weit fortgeschritten scheint, haben wir den Eindruck, dass diese in Bundesländern wie Hamburg, Berlin oder Nordrhein-Westfalen noch "in den Kinderschuhen" steckt und bisher wenig abschließende Bescheide ergangen sind. Wundern Sie sich nicht, wenn Sie in diesen Bundesländern bisher keine Rückfragen oder Entscheidungen erhalten haben.
Die Schlussabrechnungen der Corona-Überbrückungshilfen bleiben auch im April 2025 ein komplexes und konfliktträchtiges Thema. Die Bewilligungsstellen prüfen weiterhin sehr streng und verstehen die Schlussabrechnung als Totalvorbehalt. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Themen coronabedingter Umsatzeinbruch, Beihilferahmen, Unternehmensverbund, Geschäftsaufgabe, Fixkosten und Überkompensation.
Für Steuerberater ist es entscheidend, alle Kommunikationskanäle mit den Bewilligungsstellen kontinuierlich zu überwachen, Fristen strikt einzuhalten und bei strittigen Fällen frühzeitig rechtliche Expertise einzuholen. Eine sorgfältige Dokumentation aller Nachweise und eine professionelle Begleitung des gesamten Prozesses können dazu beitragen, die Erfolgsaussichten bei der Verteidigung der Hilfen zu verbessern.
Die Autoren laden Sie ein, "Überbrückungshilfe - Das Netzwerk" beizutreten, eine kostenlose Plattform, die von Rechtsanwalt Dennis Hillemann für einen bundesweiten Austausch über Überbrückungshilfen, Widerspruchs- und Klageverfahren gegründet wurde. Schließen Sie sich dem Netzwerk mit rund 1.000 Steuerberater*innen an unter
www.überbrückungshilfe-netzwerk.de
und nutzen Sie die Möglichkeit, aktuelle Rechtsfragen zu diskutieren und von den Erfahrungen anderer zu profitieren!
Über die Autor*innen:
Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von ADVANT Beiten (www.advant-beiten.com). Tanja Ehls ist ebenso Partnerin der Kanzlei und arbeitet als Rechtsanwältin im Fördermittelrecht und Verwaltungsprozessrecht im Frankfurter Büro von ADVANT Beiten. Sie beraten gemeinsam Unternehmen und deren Steuerberater*innen bundesweit zu Corona-Überbrückungshilfen, kennen die Praxis der Bewilligungsstellen und vertreten in zahlreichen Widerspruchs- und Klageverfahren. Zudem erstellen Sie Gutachten und begleiten die Schlussabrechnungen.