21.02.2018 | Beratertipp

Nachlass-Situationen in Patchworkfamilien

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

"Mein Kind, dein Kind, unser Kind" – diese Konstellation ist immer öfter anzutreffen: Beide Partner bringen je ein leibliches Kind in die Beziehung mit und bekommen dazu noch ein gemeinsames Kind. Noch häufiger sind die verschiedenen Abwandlungen: Nur ein Partner bringt ein Kind mit, gemeinsame kommen dazu; oder beide Partner bringen einfach ihre leiblichen Kinder mit, ohne noch gemeinsame zu bekommen. All diesen Familien ist gemeinsam, dass die vom Gesetzgeber vorgegebene gesetzliche Erbfolge nur in den seltensten Fällen die Wünsche der Beteiligten erfüllen.

Sog. Patchworkfamilien sind heute gang und gäbe - die gesetzlichen Regelungen zur Erbfolge passen jedoch nicht immer zu deren gelebter "Realität". (Foto: © monropic - Fotolia.com)

Ohne testamentarische Regelung werden nur die eigenen leiblichen Kinder, nicht jedoch die leiblichen Kinder des Partners bzw. Stiefkinder, Erben der verstorbenen Person. Davon abweichende Regelungen sind möglich und in sehr vielen Fällen auch sinnvoll. Denn gerade wenn auch zu den Stiefkindern eine enge persönliche Beziehung besteht, möchte man sie am Nachlass beteiligen. Aus steuerlicher Sicht erfreulich: Obwohl Stiefkinder rechtlich mit dem Stiefelternteil nicht verwandt sind, also auch nicht zu den gesetzlichen Erben zählen, werden diese im Erbschafsteuerrecht Kindern gleichgestellt. Das heißt, auch Stiefkinder werden – anders als andere Nichtverwandten – in die sehr günstige Steuerklasse I eingestuft, so dass auch sie die für Kinder geltenden hohen persönlichen Freibeträge von 400.000 EUR und die für Kinder geltenden günstigen Steuertarife in Anspruch nehmen können. Entsprechendes gilt bei Schenkungen.

Wann und wie lange ist ein Kind ein Stiefkind?

Eine Definition des Begriffs Stiefkind findet sich in den Steuergesetzen nicht. Ein Stiefkind im Sinne des Erbschafsteuerrechts wird angenommen, wenn die leibliche Mutter oder der leibliche Vater verheiratet oder verpartnert ist oder war. Auch wenn zwischenzeitlich die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft geschieden oder durch Tod des eigenen Elternteils beendet wurde, bleibt die Stiefkindeigenschaft erhalten. D.h. der Stiefelternteil kann selbst nach Auflösung der Ehe durch Tod oder Scheidung dem Stiefkind steuerlich begünstigt etwas schenken oder vererben. Die Stiefkindeigenschaft entfällt auch nicht mit Volljährigkeit des Stiefkindes.

Nichteheliche Lebensgemeinschaften werden nicht begünstig

Ist die Mutter oder der Vater jedoch nicht mit dem anderen Elternteil verheiratet oder verpartnert, liegt keine Stiefkindeigenschaft im Sinne des Erbschafsteuerrechts vor. Wird dem Kind in diesem Fall etwas von der Lebensgefährtin/dem Lebensgefährten der Mutter oder des Vaters schenkweise oder von Todes wegen zugewendet, gilt hierfür die erbschaftsteuerlich ungünstige Steuerklasse III mit einem sehr mageren persönlichen Freibetrag von 20.000 EUR.

Beispiel: Frau Schneider und Herr Müller leben seit drei Jahren zusammen, ohne miteinander verheiratet zu sein. Die 18jährige Tochter von Frau Schneider, Marie, lebt in deren gemeinsamem Haushalt, während die beiden minderjährigen Söhne von Herrn Müller bei ihrer Mutter leben. Herr Müller ist erfolgreicher und vermögender Drehbuchautor und schenkt Marie anlässlich ihres achtzehnten Geburtstags am 21.1.2018 für ihre Ausbildung 30.000 Euro. Da Marie jedoch im erbschafsteuerlichen Sinn nicht die Stieftochter von Herrn Müller ist, verbleiben nach Abzug des Freibetrags 10.000 EUR, für die sie obendrein 30 Prozent Schenkungsteuer, also 3.000 EUR, zahlen muss.

Abwandlung: Frau Schneider und Herr Müller sind seit 2016 miteinander verheiratet. Durch die Heirat wurde Marie im erbschafsteuerlichen Sinn das Stiefkind von Herrn Müller, sie wird dadurch in die Steuerklasse I eingestuft mit einem persönlichen Freibetrag von 400.000 EUR. Unterstellt, es waren vorher keine Schenkungen von Herrn Müller an Marie erfolgt, ist für die Schenkung der 30.000 EUR in diesem Fall keine Erbschaftsteuer zu zahlen.

Nicht entscheidend ist, ob die Kinder im Haushalt des Stiefelternteils aufgenommen wurden. Somit sind in der Abwandlung auch die Söhne von Herrn Meier durch die Eheschließung mit Frau Schneider deren Stiefsöhne geworden.

Unterschied zwischen Stiefkindern und Adoptivkindern

Anders als Stiefkinder sind Adoptivkinder erbrechtlich den leiblichen Kindern gleichgestellt und zählen zu den gesetzlichen Erben – und zwar unabhängig davon, welches Adoptivrecht (Minderjährigen- oder Erwachsenenadoption) angewendet wurde. Das ist in der Praxis oft Anlass für eine Erwachsenenadoption. Wurde das Kind nur von einem Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner adoptiert, ist es auch nur von dieser Person das Adoptivkind; zum anderen Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner ist es wiederum Stiefkind und deshalb erbschaftsteuerlich den Kindern gleichgestellt.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.02.2018, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.