28.11.2024 | Interview

»Der Gewinn steht nicht über allem«

Von Manuel Maurer / Interview mit WP Ulrich Britting

Die ba tax gmbh Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist die erste und bislang einzigste Kanzlei in Deutschland, die "B Corp" zertifiziert ist. Mit dem internationalen Zertifikat werden Unternehmen für ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen ausgezeichnet. Hierüber sprachen wir mit Wirtschaftsprüfer und ba-Geschäftsführer Ulrich Britting.

Foto: © WP Ulrich Britting, Geschäftsführer bei der ba tax gmbh

Manuel Maurer:
Nachhaltigkeit ist ein echtes Buzzword geworden, wie ihr selbst auf eurer Website schreibt, und geht schon fast in universeller Beliebigkeit auf. Was heißt Nachhaltigkeit für dich persönlich?

Ulrich Britting:
Für mich persönlich ist Nachhaltigkeit mehr als Klima und Umwelt, es ist vor allem eine Sache der sozialen Verantwortung und des gesellschaftlichen Beitrags, den wir als Unternehmer:innen und Unternehmen leisten können und sollten. Es bedeutet, Entscheidungen so zu treffen, dass sie unser Umfeld erhalten und auch in Zukunft einen Mehrwert schaffen und nicht nur den kurzfristigen Erfolg im Blick haben. Für uns als Unternehmen geht es darum, mit Ressourcen respektvoll und langfristig orientiert umzugehen, sei es in der Natur, in sozialen Beziehungen oder in geschäftlichen Partnerschaften.

Es geht auch darum, unternehmerische Kraft nicht nur zur Gewinnoptimierung zu nutzen.

Manuel Maurer:
Eure ba tax gmbh Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist – als einzige Kanzlei in Deutschland – B Corp zertifiziert. Was steckt dahinter und warum ist das mehr als ein weiteres wohlklingendes Green Economy-Label?

Ulrich Britting:
B Corp ist nicht einfach nur ein Label oder Nachhaltigkeitszertifikat. Es bietet ein Management-Tool, mit dem Unternehmen sich selbst besser kennenlernen und ihren Impact messen können. Darüber hinaus geht es darum, die unternehmerische Kraft nicht nur zur Gewinnoptimierung zu nutzen, sondern "die Wirtschaft zu einer Kraft des Guten" zu machen. Teil der B Corp-Bewegung zu sein bedeutet, unser Tun immer wieder zu hinterfragen und kontinuierlich weiter zu verbessern.

Manuel Maurer:
Wie kam es dazu, was hat euch zu diesem Prozess veranlasst?

Ulrich Britting:
Unser Antrieb war der Wunsch, mehr zu sein als nur eine Kanzlei – wir wollten eine Art Vorbild sein, wie man verantwortungsvoll und nachhaltig erfolgreich sein kann. Unsere Entscheidung für die Zertifizierung war die logische Weiterentwicklung unserer Überzeugung, dass wirtschaftlicher Erfolg und positive gesellschaftliche Wirkung Hand in Hand gehen sollten.

Manuel Maurer:
Welche Zwischenbilanz ziehst du?

Ulrich Britting:
Es ist viel zu früh für eine Zwischenbilanz. Wir werden wahrgenommen und ich darf dieses Interview führen. Wir reden intern viel darüber und auch in der Branche gibt es Interesse an dem, was wir tun. Das ist gut, braucht aber Zeit. Allein der Weg hat uns verändert, bereichert und viel gelehrt. Aber wir lernen auch immer noch, was die damit verbundene Haltung in der praktischen Umsetzung tatsächlich bedeutet. Das ist manchmal auch überraschend oder anstrengend. Wir gewinnen aber viel Klarheit in und für unser Tun.

Manuel Maurer:
Das Konzept folgt ja dem Stakeholder-Ansatz, mit dem ein Unternehmen nicht mehr nur die rein monetäre Wertschöpfung im Sinn hat, sondern auf qualitativen Mehrwert und Wohlergehen für alle Beteiligten zielt. Da ergeben sich sicherlich auch Reibungspunkte und Konflikte in einer immer noch von Gewinnmaximierung und Wachstumsdogma geprägten Mehrheitsökonomie. Welche sind das vornehmlich?

Wir berücksichtigen zunehmend den Impact von Unternehmen bei der Mandatsannahme.

Ulrich Britting:
Also grundsätzlich sind Wertschöpfung und wirtschaftlicher Erfolg auch bei B Corps wichtig, denn ohne diesen kann kein Unternehmen nachhaltig, also langfristig existieren. Allerdings steht der Gewinn nicht über allem und das ist ungewohnt.

Wir berücksichtigen zunehmend den Impact von Unternehmen bei der Mandatsannahme und das führt schon zu internen Diskussionen, wenn wir uns in diesem Zusammenhang auch mal gegen die Annahme eines wirtschaftlich lukrativen Mandanten entscheiden.

Im Einkauf versuchen wir nachhaltige und lokale Produkte zu bevorzugen, das kostet bei der Auswahl mehr Zeit und derzeit auch oft noch mehr Geld. So kaufen wir aktuell eigentlich nur noch in Ausnahmefällen über Amazon ein.

Solche Reibungspunkte zeigen, dass es Herausforderungen gibt, die überwunden werden müssen, um eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Wirtschaft zu fördern. Es erfordert diese Diskussionen und eine klare Vision, um die Hindernisse zu überwinden und tatsächlich positive Veränderungen zu bewirken.

Manuel Maurer:
Sicherlich seid ihr mit diesem Ansatz und der Zertifizierung auch Vorbild für Mandanten-Unternehmen...

Ulrich Britting:
Ja und nein, wir hatten bereits einige B Corps als Mandanten bevor wir in den Prozess gegangen sind. Die Zertifizierung wird natürlich in der Community wahrgenommen und wir bekommen vermehrt Anfragen nachhaltiger Unternehmen und anderer B Corps.

Wir glauben, dass die Automatisierung die Steuerberatung nicht bedroht, sondern eher befreit.

Manuel Maurer:
Es gibt ja Prognosen, dass Steuer-Berufe infolge der zunehmenden Roboterisierung verschwinden werden. Was folgt daraus für dein eigenes Berufsverständnis und eure Personalentwicklung?

Ulrich Britting:
Wir glauben, dass die Automatisierung die Steuerberatung nicht bedroht, sondern eher befreit. Und zwar von den sich wiederholenden, wenig kreativen Tätigkeiten. KI und Automatisierung helfen uns, Freiheiten zu schaffen, damit wir das Wort Beratung im Begriff Steuerberatung wieder mit Leben füllen können.

Deshalb wollen wir die Arbeit unserer Mitarbeitenden auf Tätigkeiten konzentrieren, die wertstiftend und persönlich bereichernd sind, statt auf reine Routineaufgaben. Unser Ziel ist es, durch Schulungen und gezielte Weiterentwicklung die Kompetenzen unseres Teams so auszubauen, dass es mit den (technologischen) Veränderungen nicht nur Schritt halten, sondern diese aktiv mitgestalten kann. Für uns ist klar: Wir wollen die Veränderung durch Digitalisierung und KI als Vorreiter mitgestalten.

Manuel Maurer: 
Die Digitalisierung wird meinem Eindruck nach als universelles Heilmittel gegen den chronischen Kapazitätsengpass und Fachkräftemangel in der Steuerbranche angepriesen. Oft führt diese aber nicht zu mehr Effizienz, sondern zu mehr Erschöpfung und das schneller. Was läuft da schief?

Ulrich Britting:
Die Digitalisierung hilft sicher dabei, effizienter zu arbeiten, zumindest wenn man das ganzheitlich denkt und die Prozesse auch an die Möglichkeiten anpasst und nicht nur digitalisiert. Wenn wir Digitalisierung nicht nutzen, um noch mehr in kürzerer Zeit zu schaffen, sondern die entstehenden Freiräume dafür verwenden, kreativ zu denken und uns weiterzuentwickeln oder um am Unternehmen, statt im Unternehmen zu arbeiten, dann wird die Arbeit auch wieder sinnvoller und damit befriedigender.

Manuel Maurer:
Was bedeutet der Begriff Effizienz eigentlich aus Nachhaltigkeitssicht – kann er überhaupt nachhaltig umgedeutet werden?

Ulrich Britting:
Nachhaltige Effizienz bedeutet für uns, dass wir unsere Arbeitsweise so gestalten, dass sie Ressourcen schont, den Menschen fördert und langfristig wertschöpfend wirkt – und nicht nur kurzfristig den Gewinn optimiert.

Die Kombination von Nachhaltigkeit im weiteren Sinne und Digitalisierung birgt eine große Chance für unsere Branche, wieder ein attraktiver Beruf zu werden.

Zur Person:

Ulrich BrittingUlrich Britting ist Wirtschaftsprüfer und Geschäftsführer bei der ba tax gmbh Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (ba-tax.de) in Hamburg. Kontakt auf LinkedIn

Manuel Maurer Manuel Maurer ist Herausgeber und Chefredakteur von STB Web, Online-Fachmagazin für Steuerberater (www.stb-web.de). Kontakt auf LinkedIn