02.12.2021 | Fachartikel/Urteilsbesprechung

Sonderfälle des Nießbrauchsrechts und aktuelle Rechtsprechung

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Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht

In einem vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen und aktuell veröffentlichten Urteil ging es um die Zuwendung einer Immobilie durch Zurückbehalten eines Nießbrauchsrechts zugunsten beider Elternteile. Gestritten wurde um die Frage, ob auch eine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung an die Ehefrau durch den Ehemann erfolgt ist.

Bei Regelungen zur vorweggenommenen Erbfolge müssen gegebenenfalls auch die schenkungsteuerlichen Auswirkungen zwischen den Eheleuten berücksichtigt werden. (Foto: © JohnnyGreig – Getty)

Übertragungen von Immobilien an Kinder erfolgen in der Praxis häufig unter Nießbrauchsvorbehalt zugunsten der Eltern und sind bei Regelungen zur vorweggenommenen Erbfolge sehr beliebt. Denn eine solche Übertragung führt dazu, dass die Eltern die Nutzungsmöglichkeit der Immobilie behalten, die Kinder aber bereits frühzeitig das Eigentum an der Immobilie erlangen. So ist es möglich, die persönlichen Freibeträge für Kinder gegebenenfalls mehrfach in Anspruch nehmen zu können, etwa, wenn zwischen der Schenkung und dem Todesfall mehr als zehn Jahre liegen. Allerdings haben Immobilienübertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt ihre Tücken. Dies zeigt sich auch an dem vom BFH (Urteil vom 08.06.2021, Az. II R 23/19, veröffentlicht am 11.11.2021) entschiedenen Fall, auch wenn er letztendlich für die Steuerpflichtigen gut ausgegangen ist.

Sachverhalt

Der Vater zweier Söhne übertrug mit Zustimmung seiner Ehefrau und Mutter der beiden Kinder Grundbesitz zu je ½ auf die beiden Söhne. Allerdings behielt er sich selbst und seiner Ehefrau ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht an der Immobilie zurück. Dabei war die Ehefrau zusammen mit ihrem Mann Gesamtgläubigerin des Nießbrauchsrechts. Die Finanzverwaltung behandelte die Zuwendung des Nießbrauchsrecht des Ehemannes an seine Frau als schenkungsteuerpflichtige Zuwendung. Gegen diese Einordnung wehrte sich die Ehefrau – und dies im Ergebnis erfolgreich: sowohl Finanzgericht wie auch BFH verneinten eine freigebige Zuwendung.

Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung bei Nießbrauchsrechten

Gegenstand einer freigebigen Zuwendung kann auch die Zuwendung eines Nießbrauchsrechts sein. Sind mehrere Personen gleichzeitig berechtigt, das Nießbrauchsrecht in Anspruch nehmen zu können, erhalten die nießbrauchsberechtigten Personen diese Stellung als Gesamtgläubiger*innen. Darin sah die Finanzverwaltung die freigebige Zuwendung.

Anders der BFH: Neben der Verschaffung der Stellung als Gesamtgläubigerin muss die begünstigte Person, im Streitfall die Ehefrau, auch tatsächlich und rechtlich frei über das Nießbrauchsrecht verfügen können. Ist ihr das nach dem Innenverhältnis zwischen ihr und dem Ehemann verwehrt, liegt keine freigebige Zuwendung vor. Ob das der Fall ist, richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls.

Im Streitfall waren die übertragenen Immobilien bereits vor der Übertragung auf die Söhne fremdvermietet worden. Für die Abwicklung der Vermietung hatte der Ehemann ein Mietkonto eingerichtet und seiner Ehefrau, der die Hausverwaltung oblag, Kontovollmacht erteilt. Von dem Mietkonto wurden sämtliche Zahlungen im Zusammenhang mit der Vermietung, wie Darlehensverbindlichkeiten, Zahlungen der Erhaltungsaufwendungen und sonstige Kosten abgewickelt, des weiteren Zahlungen in Investmentfonds und ärztliche Rechnungen des Ehemanns sowie zur Finanzierung eines Auslandsaufenthalts eines Sohnes. Zahlungen zugunsten der Ehefrau erfolgten über das Mietkonto nicht.

In dieser Regelung sah der BFH eine (konkludente) Vereinbarung der Eheleute dahingehend, dass die Ehefrau trotz ihrer Stellung nach außen hin als Gesamtgläubigerin im Innenverhältnis nicht berechtigt war, über das Nießbrauchsrecht zu verfügen. Dabei legte der BFH die vom Finanzgericht als Tatsacheninstanz hierzu gemachten Feststellungen zugrunde; eigene Feststellungen traf er dabei nicht, da die Feststellungen des Finanzgerichts verfahrensfehlerfrei zustande gekommen waren.

Im Ergebnis verneinte der BFH, ebenso wie das Finanzgericht eine freigebige Zuwendung, trotz der Einräumung der Stellung der Ehefrau als Gesamtgläubigerin.

Praxishinweis: Bei der Prüfung, ob die Ehefrau tatsächlich und rechtlich über das Nießbrauchsrecht verfügen konnte, wurde sehr genau die tatsächliche Ausgestaltung unter die Lupe genommen. Im vorliegenden Fall war es von Vorteil, dass das Mietkonto auch nach Übertragung der Immobilie auf die Söhne so fortgeführt wurde, wie vor der Übertragung. Hätte es Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Ehefrau über die Mieteinnahmen oder Mietkonto zu eigenen Gunsten verfügt hätte, wäre die Entscheidung sicherlich anders ausgefallen. Für die Rechtsprechung hingegen nicht entscheidend war, dass Kosten der allgemeinen Lebensführung der Eheleute teilweise auch aus dem Vermögen der Ehefrau bestritten wurden. Entscheidend war allein, wie mit den Einnahmen aus dem Nießbrauchsrecht verfahren wird. Und da diese im Streitfall ausschließlich für den Ehemann genutzt wurden, ging die Rechtsprechung davon aus, dass die Ehefrau rechtlich und tatsächlich nicht über die Erträge aus dem Nießbrauchsrecht verfügen konnte.

Abgrenzung zum Sukzessivnießbrauch

Der BFH prüfte zunächst, ob es sich bei dem eingeräumten Nießbrauchsrecht um ein sogenanntes Sukzessivnießbrauchsrecht handelt. Bei einem solchen wird zunächst einer Person das Nießbrauchsrecht eingeräumt und einer zweiten Person erst dann, wenn das Nießbrauchsrecht bei der ersten Person, etwa durch deren Tod, entfällt. Hätte es sich um ein Sukzessivnießbrauchsrecht gehandelt, wäre die Frage, ob eine freigebige Zuwendung gegenüber der Ehefrau vorgelegen hätte, nicht entstanden. Denn dann hätte das Nießbrauchsrecht zunächst nur zugunsten des Ehemannes bestanden und zugunsten der Ehefrau würde es erst bei Tod des Ehemanns entstehen.

Nur in diesem Fall würde das der Ehefrau zugewendete (Sukzssiv-) Nießbrauchsrecht als nachträgliches Ereignis gegebenenfalls bei der Festsetzung der Schenkungsteuer rückwirkend berücksichtigt. Nachteilig an dem Sukzessivnießbrauchsrecht ist, dass bei der Bewertung des Nießbrauchsrecht zunächst nur auf die Lebenserwartung des Ehemannes abzustellen ist, während bei der Einräumung einer Gesamtgläubiger*innenschaft bei der Bewertung des Nießbrauchsrechts die Lebenserwartung der voraussichtlich längerlebenden Person zugrunde gelegt wird. Dies ist in der Praxis häufig die Ehefrau, da diese meist jünger sind und eine längere Lebenserwartung haben. Ob ein Sukzessivnießbrauchsrecht vorliegt, richtet sich im Wesentlichen nach den Regelungen im Schenkungsvertrag und lag im vorliegenden Gerichtsverfahren unstreitig nicht vor.

Fazit

Das bis zum BFH reichende Klageverfahren hat gezeigt, dass bei Regelungen zur vorweggenommenen Erbfolge nicht nur die schenkungs- beziehungsweise erbschaftsteuerlichen Folgen bei der nachfolgenden Generation geprüft werden müssen, sondern auch die schenkungsteuerlichen Auswirkungen zwischen den Eheleuten, wenn neben der Zuwendung an die Kinder auch eine Zuwendung zwischen den Eheleuten erfolgt. Sind an solchen Regelungen weiter entfernte oder nicht miteinander verwandte Personen beteiligt, sind auch grunderwerbsteuerliche Folgen zu berücksichtigen. Denn die Zurückbehaltung eines Nießbrauchsrechts kann Grunderwerbsteuer auslösen, wenn keine persönliche Befreiung von der Grunderwerbsteuer gegeben ist. So ist die Übertragung zwischen Eheleuten oder an Kinder von der Grunderwerbsteuer befreit, nicht aber die Übertragung an Geschwister.


* Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 02.12.2021, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.