27.02.2020 | Gestaltungsberatung

Private Veräußerung von Immobilien: So lässt sich eine Steuerpflicht vermeiden

Otto-Schmidt-Verlag

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Trotz Mietpreisbremse und verbessertem Mietschutz steigen die Preise der Wohnimmobilien vor allem in Ballungsgebieten immer noch weiter an. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die Streitigkeiten um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Gewinne aus der Veräußerung von Immobilien der Einkommensteuer unterliegen, häufen. Der BFH hat in den letzen Monaten gleich mehrfach dazu Stellung genommen.

Der Teufel steckt wie so oft im Detail - sensibilisieren Sie Ihre Mandantschaft daher möglichst frühzeitig für das Thema. (Foto: © iStock.com/sureeporn)

Überschüsse aus der Veräußerung von Immobilien, die sich im Privatvermögen befinden und innerhalb der Spekulationsfrist von zehn Jahren veräußert werden, stellen als privates Veräußerungsgeschäft ertragsteuerlich sonstige Einkünfte dar und sind grundsätzlich zu versteuern. Insbesondere für Steuerpflichtige, die bereits den Spitzensteuersatz von knapp 50 % erreicht haben, ist diese Regelung sehr teuer und sollte unbedingt vor der Veräußerung der Immobilie berücksichtigt werden. Insbesondere, wenn die zehn-Jahres-Frist in Kürze ablaufen wird, kann es sinnvoll sein, diese Frist noch abzuwarten. Aber nicht immer lässt sich das realisieren, etwa wenn die Veräußerung wegen einer Erbauseinandersetzung oder Scheidung notwendig ist.

Selbstnutzung hilft Steuerpflicht zu vermeiden

In vielen Fällen lässt sich die Versteuerung aber auch dadurch vermeiden, dass die Immobilie im Jahr der Veräußerung und in den beiden Kalenderjahren davor zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. In diesen Fällen unterliegt ein Veräußerungsgewinn nicht der Einkommensteuer.

Nutzung zu eigenen Wohnzwecken

Voraussetzung ist zunächst, dass die Immobilie zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. D.h., die Immobilie muss zum Bewohnen geeignet sein und von der/dem oder den Steuerpflichtigen auch bewohnt werden. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt hingegen nicht vor, wenn die Wohnung unentgeltlich oder entgeltlich an Dritte überlassen wird, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Die Mitbenutzung durch einen andere Person, etwa durch eine Lebensgefährtin oder den Ehemann, ist unschädlich.

Wird die Immobilie während der gesamten Zeit ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt, unterliegt eine Veräußerung der Immobilie nicht der Einkommensteuer. Wird die selbst genutzte Immobilie bereits nach einem Jahr veräußert, handelt es sich wegen der Selbstnutzung nicht um ein privates Veräußerungsgeschäft.

Nutzung innerhalb der letzten drei Kalenderjahre entscheidend

Anders ist es aber, wenn die Immobilie nur zeitweise zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Hier hängt es entscheidend davon ab, wie die Immobilie in den letzten drei Kalenderjahren vor der Veräußerung genutzt wurde. Kein privates Veräußerungsgeschäft liegt vor, wenn die Immobilie im Kalenderjahr der Veräußerung und den beiden Kalenderjahren davor zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Die Selbstnutzung muss, wie der BFH ausdrücklich in seiner Entscheidung vom 3.9.2019 – IX R 10/19 betont hat, zusammenhängend erfolgt sein. Dabei reicht es aber aus, wenn im vorletzten Kalenderjahr vor der Veräußerung und im Jahr der Veräußerung die Selbstnutzung lediglich einen Tag andauerte, im letzten Jahr vor der Veräußerung muss die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken das gesamte Kalenderjahr angedauert haben.

Achtung! Entscheidend sind die Kalenderjahre, andere Zeiträume, selbst wenn diese länger sind, sind ohne Bedeutung.

Insbesondere ist es nach Auffassung des BFH unschädlich, wenn sich im Jahr der Veräußerung nach der Selbstnutzung eine Fremdnutzung anschließt, bevor es zur Veräußerung kommt.

Beispiel: B hat am 10.3.2016 eine Immobilie erworben, die zunächst an M fremdvermietet war. Ende Nov. 2018 verstirbt die M, die Wohnung wird ab Dezember 18 frei und B zieht, nachdem er sie renoviert hat, am 15.12.2018 in die Wohnung ein. Am 1.2.2020 zieht er mit seiner Freundin in eine größere Wohnung und vermietet die Immobilie bis zu deren Verkauf am 15.4.2020. Am 15.4.2020 veräußert er die Wohnung mit einem satten Gewinn.

Da B die Immobilie im Jahr der Veräußerung (2020) mindestens einen Tag lang zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, im Jahr vor der Veräußerung (2019) und im vorletzten Jahr vor der Veräußerung (2018) mindestens einen Tag lang zu eigenen Wohnzwecken genutzt hatte, und diese Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch zusammenhängend war, liegt kein privates Veräußerungsgeschäft vor. Dass die Wohnung, noch bevor sie veräußert worden ist, im Jahr 2020 fremdvermietet worden war, ist nach Auffassung des BFH unschädlich.

Wichtig ist, die geforderten drei Kalenderjahre einzuhalten. Wäre im obigen Beispiel B nicht schon Ende 2018, sondern erst Anfang 2019 in die Wohnung eingezogen, müsste er bis Anfang 2021 mit der Veräußerung warten, um die Versteuerung des Veräußerungsgewinns als privates Veräußerungsgeschäft zu vermeiden. Andernfalls unterläge die Veräußerung der Immobilie der Einkommensteuer.

Ebenso liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn im Jahr der Veräußerung die Immobilie an keinem Tag zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde, selbst wenn die Immobilie kurz vor der Veräußerung leer stand, wie der BFH aktuell entschieden hat, vgl. BFH, Beschluss vom 18.11.2019, IX B 72/19. Gerade diese Entscheidung zeigt, wie wichtig es hier ist, sehr genau zu sein.

Fazit: Ein privates Veräußerungsgeschäft bei der Veräußerung von sich im Privatvermögen befindlichen Immobilien lässt sich nur vermeiden, wenn entweder die Immobilie

  • nach einer Behaltenszeit von mehr als zehn Jahren veräußert wird oder
  • sie ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde oder
  • sie im Kalenderjahr der Veräußerung und in den beiden Kalenderjahren davor zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Unschädlich ist dabei, wenn die Immobilie im vorletzten Jahr vor der Veräußerung und im Kalenderjahr der Veräußerung jeweils nur einen Tag zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde und (!) die Nutzung in den drei Kalenderjahren zusammenhängend erfolgte. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist es nicht erforderlich, dass die Immobilie bis zur Veräußerung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Es ist möglich, die Immobilie, beispielsweise an die Erwerbenden bereits vor Abschluss des Kaufvertrages zu vermieten, wenn im selben Kalenderjahr die Immobilie zunächst selbst bewohnt worden war.

Aber Achtung! Es darf nicht dazu kommen, dass in einem solchen Fall der Verkauf der Immobilie versehentlich in das nächste Kalenderjahr rutscht. Notariatstermine kurz vor dem Jahreswechsel dürfen in einem solchen Fall nicht einfach so in das neue Kalenderjahr verschoben werden! Maßgebend ist grundsätzlich der Abschluss des obligatorischen Geschäfts, also der Abschluss der jeweiligen Kaufverträge und nicht der Zeitpunkte der dinglichen Rechtsgeschäfte.

Praxistipp: Wird eine zunächst selbst bewohnte Immobilie vermietet, bekommen Sie das als Beraterin oder Berater häufig erst sehr viel später mit. Deshalb sollten Sie Ihre Mandantschaft für das Thema möglichst frühzeitig sensibilisieren und das Thema bereits ansprechen, wenn eine Immobilie angeschafft wird, auch wenn diese (zunächst) selbst bewohnt werden soll.

* Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 27.02.2020, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.