24.01.2018 | Interview

Reform der Umsatzsteuer in der EU: Eine Einordnung für die Beratungspraxis

Von Alexandra Buba**, Interview mit RA/StB Christian Mozelewski*

Die Europäische Kommission hat im Oktober und November des vergangenen Jahres neue Instrumente vorgestellt, mit denen das Mehrwertsteuersystem der Europäischen Union weniger betrugsanfällig werden soll und zudem Pläne vorgelegt , die helfen sollen, die bürokratischen Hürden für Unternehmen, die grenzüberschreitend handeln, abzubauen. Wesentlich ist dabei insbesondere die geplante Umstellung auf das sogenannte Bestimmungslandprinzip sowie die Schaffung  eines zentralen Online-Portals für die Anmeldung und Entrichtung der Steuer. Im Dezember des vergangenen Jahres hat der EU-Ministerrat bereits erste Vereinfachungen der Mehrwertsteuerregelungen für Online-Unternehmen beschlossen, die schrittweise bis 2021 in Kraft treten sollen. Ein Schritt in die richtige Richtung, meint Christian Mozelewski von der Berliner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Crowe Horwath Trinavis.

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(Foto: © RA/StB Christian Mozelewski, Crowe Horwath Trinavis)

STB Web:
Herr Mozelewski, was sind die schwerwiegendsten Probleme des bisherigen Systems?

Christian Mozelewski:
Hier ist zunächst der der Mehrwertsteuerbetrug zu nennen. Allein der grenzüberschreitende Betrug führt derzeit zu Mehrwertsteuereinbußen von jährlich 50 Milliarden Euro. Einnahmen, die für den Bau von Schulen, Straßen und die Gesundheitsversorgung genutzt werden könnten. Zum anderen ist schlicht die Komplexität das Problem. Die Unternehmen benötigen dringend eine Vereinfachung, da die derzeitigen Regelungen ein Hemmnis für den grenzüberschreitenden Handel sind. Das lässt sich auch in Zahlen belegen: Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind, haben derzeit um 11 Prozent höhere Kosten für die Einhaltung der Vorschriften im Vergleich zu Unternehmen, die nur im Inland tätig sind. Das hat die Kommission berechnet.

STB Web:
Zu welchen Schwierigkeiten führt dies in Ihrer Beratungspraxis?

Christian Mozelewski:
Heute ist es so, dass das Bundeszentralamt für Steuern verlangt, dass bei Verkäufen zwischen Unternehmern der Verkäufer bei einer grenzüberschreitenden Lieferung nicht nur die Anschrift sondern auch die Umsatzsteueridentifikationsnummer des Käufers anfordern und zudem prüfen muss,  ob diese tatsächlich korrekt ist. Dazu muss der Verkäufer in einem Online-Portal  die Daten des Käufers eingeben, um zu validieren, dass die Nummer korrekt ist. Ansonsten kann er keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklären. In der Praxis scheitert dies an ganz banalen Dingen: So sind nicht immer die korrekten Anschriften hinterlegt. Das führt dazu, dass die Validierung in der Praxis nicht nur mühselig, sondern teilweise sogar unmöglich ist.

STB Web:
Welche Änderungen sind im Wesentlichen geplant?

Christian Mozelewski:
Was die EU-Kommission im Oktober letzten Jahres vorgelegt hat, sind zunächst vier Grundprinzipien, nach denen nun detaillierte Vorschläge ausgearbeitet werden sollen. Zunächst geht es um die Betrugsbekämpfung, dazu soll das System der Mehrwertsteuer grundsätzlich anders aufgestellt werden. Ein Praxisbeispiel: Deutsche Unternehmen verkaufen heute Waren an Unternehmer nach Frankreich umsatzsteuerfrei, der französische Unternehmer muss aber in Frankreich die Umsatzsteuer anmelden und abführen. Das passiert nicht in allen Fällen, daher soll künftig der Verkäufer die Umsatzsteuer anmelden.

STB Web:
Wo soll der Verkäufer die Umsatzsteuer denn dann künftig anmelden?

Christian Mozelewski:
Das ist der zweite Punkt der Änderungen: Eine zentrale Anlaufstelle soll dafür sorgen, dass die Registrierungen, wie sie heute vorgeschrieben sind, entfallen. Im einem Onlineportal soll es EU-weit möglich sein, in der eigenen Sprache die Steuer anzumelden und zu entrichten. Die Mitgliedstaaten leiten einander dann die Mehrwertsteuer weiter, wie dies bereits bei elektronischen Dienstleistungen der Fall ist. Dies geht einher mit dem dritten Aspekt, wonach zukünftig nach dem sog. Bestimmungslandprinzip die Steuer dort entrichtet wird, wo der Endverbraucher sitzt und zwar mit dem dortigen Mehrwertsteuersatz. Last but not least soll Bürokratie abgebaut werden, die Vorschriften sollen vereinfacht werden.

STB Web:
Wie kann das konkret aussehen?

Christian Mozelewski:
Deutsche Unternehmen sollen im Prinzip nur noch nach deutschem Recht agieren müssen; die zusammenfassende Meldung soll entfallen.

STB Web:
Gehen Ihnen diese Vorschläge weit genug?

Christian Mozelewski:
Ich halte das Papier für einen mehr als wichtigen Vorschlag und finde auch den Ansatz sehr gut. Unternehmer wollen sich nicht mit komplizierten steuerrechtrechtlichen Aspekten auseinandersetzen, sondern sich um ihr Geschäft kümmern. Und wer bedenkt, dass allein die Umsatzsteuer eine Billion Euro in der EU einbringt sowie ein Drittel des gesamten deutschen Haushalts über sie finanziert ist, kann auch nachvollziehen, dass dem Betrug ein Riegel vorgeschoben werden muss. Letztlich geht es darum, einen gemeinsamen Binnenmarkt zu schaffen, auf dem es keinen Unterschied mehr macht, ob Waren im Inland oder über die Grenze verkauft werden.

STB Web:
Das klingt alles sehr ambitioniert, gibt es dafür auch einen Zeitplan?

Christian Mozelewski:
Angekündigt ist, dass ein detaillierter Vorschlag für die einzelnen Änderungen noch in 2018 vorgestellt werden soll. Zunächst gehen die Vorschläge der Europäischen Kommission jetzt an den Rat der Europäischen Union („EU-Ministerrat“) zur Zustimmung und ins Europäische Parlament zur Stellungnahme. Ob alles in diesem Jahr zu bewerkstelligen ist, wird sich zeigen. Aus eigener Erfahrung mit meiner Anwaltstätigkeit – siehe elektronisches Anwaltspostfach – weiß ich, dass die Technik häufig eine größere Herausforderung ist als ursprünglich gedacht.

Überfällig ist die Reform in jedem Fall, wenn man bedenkt, dass die Mehrwertsteuersystemrichtlinie zuletzt 1993 novelliert wurde und die damalige Regelung nur als Übergangsregelung geplant war.

STB Web:
Neben diesen geplanten  Neuregelungen gibt es ja schon eine Reihe von Ansätzen zur Vereinfachung...

Christian Mozelewski:
Ja, das ist zum einen das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren, das sich auf elektronische Dienstleistungen bezieht. Dabei können deutsche Unternehmer, ihre in den übrigen Mitgliedstaaten der EU ausgeführten Umsätze aus den Bereichen Telekommunikation und elektronische Dienstleistungen in einer besonderen Steuererklärung zusammenfassen. Diese geht zentral an das Bundeszentralamt für Steuern; die sich ergebende Steuer wird insgesamt entrichtet.

Außerdem wurden durch den EU-Ministerrat bereits im Dezember vergangenen Jahres Regelungen beschlossen, die schrittweise bis 2021 in Kraft treten sollen. Bereits ab 1. Januar 2019 gelten Regelungen, die bestimmte Unternehmen, die online Waren in andere EU-Mitgliedstaaten verkaufen, entlasten sollen.  Für Kleinstunternehmen mit grenzüberschreitendem Umsatz von weniger als 10.000 Euro richtet sich die Mehrwertsteuer nach deren Ansässigkeitsstaat. Für kleinere und mittlere Unternehmen, die grenzüberschreitende Verkäufe im Wert von bis zu 100.000 Euro pro Jahr erbringen, werden einfachere Verfahren gelten. Alle Unternehmen, die grenzüberschreitend Waren an Kunden verkaufen, können ihren EU-Mehrwertsteuerpflichten über ein einheitliches nutzerfreundliches Online-Portal in ihrer Landessprache nachkommen. Eine komplizierte Registrierung in dem jeweiligen EU-Mitgliedstaat soll damit entfallen. Die einzige Anlaufstelle für Online-Verkäufe von Waren soll 2021 einsatzbereit sein.

* Christian Mozelewski ist Steuerberater und Rechtsanwalt bei der Berliner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Crowe Horwath Trinavis. Er berät regelmäßig Unternehmen in internationalen Steuerfragen.

** Autorin:

Alexandra Buba ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche. Ihr besonderer Schwerpunkt sind Management- und IT-Themen (www.medientext.com). Sie schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.

(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 24.01.2018, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.