24.06.2021 | Urteilsbesprechung

Darlehensverbindlichkeiten im Nachlass: Die Behandlung einer Vorfälligkeitsentschädigung

Otto-Schmidt-Verlag

Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht

In einer am 10. Juni 2021 veröffentlichten Entscheidung vom Dezember 2020 setzte sich der Bundesfinanzhof intensiv mit der rechtlichen Qualität einer Vorfälligkeitsentschädigung auseinander. Im Ergebnis widersprach er dem vorinstanzlichen Finanzgericht Münster.

(Bundesfinanzhof: Besprechungszimmer, Foto: Andreas Focke)

Der BFH musste zu der Frage Stellung nehmen, ob eine Vorfälligkeitsentschädigung, die für die vorzeitige Ablösung eines Darlehens aus dem Nachlass bezahlt wurde, um eine zum Nachlass gehörende Immobilie lastenfrei veräußern zu können, als Nachlassverbindlichkeit die Erbschafsteuer mindert.

Nein, sagte der BFH, und ließ sich dabei auch nicht von dem Umstand beeindrucken, dass die Veräußerung der Immobilie und die vorzeitige Kündigung des Darlehens von einer Nachlasspflegerin veranlasst wurde. Einer der später ermittelten 29 Erbenden klagte auf Anerkennung der Vorfälligkeitsentschädigung als Nachlassverbindlichkeit und bekam in der ersten Instanz vor dem FG Münster (Urteil vom 12.4.2018, Az. 3 K 3662/16 Erb) auch Recht (STB Web berichtete). Der BFH widersprach dem FG und setzte sich intensiv mit der rechtlichen Qualität einer Vorfälligkeitsentschädigung auseinander (Urteil vom 2.12.2020, Az. II R 17/18).

Wird ein Darlehen vorzeitig beendet, etwa, weil die Darlehensnehmerin die mit dem Darlehen finanzierte Immobilie lastenfrei veräußern möchte, ist neben der Rückzahlung des Darlehens ein Schadensersatz für die vorzeitige Beendigung und Tilgung eines Darlehens zu leisten, vgl. § 490 Abs. 2 BGB. In wenigen Ausnahmefällen entstehen darüber hinaus auch noch weitere Kosten, etwa zusätzlich entfallende Gebühren.

Beides, die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens, aber auch der zu leistende Schadensersatz (= Vorfälligkeitsentschädigung) sind grundsätzlich nicht als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar.

1. Vorzeitige Rückzahlung des Darlehens

Der Tilgungsanteil ist nicht abziehbar, weil die Darlehensschuld bereits als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Verbindlichkeit der verstorbenen Person abgezogen wurde. Ein nochmaliger Abzug ist nicht möglich.

2. Vorfälligkeitsentschädigung im engeren Sinn

Auch wenn die Vorfälligkeitsentschädigung zivilrechtlich als Schadensersatzanspruch konstruiert ist, handelt es sich wirtschaftlich um den Zinsanteil für die zum Stichtag (Todestag) angenommene und durch Ablösung abgeschnittene Restlaufzeit des Darlehens. Die für das Darlehen zu zahlenden Zinsen sind bereits bereicherungsmindernd in die Bewertung der Darlehensverbindlichkeit zum Stichtag (Todeszeitpunkt der verstorbenen Person) nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG eingegangen. Die Darlehensverbindlichkeit wird unter Berücksichtigung ihrer Verzinsung nach § 12 Abs. 1 BewG auf den Stichtag ermittelt. Grundsätzlich stellt die wiederkehrende Zinsverpflichtung keine zusätzlich berücksichtigungsfähige Nachlassverbindlichkeit dar, wie der BFH in seinem Urteil von 2.12.2020 – II R 17/18 ausführt. Denn – so der BFH – stehen bei Dauerschuldverhältnissen die künftigen Aufwendungen (hier: die Zinsen) der Gegenleistung (hier: die Überlassung von Kapital auf Zeit, für die ein Entgelt in Form von Zinsen gezahlt wird) gleichwertig gegenüber, die Darlehensverbindlichkeit wird dadurch nicht beeinflusst. Nur wenn es sich ausnahmsweise um einen besonders hohen oder niedrigen Zinssatz handelt, kann dies berücksichtigt werden und zwar bei der Bewertung der Darlehensverbindlichkeit.

Praxishinweis: Befindet sich im Nachlass eine Darlehensverbindlichkeit, ist es grundsätzlich mit dem Nennbetrag des Darlehens, also dem noch nicht getilgten Teil des Darlehens zum Stichtag, zu bewerten. Der Zinsanteil bleibt unberücksichtigt. Ausnahmen gelten dann, wenn ein unüblich hoher Zinssatz vereinbart ist, da dann nicht mehr von einer Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung auszugehen ist. Die Nachlassverbindlichkeit ist dann zu erhöhen, was zu einer Verringerung der Erbschaftsteuer führen kann. Entsprechendes gilt, wenn ein unüblich niedriger Zinssatz vereinbart ist.

3. Neben Tilgung und Zins entstehende weitere Kosten

Während der Tilgungsanteil und auch der Zinsanteil im Zusammenhang mit einer Vorfälligkeitsentschädigung bereits bei der Ermittlung der Nachlassschulden nach § 10 Abs. 5 Ziff. 1 ErbStG nach Auffassung des BFHs bereits berücksichtigt wurden, sind etwaige im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung des Darlehens entstehende Gebühren noch nicht berücksichtigt. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um nicht abziehbare Nachlassverwaltungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG. Ausnahmsweise werden sie als abziehbare Nachlassregelungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG anerkannt, etwa wenn die vorzeitige Beendigung des Darlehens zwingend erforderlich ist, um den Nachlass auseinandersetzen zu können. Im Streitfall sah der BFH – trotz der Einschaltung einer Nachlassverwalterin – ein solches zwingendes Erfordernis nicht, sondern ordnete die vorzeitige Beendigung des Darlehens der Nachlassverwaltung zu.

Praxishinweis: In der Regel sind diese Zusatzkosten, wenn sie überhaupt entstehen, so gering, dass die Steuerersparnis, sollte die Abziehbarkeit als Nachlassregelungskosten durchgesetzt werden, minimal ist. Dies sollte bei der Frage, ob sich dazu hoher Beratungsaufwand lohnt, berücksichtigt werden.

4. Zusammenfassung

Wird ein Darlehen, das zum Nachlass zählt, nach dem Tod der verstorbenen Person vorzeitig abgelöst, ist die dadurch von den Banken erhobene Vorfälligkeitsentschädigung nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar. Der im Ablösebetrag enthaltene Tilgungs- und Zinsanteil ist bereits zum Stichtag bei der Ermittlung der Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt worden, eine doppelte Erfassung ist nicht zulässig. Werden darüber hinaus - meist geringe – weitere Gebühren von dem Bankinstitut erhoben, handelt es sich in der Regel um erbschafsteuerlich nicht abziehbare Nachlassverwaltungskosten. In Ausnahmefällen kann es sich bei diesen Gebühren um Nachlassregelungskosten handeln. Wegen der üblicherweise geringen Gebühren ist auch die dadurch erzielbare Steuerersparnis in der Regel sehr gering. Allein deshalb ein Rechtsbehelfsverfahren zu führen, wird sich grundsätzlich für die Mandantschaft wegen der Beratungskosten nicht lohnen.

 

* Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 24.06.2021, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.