24.09.2020 | Interview

Überbrückungshilfe: »Wir sind weder überfordert, noch überflutet«

DKB

Von Alexandra Buba / Interview mit StBin Muhterem Aras

Die Bundessteuerberaterkammer hatte sich vehement dafür eingesetzt, dass Unternehmer*innen die Bundesüberbrückungshilfe nur mithilfe der Beraterschaft beantragen können. Diese beklagte wenig später das bürokratische Verfahren, Überlastung und unzufriedene Mandant*innen. Dabei liege das Problem der schleppenden Mittelauszahlung aber keinesfalls an einer Überflutung oder Überforderung der Kanzleien, sondern an den hohen gesetzlichen Hürden, wie die Grüne Abgeordnete und Landtagspräsidentin von Baden-Württemberg, Muhterem Aras, weiß. Sie ist selbst Steuerberaterin in Stuttgart.

Muhterem Aras
"Politik ist gut beraten, wenn sie in der Lage ist, immer wieder nachzujustieren." (Foto: Muhterem Aras, © Landtag von Baden-Württemberg)

STB Web:
Frau Aras, wie ist die Situation momentan in Ihrer Kanzlei?

Muhterem Aras:
Die Mandanten rennen uns tatsächlich die Tür ein, doch entsprechend groß ist oftmals auch die Enttäuschung – denn die Hürden für die Inanspruchnahme der Überbrückungshilfe waren bislang so hoch, dass wir die Hilfe nur für drei oder vier Mandanten beantragen konnten.

STB Web:
Auch die gerade beschlossenen Änderungen reichen Ihrer Ansicht ja nicht aus, um tatsächlich alles abzudecken... 

Muhterem Aras:
Es handelt sich um öffentliche Gelder, da müssen natürlich Kriterien gelten, die nachprüfbar sind. Doch noch immer ist das Verfahren zu starr, viele Saisonbetriebe können die entsprechenden Nachweise für die konkreten Monate so nicht führen; andere hatten vielleicht schlicht Betriebsurlaub im Vorjahreszeitraum. Das führt dazu, dass immer noch viele keinen Anspruch haben, die dringend Mittel bräuchten – und zwar tatsächlich coronabedingt –, aber eben durch die Feinheiten und etwas lebensfremden Regelungen durchs Raster fallen.

STB Web:
In Baden-Württemberg gibt es bei der Landesüberbrückungshilfe eine Besonderheit, den fiktiven Unternehmerlohn für Freiberufler. Weshalb?

Muhterem Aras:
Richtig, dieser liegt bei 1.180 Euro und ist von der Grün-Schwarzen Regierung so beschlossen worden. Dadurch haben alle Solo-Selbstständigen und Freiberufler, bei denen Umsatz nahezu Gewinn ist, Glück, wenn sie in Baden-Württemberg leben. Alle anderen haben leider Pech, da auch die Neuregelung der Bundesüberbrückungshilfe dieses Thema wieder ausgeklammert hat, und nach wie vor Lebenshaltungskosten nicht von der Unterstützung getragen werden sollen.

STB Web:
Woran liegt es Ihrer Ansicht nach, dass bis dato so wenig Gelder abgerufen werden konnten?

Muhterem Aras:
Die Beschlussfassung ist sehr schnell gegangen, da sind Individualisierungen schlicht nicht umgesetzt worden, Probleme aus der Praxis hatte man nicht vor Augen. Dann setzte ein Lernprozess ein, der vergangene Woche in den beschlossenen Änderungen kulminierte. Aber wie gesagt, auch diese gehen längst nicht weit genug und vernachlässigen insbesondere die Belange der Solo-Selbstständigen und Freiberufler. Letztlich hilft es niemanden, Milliarden zur Verfügung zu stellen, die bei den Betroffenen nicht ankommen.

STB Web:
Sie spielen darauf an, dass die Bundesregierung zwar 25 Milliarden Euro für die Überbrückungshilfe zur Verfügung gestellt hat, dann aber bislang nur ein einstelliger Prozentsatz ausgezahlt worden ist. Hat das auch etwas mit der Überlastung der Steuerberatungskanzleien zu tun, über die die Antragsstellung ja läuft?

Muhterem Aras:
Nein, das ist definitiv nicht der Fall. Wir sind weder überfordert, noch überflutet mit Mandantenanfragen. Natürlich haben die vergangenen Monate eine Menge Mehrarbeit gebracht, doch wir wurden an anderer Stelle durch kulante Regelungen zu Fristen spürbar entlastet. Und zu prüfen, ob ein Mandant die Kriterien für die Hilfe erfüllt oder nicht, ist mit moderner Software wahrlich kein Problem. Das Problem ist vielmehr, dass schlichtweg die wenigsten bislang von der staatlichen Unterstützung Gebrauch machen konnten.

STB Web:
Sollten die Regelungen also erneut angepasst werden?

Muhterem Aras:
Ja, unbedingt. Politik ist gut beraten, wenn sie in der Lage ist, immer wieder nachzujustieren. Das ist keineswegs ein Gesichtsverlust, sondern ein unbedingt notwendiger Prozess, um in der derzeitigen Lage die wirtschaftliche Not zu lindern. Wir müssen Insolvenzen verhindern, sonst wird es am Ende viel, viel teurer. Auch insoweit waren schnelle Beschlüsse wichtig, doch müssen sie immer wieder an die Praxis angepasst werden.

Muhterem ArasMuhterem Aras ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und seit 2011 Abgeordnete im Landtag von Baden-Württemberg. Seit 2016 ist sie dort Landtagspräsidentin. Als Steuerberaterin führt sie außerdem seit dem Jahr 2000 eine eigene Kanzlei in Stuttgart, die derzeit 13 Mitarbeiter*innen beschäftigt.

Alexandra BubaDas Gespräch führte Alexandra Buba. Sie ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche (www.medientext.com) und schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 24.09.2020, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.