23.09.2021 | Urteilsbesprechung

Tücken bei der erbschaftsteuerlichen Befreiung eines Familienheims

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Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht

Wer die Vorteile der erbschaftsteuerlichen Befreiung eines Familienheims für sich in Anspruch nehmen möchte, muss auf die verfahrensrechtlichen Besonderheiten im Besteuerungsverfahren achten. Dies zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). Der Beitrag erläutert die Folgen und Empfehlungen für die steuerberatende Praxis.

(Foto: © iStock.com/geogif)

Mit Urteil vom 23.2.2021 (Az. II R 29/19) hat der BFH entschieden, dass die im gesonderten Feststellungsverfahren getroffenen Feststellungen – etwa hinsichtlich der Einordnung als wirtschaftliche Einheit von Grundbesitzwerten – auch jenseits der Wertfeststellung bindend und somit nicht im Festsetzungsverfahren zu klären sind. Im Streitfall hatte das Feststellungsfinanzamt entschieden, dass es sich bei dem ererbten Grundvermögen der Steuerpflichtigen um zwei gesonderte Grundstücke handelte, so dass das zweite, unbebaute Grundstück nicht in die Erbschafsteuerbefreiung für Familienheime einbezogen werden konnte.

Der Sachverhalt – Zwei Grundstücke im Nachlass

Die Steuerpflichtige erbte ein Zwei-Familienhaus (Grundstück 1) und ein im Grundbuch als gesondert geführtes unmittelbar daneben liegendes unbebautes Grundstück (Grundstück 2) und nutzte nach dem Tod der Erblasserin die von der Verstorbenen zuvor selbst genutzte Eigentumswohnung als Familienheim. Für Grundstück 1 wurde ihr (unstreitig) die Erbschafsteuerbefreiung für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c ErbStG gewährt. Die Steuerpflichtige stellte sich auf den Standpunkt, dass es sich bei den beiden Grundstücken um eine Einheit handele, so dass sich die Steuerbefreiung auch auf das Grundstück 2 erstrecke und erklärte deshalb die beiden Grundstücke in der Erbschaftsteuererklärung als Einheit. Das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt folgte zunächst dieser Einschätzung und erließ einen entsprechenden Erbschafsteuerbescheid. Im Rahmen des gesonderten Feststellungsverfahrens wurden für Grundstück 1 und Grundstück 2 gesonderte Feststellungen getroffen und die beiden Grundstücke als zwei gesonderte Wirtschaftseinheiten eingestuft. Daraufhin änderte das Finanzamt den Erbschafsteuerbescheid und gewährte die Erbschaftsteuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b, c ErbStG nur noch für Grundstück 1.

Grundstücksbegriff im Sinne des Zivilrechts oder des Bewertungsgesetzes

Zunächst wurde um die Frage gestritten, ob bei der Erbschafsteuerbefreiung von Familienheimen Grundstücke im Sinne des Zivilrechts oder des Bewertungsrechts zu erfassen sind. Grundstücke im Sinne des Zivilrechts sind die im Grundbuch gesondert erfassten Grundstücke. Wäre bei § 13 Abs. 1 Nr. 4 b, c ErbStG nur ein grundbuchmäßig vermessenes Grundstück – also ein Grundstück im Sinne des Zivilrechts – zu erfassen, würde ohnehin nur für Grundstück 1 Erbschafsteuerbefreiung gewährt. Anders wäre es, wenn Grundstücke im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4 b, c ErbStG als wirtschaftliche Einheiten zu verstehen sind, die sich auch aus mehreren zivilrechtlich erfassten Grundstücken zusammensetzen können. Der BFH führt in seinem Urteil aus, dass die gesetzliche Regelung unklar sei und zeigt auf, dass vieles dafür sprechen würde, dass § 13 Abs. 1 Nr. 4 b, c ErbStG wirtschaftliche Einheiten und nicht Grundstücke im Sinne des Zivilrechts von der Erbschaftsteuer befreit. Das ist der positive Aspekt der Entscheidung. Doch diese Frage musste er im vorliegenden Fall nicht entscheiden und ließ sie deshalb auf offen.

Gesondertes Feststellungsverfahren entscheidend

Im gesonderten Feststellungsverfahren werden Grundbesitzwerte für wirtschaftliche Einheiten gesondert festgestellt, vgl. § 157 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BewG. Im vorliegenden Fall waren für Grundstück 1 und Grundstück 2 jeweils gesonderte Wertfeststellungen getroffen worden. Das zeigt, dass das Feststellungsfinanzamt beide Grundstücke als einzelne wirtschaftliche Einheiten eingestuft hat. Andernfalls hätte es für beide Grundstücke im zivilrechtlichen Sinne eine einheitliche Feststellung getroffen.

Das Festsetzungsfinanzamt ist an die Entscheidung des Feststellungsfinanzamts gebunden und konnte gar nicht anders, als die Steuerbefreiung nur für Grundstück 1 zu gewähren. Die Steuerpflichtige hätte die beiden Feststellungsbescheide anfechten müssen, nicht den Erbschafsteuerbescheid. Aus diesem Grund musste der BFH die Vorfrage, ob bei der Gewährung der Erbschaftsteuerbefreiung von Familienheimen die wirtschaftliche Einheit, auf der sich das Familienheim befindet, oder nur das Grundstück im zivilrechtlichen Sinn maßgebend ist, nicht entscheiden.

Fazit und Folgen für die steuerberatende Praxis

Für die Praxis bedeutet das, dass bei Verfassen der gesonderten Feststellungserklärungen zur Ermittlung der Grundbesitzwerte bereits auch die Frage zu prüfen ist, ob mehrere zivilrechtliche Grundstücke eine wirtschaftliche Einheit bilden. Bilden sie eine wirtschaftliche Einheit, ist darauf zu achten, dass dies im Feststellungsverfahren – etwa durch Erlass eines Feststellungsbescheides für alle zivilrechtlichen Grundstücke – festgestellt wird. In der steuerlichen Beratung sollte dies beispielsweise dadurch bewirkt werden, dass für mehrere zivilrechtliche Grundstücke nur eine Feststellungserklärung beim Finanzamt eingereicht wird. Und zwar auch dann, wenn das Finanzamt zur Abgabe mehrere Feststellungserklärungen auffordert.

Grundsätzlich ist es nach Auffassung des BFH nicht ausgeschlossen, dass die Erbschaftsteuerbefreiung für Familienheime sich auf die gesamte wirtschaftliche Einheit des Grundbesitzes und nicht nur auf ein einzelnes im Grundbuch erfasstes Grundstück (Grundstück im Sinne des Zivilrechts) erstreckt, auch wenn er keine Entscheidung dazu getroffen hat.

Ob es sich bei mehreren Grundstücken im Sinne des Zivilrechts um eine wirtschaftliche Einheit handelt, wird im gesonderten Feststellungsverfahren zur Ermittlung der Grundbesitzwerte entschieden und muss auch in diesem Verfahren angefochten werden. Im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer und Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b, c ErbStG kann diese Frage nicht mehr geklärt werden.

Bereits im Rahmen des gesonderten Feststellungsverfahrens ist daher darauf zu achten, dass wirtschaftliche Einheiten der Grundstücke, die zum Familienheim gehören, auch als solche klassifiziert werden.

Diesen Zusammenhang – einerseits darauf zu achten, dass wirtschaftliche Einheiten gesondert festgestellt werden, ohne zugleich sicher zu sein, dass diese bei § 13 Abs. 1 Nr. 4 b, c ErbStG auch tatsächlich anerkannt werden (der BFH hat ja diese Frage im Streitfall offengelassen) – der Mandantschaft zu vermitteln, ist keine leichte Aufgabe. In der Beratung sind sie aber zwingend zu beachten, auch, um sich als Steuerberater*in nicht einem Haftungsrisiko auszusetzen.


* Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 23.09.2021, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.