05.10.2018 | Porträt

Dr. Erna Scheffler – erste Richterin des Bundesverfassungsgerichts

Von Manuel Maurer, STB Web

Anlässlich ihres 125. Geburtstags erinnerte der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) an die ehemalige und erste Richterin am Bundesverfassungsgericht Dr. Erna Scheffler. Unter ihrer Federführung wurde die Zusammenveranlagung im Steuerrecht in der damaligen Fassung für verfassungswidrig erklärt. – Ein Porträt.

Verfassungsrichterin Dr. Erna Scheffler, 1954 (© Bundesregierung / Rolf Unterberg)

Erna Scheffler (21.09.1893 – 22.05.1983) war "Wegbereiterin für ein modernes Frauenleben. Die Erinnerung an ihr Lebenswerk verpflichtet auch heute noch: zum Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit und gegen Diskriminierung", so der djb.

1951 wurde Erna Scheffler zur ersten – und bis zum Ende ihrer Amtszeit 1963 einzigen – Richterin des Bundesverfassungsgerichts ernannt. Dort war sie an einer Reihe von Entscheidungen zur Umsetzung der grundgesetzlich verankerten Gleichberechtigung von Mann und Frau beteiligt. So wurde unter ihrer Mitwirkung entschieden, dass ab 1. April 1953 Mann und Frau auch im Bereich von Ehe und Familie gleichberechtigt sind. In weiteren Entscheidungen, an denen sie beteiligt war, wurden der Stichentscheid des Vaters bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern sowie die Bevorzugung des männlichen Erben nach der Höfeordnung für verfassungswidrig erklärt.

Das Urteil zur Zusammenveranlagung in der damaligen Fassung

1957 wurde vom ersten Senat, dem Erna Scheffler angehörte, die Zusammenveranlagung im Steuerrecht in der damaligen Fassung für verfassungswidrig erklärt.

Zur Gleichberechtigung der Frau gehört, daß sie die Möglichkeit hat, mit gleichen rechtlichen Chancen marktwirtschaftliches Einkommen zu erzielen wie jeder männliche Staatsbürger

lautet einer der amtlichen Leitsätze (BVerfG, 17.01.1957 – 1 BvL 4/54). Die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Frau "von vornherein als ehezerstörend zu werten", widerspreche nicht nur dem Grundsatz, sondern auch dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 GG, heißt es dazu in der Urteilsbegründung.

Zur Entscheidungsfreiheit der Ehegatten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG gehöre überdies "die Entscheidung darüber, ob eine Ehefrau sich ausschließlich dem Haushalt widmet, ob sie dem Manne im Beruf hilft oder ob sie eigenes marktwirtschaftliches Einkommen erwirbt". Das zur Rechtfertigung der Zusammenveranlagung angeführte Ziel, die erwerbstätige Ehefrau "ins Haus zurückzuführen", entspreche einer "bestimmten Vorstellung von der besten Art der Ehegestaltung". Das Gebot des Schutzes von Ehe und Familie beziehe sich aber auf jede Ehe und Familie. Der Gesetzgeber dürfe eine bestimmte Gestaltung der privaten Sphäre der Ehe nicht unmittelbar erzwingen.

Zum Hintergrund

Die Zusammenveranlagung in der damaligen Fassung sah vor, dass die Einkommen beider Eheleute zwingend zusammenzurechnen und nach der Grundtabelle zu versteuern waren; dadurch wurde unterstellt, es handele sich bei dem berechneten Einkommen um das Einkommen nur einer Person; der dadurch erhöhte progressive Steuersatz war beabsichtigt und sollte der „Abschreckung“ der Doppelverdienerehe dienen. Dies hielt das BVerfG für verfassungswidrig. Erst danach wurde der Splittingtarif heutiger Fassung eingeführt, nach der auf das zusammengerechnete Einkommen die Splittingtabelle anzuwenden ist, nach der das gemeinsame Einkommen fiktiv gleichmäßig auf zwei Personen verteilt wird, so dass sich nunmehr Vorteile beim progressiven Steuersatz ergeben können. Entscheidend war aber, dass damit die Nachteile der vorherigen für verfassungswidrig eingestuften Regelung beseitigt wurden.

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Eine hart erkämpfte Karriere

Erna Scheffler selbst musste sich ihre berufliche Karriere immer wieder hart erkämpfen. 1914 schloss sie ihr Jura-Studium mit der Promotion in Breslau ab. Zum Staatsexamen waren Frauen damals noch gar nicht zugelassen, sondern erst ab 1921. So legte sie 1922 bzw. 1925 ihre beiden Staatsexamina ab und war dann zunächst als Rechtsanwältin, später als Amtsgerichtsrätin in Berlin tätig. In den zwanziger Jahren wurde außerdem ihre erste Ehe geschieden, woraufhin sie mit diskriminierenden Sorgerechtsregelungen selbst konfrontiert war.

Während der Nazizeit wurde Erna Scheffler ein Berufsverbot wegen "nichtarischer" Herkunft auferlegt, weshalb ihr zudem die zweite Eheschließung mit dem Juristen Georg Scheffler untersagt wurde. Diese holten die beiden nach Kriegsende nach und Erna Scheffler nahm ihre eigene juristische Laufbahn wieder auf, die sie 1951 zur Berufung als Richterin des Bundesverfassungsgerichts führte.

"Es hat uns nie an Gesprächsstoff gefehlt"

Ob eine Frau, "deren Tun sich so sehr im Geistigen vollziehe, auch noch ein Familienleben erfüllen könne", wurde Erna Scheffler in den 70er-Jahren in einem Interview mit dem SWR gefragt. - Sie sei ganz gut damit fertig geworden, ihr Mann und ihre Tochter hätten sich nicht beschwert, antwortete Erna Scheffler.

Im Gegenteil: Mein Mann und ich haben viel Freude von dem gemeinsamen Beruf gehabt. Er war Richter an dem höchsten deutschen Zivil- und Strafgericht, dem Bundesgerichtshof hier in Karlsruhe, sodass es uns nie an Gesprächsstoff gefehlt hat.

Chapeau!

Weiterführende Informationen:

Video mit Original-Aufzeichnungen beim SWR

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 05.10.2018, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.