27.05.2021 | Urteilsbesprechung
Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht
Wenn Miet- und Vermietpartei miteinander verwandt sind, prüft die Finanzverwaltung gern, ob die Grenze von 66 % der ortsüblichen Miete unterschritten ist, um den Werbungskostenabzug kürzen zu können. In solchen Fällen sollten Sie die Mandantschaft ganz besonders dafür sensibilisieren, Steigerungen im Mietspiegel zu bebobachten und die Mieten entsprechend anzupassen. Der nachfolgende Beitrag gibt anlässlich einer aktuellen BFH-Entscheidung wichtige Hinweise für die Praxis.
Wer eine Wohnung privat vermietet, kann die damit zusammenhängenden Kosten grundsätzlich in voller Höhe als Werbungskosten steuermindern geltend machen. Allerdings gilt das nur, wenn das Entgelt, also die Miete, mindestens 66 % der ortsüblichen Miete beträgt. Ist die Miete niedriger als 66 % der ortsüblichen Miete, wird gesetzlich unterstellt, dass die Nutzungsüberlassung nur teilweise entgeltlich erfolgt. Mit dem Ergebnis, dass der Werbungskostenabzug entsprechend zu kürzen ist.
Praxishinweis: Die Regelung des § 21 Abs. 2 EStG gilt aber nicht nur bei einer Vermietung zwischen nahen Angehörigen, sondern bei jeder Vermietung zu Wohnzwecken. Wer also – etwa aus sozialen Erwägungen – es unterlässt, die Miete hin und wieder anzuheben, läuft Gefahr, auch einen Teil des Werbungskostenabzugs zu verlieren. Aus diesem Grunde wird die Regelung als unsozial diskutiert, weil sie dazu zwingt, Mieterhöhungen vorzunehmen, selbst wenn die/der Vermieter*in dies aus Rücksichtnahme gegenüber der mietenden Partei eigentlich nicht möchte. Trotzdem: Sie als Steuerberaterin oder Steuerberater sollten Ihre Mandantschaft immer mal wieder auf diese Regelung hinweisen, wenn jahrelang immer dieselbe Miete verlangt wird.
Unter ortsüblicher Miete ist die ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten zu verstehen, so die ständige Rechtsprechung des BFH. Dabei ist jeder Mietwert, der im Mietspiegel genannt wird, als ortsüblich anzusehen, nicht nur der Mittelwert. Erst die Über- bzw. Unterschreitung der für die Wohnung geltenden jeweiligen Grenzwerte führt zur Unüblichkeit. Wird also, wie üblich, im Mietspiegel eine Preisspanne genannt, ist grundsätzlicher jeder Wert, der sich innerhalb der Preisspanne bewegt, als ortsüblich anzusehen.
Kern- und Streitpunkt der sog. 66%-Regelung ist die Ermittlung der ortsüblichen Miete. Und es wundert nicht, dass gerade dieser Punkt sehr häufig zu Auseinandersetzungen führt. Dabei gibt es nicht nur Streit über die Regelung als solche, sondern vor allem um die Frage, wie die ortsübliche Miete zu ermitteln ist.
Grundsätzlich ist dazu der örtliche Mietspiegel heranzuziehen. Das stellte der BFH in einem aktuellen Urteil noch mal ausdrücklich klar. In dem Streitfall (vgl. BFH, Urteil vom 22.02.21, Az. IX R 7/20, das Anfang Mai 2021 veröffentlicht wurde) vermietete eine Mutter ihrer Tochter eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus für 300 EUR zzgl. Nebenkosten monatlich, während sie dieselbe Wohnung eine Etage höher an eine fremde Person für 500 EUR zzgl. Nebenkosten monatlich vermietet hatte. Finanzamt und Finanzgericht stellten sich auf den Standpunkt, dass Maßstab für die Ortsüblichkeit in einem solchen Fall die Miete für eine vergleichbar ausgestattete, im selben Haus liegende gleich große Wohnung sei, nicht der Mietspiegel. Das sah der BFH anders und gab damit zugleich auch ausdrücklich seine in seinem Beschluss von 2008 vertretene gegenteilige Auffassung auf (vgl. BFH, Beschluss vom 19.09.2008, Az. IX 102/08).
Nach Auffassung des BFH ist die ortsübliche Miete ist wie folgt zu ermitteln:
Ausnahmsweise kann es vorkommen, dass ein zwar vorhandener Mietspiegel dennoch nicht heranzuziehen ist. Das ist der Fall, wenn der Mietspiegel nicht regelmäßig der Marktentwicklung angepasst wird oder er an substantiellen Defiziten in der Datenerhebung leidet oder aber aus anderen substantiierten Gründen einen mangelhaften Erkenntniswert hat. Dabei handelt es sich aber um Ausnahmefälle, denn grundsätzlich soll durch die Heranziehung des Mietspiegels den Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben werden, den ortsüblichen Mietpreis einfach und rechtssicher ermitteln zu können. Auch Sonderobjekte werden oft in Mietspiegeln nicht richtig abgebildet, dann kann er auch nicht zur Ermittlung der ortsüblichen Miete herangezogen werden. Einfamilienhäuser sind aber nicht automatisch Sonderobjekte, nur weil im Mietspiegel keine Einfamilienhäuser aufgeführt werden, wie der BFH betont. Ist das Einfamilienhaus mit einer Mietwohnung hinsichtlich Größe und Ausstattung vergleichbar, sind grundsätzlich die Werte des Mietspiegels heranzuziehen. Die gesteigerte Wohnqualität im Einfamilienhaus ist dann durch einen Zuschlag zu kompensieren.
Nur wenn ein Mietspiegel nicht herangezogen werden kann, ist, wie oben schon dargestellt, die ortsübliche Miete durch Sachverständigengutachten, Auskunft aus einer Mietdatenbank oder aus den Entgelten von mindestens drei vergleichbaren Wohnungen zurückzugreifen. Auch in solchen Fällen ist es keinesfalls ausreichend, nur auf eine Wohnung zurückzugreifen.
Wird innerhalb eines Hauses eine Wohnung erheblich günstiger an eine verwandte Person vermietet als die übrigen Wohnungen, besteht stets ein erhöhtes Risiko, dass die Finanzverwaltung die Einhaltung der 66 %-Regelung prüft. Hier sollten Sie die Mandantschaft ganz besonders dafür sensibilisieren, Steigerungen im Mietspiegel zu beobachten und entsprechend die Mieten anzupassen.
* Über die Autorin:
Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 27.05.2021, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.