26.05.2022 | Fachartikel

Pensionszusagen als Insolvenzantragsrisiko: Handlungsmöglichkeiten und steuerliche Folgen

Otto-Schmidt-Verlag

Von Thomas Uppenbrink, Insolvenzverwalter und Sanierungsberater 

Waren in der Vergangenheit Pensionszusagen als Altersvorsorge in mittelständischen Betrieben gerade für GmbH-Geschäftsführer*innen und Führungspersonal sowohl ein gern eingesetztes „Steuersparmodell“ als auch eine indirekte Entlohnung, so werden diese Modelle heute für die Unternehmen möglicherweise zu insolvenzrechtlichen Risiken. Der folgende Beitrag diskutiert verschiedene Handlungsmöglichkeiten für die steuerliche Beratung.

Thomas Uppenbrink
Foto: Thomas Uppenbrink ist Insolvenzverwalter und Sanierungsberater

Die regulativen Rahmenbedingungen, speziell die des Handelsrechts, haben sich in den letzten Jahren deutlich geändert – nicht zuletzt durch das im Jahre 2009 erlassene Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), wonach Rückstellungswerte in Steuer- und Handelsbilanz differenziert bewertet werden müssen. Durch verschiedene Wertansätze im Zinsbereich führt dies in der Regel zu einer deutlichen Erhöhung der Rückstellungen in der Handelsbilanz, was wiederum unmittelbar zulasten des in der Handelsbilanz ausgewiesenen Eigenkapitals geht.

Auch eine generelle Veränderung der Märkte, Verkleinerung der Unternehmen und veränderte Strukturen haben darüber hinaus zu veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geführt. So haben viele der mittelständischen Betriebe, bei denen eine Pensionszusage für die Geschäftsleitung zugesagt war, heute nicht mehr die Ertragskraft, um zum Beispiel eine Pensionsverpflichtung ohne Rückdeckungsversicherung regelmäßig bedienen zu können.

Schwacher Basiszins verstärkt das Problem schleichend

Viele früher sehr ertragreiche Unternehmen haben Pensionszusagen vereinbart und schon damals auf eine Verlaufsanalyse verzichtet. Selbst bei gleichbleibender Verzinsung hat sich aber mittlerweile das notwenige Kapital für eine lebenslange Rente um das etwa zweieinhalbfache erhöht.

Neben diesen unzureichenden Kapitalanlagen und in diesem Zuge falsch kalkulierten Kapitalrückdeckung haben auch die immer weiter verringerten Basiszinsen dazu geführt, dass die meisten Rückdeckungsversicherungen niemals ausreichen werden, um die Pensionsverpflichtungen zu decken. Denn der Rückstellungsverlauf einer auf ein Leben ausgelegten Zusage gestaltet sich progressiv, bedeutet in der Praxis, dass sich der Anstieg der Rückstellungen in den letzten 10 Jahren von Rentenbeginn nahezu verdoppelt. Diese nun zur Überwindung der Zinsschwäche benötigten Erträge werden in der Praxis nur noch im Ausnahmefall erwirtschaftet werden können.

Probleme bei der Bilanzaufstellung von krisenbehafteten Unternehmen wegen Pensionsverpflichtungen

Mit dem BGH-Urteil IX ZR 285/14 vom 26.01.2017 haben sich die Vorgaben bei der Erstellung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse für die steuerlichen Berater*innen bei Erkennen einer buchmäßigen Überschuldung radikal geändert. Gab es in der Vergangenheit gewisse Freiheiten bei Kenntnis einer buchmäßigen Überschuldung einer Kapitalgesellschaft, argumentieren die Richter*innen in besagtem Urteil sehr drastisch und räumen den steuerlichen Berater*innen bei Falsch- oder Schlechtberatung im Rahmen der Bilanzerstellung eine empfindliche Mithaftung ein.

Dies führt dazu, dass die Herausgabe von Bilanzen mit ausgewiesener buchmäßiger Überschuldung zu Fortführungswerten nicht mehr möglich ist. Genau hier setzt aber das Problem bei vielen Unternehmen ein, die Pensionsverpflichtungen für Geschäftsleitung oder Mitarbeitende eingegangen sind. Die hohen Pensionsverpflichtungen führen sehr oft zu einer buchmäßigen Überschuldung und es gibt kaum Möglichkeiten, diese Überschuldung – meist ausgehend aus der Deckungslücke zwischen niedriger Abdeckungsversicherung und höherer Pensionszusagen – ohne einschneidende Maßnahmen zu neutralisieren.

Sollte es dann noch so sein, dass das Unternehmen wirtschaftlich angeschlagen ist und sich in einer krisenbehafteten Situation befindet, weil zum Beispiel Umsätze rückläufig, Erträge seit längerem nicht mehr vorhanden und auch in der Zukunft nicht in der benötigten Höhe zu realisieren sind, verstärkt sich der Druck auf die steuerlichen Berater*innen erheblich. Denn seit dem 01.01.2022 haben sich die Haftungsrisiken durch die Neueinführung des § 102 StaRUG bei der Erstellung von Jahresabschlüssen für Mitglieder der steuerberatenden Berufe bei der Feststellung einer buchmäßigen Überschuldung noch einmal mehr verschärft.

Das Gesetz zwingt nicht nur die Geschäftsleitung von Kapitalgesellschaften dazu, die Fortführung der Kapitalgesellschaft auch unterjährig im Rahmen der Kapitalentwicklung zu kontrollieren, sondern diese Verpflichtung fällt zusätzlich auf die Mitglieder der steuerberatenden Berufe zurück, wenn sie auch die monatliche Buchhaltung einer Kapitalgesellschaft übernommen haben.

Handelsrechtliche Auswirkungen führen zu buchmäßiger Überschuldung

Wie bereits erwähnt, führen die abweichenden bilanziellen Ansätze im Zuge der Handelsbilanzaufstellung durch den langjährig stagnierenden Basiszins zu einer Belastung des Eigenkapitals. Der dann in der Regel hinzukommende Rückstellungsmangel führt schnell zu einer bilanziellen Überschuldung des Unternehmens und zwingt zum Handeln.

Denn wenn eine bilanzielle Überschuldung durch das Auflaufen der Pensionszusagen eingetreten ist und vermutlich eine positive Fortbestehensprognose nicht mehr erstellt werden kann, weil die benötigte Liquidität und zur Rückstellung benötigten Erträge nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, gibt es keine Gestaltungsspielräume mehr, um eine Insolvenzantragspflicht zu vermeiden.

Verzehr des bilanziellen Eigenkapitals und Ausweitung einer buchmäßigen Überschuldung

Es besteht der Zwang seitens steuerlicher Berater*innen auf die bilanzielle Überschuldung und damit gegebenenfalls verbundene Insolvenzantragspflicht (mangels positiver Fortbestehensprognose) hinzuweisen. Sie dürfen die Bilanz dazu auch nur noch zu Zerschlagungswerten aufstellen. Alles andere führt zu empfindlichen Haftungsrisiken im Zuge der späteren Prüfungen und Ermittlungen in den Bereichen Gläubigerbenachteiligung und Insolvenzverschleppung.

Insolvenzantragspflicht bei negativer Fortbestehensprognose

Es ist deshalb zwingend notwendig, bei Mandantenunternehmen, die in den letzten Jahren deutliche Umsatz- bzw. Ertragsverluste erlitten haben und deren Pensionszusagen möglicherweise dadurch weit von der angesparten Rückdeckungsversicherung entfernt sind, frühzeitig die beschriebenen Probleme zu überprüfen und gegebenenfalls zu restrukturieren und/oder Sanierungsmaßnahmen einzuleiten, um die Probleme zu lösen. Denn ohne eine positive Fortbestehensprognose kann die bilanzielle Überschuldung nicht neutralisiert werden und erwächst zum Insolvenzantragsgrund.

Sanierung/Erhalt des Unternehmens durch Verzicht/Erlass

Eine sich in der Praxis bewährte Strategie ist ein Verzicht auf Teile oder eben die gesamte Pensionszusage. Dieser Verzicht, wenn keine anderen bilanziellen oder wirtschaftlichen Probleme vorliegen, führt im Idealfall zu einer Beseitigung der bilanziellen Überschuldung.

Verzichts- bzw. Teilverzichtserklärungen entfalten steuerliche Risiken

Der Verzicht beziehungsweise Teilverzicht auf Pensionszusagen bewirkt einen außerordentlichen Ertrag bei dem Mandantenunternehmen, der in der Regel Zahlungspflichten bei Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer auslösen kann. Hierbei ist im Vorfeld zu prüfen, ob möglicherweise Verlustvorträge zur Verfügung stehen, die die Steuerpflicht teilweise oder ganz neutralisieren und/oder ob das Unternehmen in der Lage ist, die Steuerpflicht aus vorhandener Liquidität zu bedienen. In jedem Fall müssen bei Verzichts- beziehungsweise Teilverzichtserklärungen im Vorfeld die steuerlichen Auswirkungen im Mandantenunternehmen genauestens geprüft werden.

Bekanntlicherweise entfalten sich diese nicht nur in der Steuerbilanz des betroffenen Unternehmens, sondern auch in den Einkommensteuererklärungen der Pensionsbegünstigten. Hier ist ebenfalls im Vorfeld durch die steuerlichen Berater*innen die Rückforderung des Finanzamts zu ermitteln und mit der Mandantschaft abzustimmen. Meist sind aber schmerzliche Steuernachzahlungen besser in Kauf zu nehmen, als die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmens und der damit häufig verbundene Verlust des gesamten Unternehmens. Idealerweise sollten hier die Berater*innen der verschiedenen Bereiche gemeinschaftlich den für die Mandantschaft sowohl privat also auch geschäftlich sinnvollsten Weg wählen und umsetzen.

Auslagerung von Pensionszusagen

Eine weitere Möglichkeit, die Handelsbilanz des überschuldeten Unternehmens zu entlasten, ist, die Pensionszusage auf einen Pensionsfond auszulagern. Das ist auch die gängigste Art, um ein Unternehmen letztlich von der dauernden Last zu befreien. Die Restrukturierung eines Unternehmens durch Auslagerung auf einen Pensionsfond ist jedoch nicht unproblematisch. Das Unternehmen muss nämlich in der Lage sein, einen bestimmten Teil der Summe, die nicht von der Rückdeckungsversicherung abgedeckt ist, im Rahmen einer solchen Auslagerung aufzubringen und nachzuzahlen. Die Auslagerung auf einen Pensionsfond muss daher unbedingt von entsprechenden Spezialisten begleitet werden. Wie immer gibt es hier eine Anzahl von Pensionsfonds, die natürlich miteinander konkurrieren. Grundsätzlich muss das Unternehmen in der Lage sein, die ausgerechnete Nachschusspflicht entsprechend zu begleichen. Reicht die Liquidität des Unternehmens nicht aus, müssen möglicherweise über den Bezieher Zuschüsse in Form von Gesellschafterdarlehen realisiert werden. Auch die Auslagerung auf eine Unterstützungskasse ist eine Alternative. Aber auch hier muss eine entsprechende Rückdeckungsversicherung in berechneter Höhe vorhanden sein. Beide Möglichkeiten der Auslagerung funktionieren nur, wenn das Unternehmen oder der Bezieher die errechneten Defizite zwischen Rückdeckungsversicherung und Pensionszusage ausgleichen kann.

Kann ein Rangrücktritt Abhilfe verschaffen?

Eine wesentliche Frage stellt sich noch: Kann mithilfe einer Rangrücktrittserklärung für bestehende und auch zukünftige Pensionszusagen eine festgestellte Überschuldung beseitigt werden und als Alternative zu einem Verzicht genutzt werden? Die Rangrücktrittserklärung hätte schließlich zur Folge, dass die Ansprüche aus der Pensionszusage gemäß § 39 Abs. 2 InsO nachrangig gegenüber allen gegenwärtigen oder zukünftigen Gläubigern behandelt werden müssen.

Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass ein Rangrücktritt natürlich kurz- bis mittelfristig eine Überschuldung der Gesellschaft beseitigt. Langfristig ist diese Lösung jedoch nur nachhaltig, wenn künftig auch ausreichende Erträge erzielt werden können und eine grundsätzliche Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage eintritt. Unternehmen, die quasi lediglich existieren, um Pensionsverpflichtungen zu bedienen, können die benötigten Erträge sicher nicht mehr erwirtschaften. Ein Verzicht scheint hier unserer Meinung nach die einzige sichere Alternative.

Bevor also eine „einfache“ Lösung über einen Rangrücktritt angestrebt wird, sollten alle Zusammenhänge und Prognosen genau geprüft werden.

Fazit

Immer häufiger sehen wir uns bei der Betreuung unserer Beratungen in den Bereichen Sanierung, Liquidation und Unternehmensnachfolge mit genau diesem Thema konfrontiert. Die Unternehmer*innen und Geschäftsführer*innen trifft dieses schwerwiegende Problem meist unvorbereitet und bedeutet in der Regel eine genaue Aufarbeitung der Situation. Denn gerade im Bereich der Unternehmensnachfolge ist eine unzureichende Pensionsrückstellung ein K.O.-Kriterium, da kein Kaufinteressent oder Investor eine solche Belastung übernehmen wird.

 

Über den Autor:

Thomas UppenbrinkThomas Uppenbrink ist Insolvenzverwalter und Sanierungsberater. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Thomas Uppenbrink & Collegen GmbH in Hagen (www.uppenbrink.de) und außerdem Inhaber der Autax-Consilium – Weiterbildung für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. E-Mail: info@uppenbrink.de.

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 26.05.2022, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.