30.03.2023 | Fachartikel/Kommentar

Grundsteuer – heißes Eisen in der Steuerberatung

DKB

Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht

Aktuell gehen immer mehr Feststellungsbescheide zur Grundsteuer und Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags in den Kanzleien ein und es stellt sich die Frage, wie damit umzugehen ist. Denn die Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung des Grundsteuermessbetrags sind nur schwer nachvollziehbar; es drängt sich sogar der Verdacht auf, dass auch die Neuregelung gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt.

Auch die Neuregelungen zur Grundsteuer sind möglicherweise verfassungswidrig. (Foto: © iStock.com/AndreyPopov)

Insbesondere wird kritisiert, dass die sogenannten Bodenrichtwerte, die von den Gutachterausschüssen anhand aktueller Kaufpreise für die Immobilien ermittelt werden, ohne Korrekturmöglichkeit in den Grundsteuerwert und damit in den Steuermessbetrag einfließen. Hinzu kommt, dass bei der Ermittlung des Wertes theoretische Mieteinnahmen berücksichtigt werden, die häufig höher sind als die tatsächlich durch die Immobilie erzielten Mieteinnahmen. Deshalb raten Fachleute, allen voran der Staatsrechtler und Steuerexperte Prof. Gregor Kirchhof vom Institut für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg, auch dann gegen die Festsetzung des Grundsteuermessbetrages und der Feststellung des Grundsteuerwertes auf den 1.1.2022 vorsorglich Einspruch einzulegen, wenn die Berechnungen den neuen Regelungen entsprechen (vgl. Interview mit dem FOCUS-online vom 7.12.2022). Zugleich sollte das Ruhen des Verfahrens zu beantragt werden.

Was ist bei einem Einspruch zu beachten?

Der Einspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Feststellungs- und Festsetzungsbescheide einzulegen. Ein per Post zugesandter Steuerbescheid gilt grundsätzlich drei Tage nach dem Datum als zugestellt, das im Steuerbescheid genannt ist.

Auch wenn der Einspruch nicht zwingend begründet werden muss, ist eine Begründung sinnvoll. Als Begründung sollte darauf verwiesen werden, dass es ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer gibt. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Finanzverwaltung diese Auffassung teilt, so dass zu befürchten ist, dass den Einsprüchen nicht stattgegeben wird und eine entsprechende Einspruchsentscheidung ergeht. Wird gegen eine solche Einspruchsentscheidung nicht innerhalb eines Monats Klage vor dem Finanzgericht erhoben, werden die Steuerbescheide nach Ablauf der Klagefrist bestandskräftig. Anders als der Einspruch, der keine Verfahrenskosten beim Finanzamt auslöst, werden bei einer Klage vor dem Finanzgericht Gerichtskosten erhoben.

Ruhen des Verfahrens beantragen

Deshalb sollte mit dem Einspruch zugleich das Ruhen des Verfahrens beantragt werden. Zwar ist bislang noch kein Verfahren vor dem Bundfinanzhof oder dem Bundesverfassungsgericht in Sachen 'neues Grundsteuerrecht' anhängig, aber es ist zu erwarten, dass solche – sobald dies verfahrensrechtlich möglich ist – anhängig werden. Denn der Bund der Steuerzahler hat bereits angekündigt, dass er zusammen mit dem Verband Haus & Grund Musterklagen gegen die Feststellungs- und Festsetzungsbescheide erheben wird (vgl. hierzu die Website des BdSt); es müssen allerdings zuvor die Einspruchsverfahren abgewartet werden, um klagen zu können. Nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn die steuerpflichtige Person damit einverstanden ist und das Ruhen des Verfahrens aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint. Aufgrund der geplanten Musterverfahren und den berechtigten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelungen zur Grundsteuer, könnte ein wichtiger Grund vorliegen, der es zweckmäßig erscheinen lässt, zunächst die Musterverfahren abzuwarten, bevor über jeden einzelnen Einspruch entschieden wird und die Steuerpflichtigen in Klageverfahren gezwungen werden. Ob die Finanzverwaltung das genauso sieht, ist aber zweifelhaft. In der Beratung sollte die Mandantschaft auf diese Schwierigkeiten hingewiesen werden.

Hinweise für die Beratungspraxis

Um sich nicht später – sollte die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Regelung tatsächlich festgestellt werden – dem Vorwurf auszusetzen, auf diese Möglichkeit nicht hingewiesen zu haben, sollten sämtliche Mandant*innen über die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit aufgeklärt und dazu befragt werden, ob gegen den jetzt ins Haus flatternden Steuerbescheid Einspruch eingelegt werden soll. Zu einer solchen Beratung zählt auch die Beratung zu den Kosten. Sicherlich wird ein Großteil der Mandantschaft noch gewillt sein, Einsprüche zu erheben, ob aber alle auch den Weg zum Finanzgericht mitgehen, ist zweifelhaft. Insbesondere solche Mandant*innen, die eine Rechtsschutzversicherung haben, sollten klären, ob die Kosten einer Klage gegen die Feststellungen der Finanzverwaltung zur Grundsteuer von den Versicherungen übernommen werden.

Beratung dokumentieren

Und auch wenn es Arbeit macht: an einer Beratung dazu kommt eine seriöse Steuerberatung nicht vorbei. Diese Beratung sollte zudem auch dokumentiert werden. Denn je nach Ausgang der Musterverfahren, insbesondere für den wenig wahrscheinlichen, aber nicht ganz ausgeschlossenen Fall, dass die Grundsteuer ganz aufgehoben würde, könnte sonst der Vorwurf der fehlerhaften Beratung erhoben werden. Wird sie nicht aufgehoben, besteht bei grösseren Abweichungen auch nach Bestandskraft der Steuerbescheide die Möglichkeit einer Wertfortschreibung nach § 222 BewG – zumindest dann, wenn es sich um eine Abweichung von mehr als 15.000 Euro handelt. Die gute Nachricht dabei ist, dass eine Fortschreibung auch bei einer fehlerhaften Feststellung möglich ist, vgl. § 222 Abs. 3 BewG. Mit dieser Regelung können einige Fehler auch nach Bestandskraft noch korrigiert werden; nicht davon erfasst ist aber der Fall, dass die jetzige Regelung ersatzlos gestrichen wird oder aber eine Abweichung von unter 15.000 Euro besteht.

Deshalb sollte aktuell der Mandantschaft geraten werden, trotz der Korrekturmöglichkeiten, die § 222 BewG enthält, gegen die jetzt bekanntgegebenen Festsetzungs- und Feststellungsbescheide Einspruch einzulegen, um ihn in vollem Umfang korrigieren zu können. Ob jedoch auch zu einer Klage geraten werden soll, hängt davon ab, ob die Mandantschaft bereit ist, die – neben den ohnehin entstehenden Steuerberatungskosten, die durch das Rechtsbehelfsverfahren ausgelöst werden - Kosten für das finanzgerichtliche Verfahren zu tragen. Dies werden sicherlich viele ablehnen. Deshalb sollte besondere Sorgfalt auf den Antrag auf Ruhen des Verfahrens und dessen Begründung gelegt werden.

* Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 30.03.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.