13.12.2017 | Beratertipp

Spekulationsfrist bei Immobilien: Nutzung als Familienheim in § 23 EStG nicht gefordert

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in diesem Jahr ein erfreuliches Urteil gefällt: Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG können deshalb auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden, fallen.

Auch bei Ferienimmobilien können Steuerbegünstigungen beansprucht werden - sofern sie innerhalb der Drei-Jahres-Frist nicht fremdvermietet wurden. (Foto: © 2240905 / photocase.de)

Überschüsse aus der Veräußerung von Immobilien, die sich im Privatvermögen befinden und innerhalb von zehn Jahren veräußert werden, unterliegen grundsätzlich als private Veräußerungsgeschäfte der Einkommensteuer. Diese Regelung ist in der Praxis besonders tückisch: Wird sie übersehen, sind die Folgen oft sehr teuer. Vor allem, wenn Immobilien in Ballungsräumen veräußert werden; denn hier sind in den letzten Jahrzehnten die Immobilienpreise geradezu explodiert.

Da kommt eine Ausnahme von der Steuerpflicht gerade recht und „rettet“ so manche Veräußerung. Wurde die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt, ist der Veräußerungsgewinn nicht zu versteuern. Entsprechendes gilt, wenn die Immobilie im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde.

Gerade letztere Ausnahme ist in der Beratungspraxis von besonderer Bedeutung:

Beispiel: Ihr Mandant Herr Schlau bringt im November 2017 die Steuerunterlagen für 2016 bei Ihnen vorbei und berichtet ganz nebenbei, dass er dabei ist, seine Eigentumswohnung, die er im Jahr 2010 für 300.000 EUR angeschafft hat, zu verkaufen. Bis Mitte 2016 hatte er sie vermietet, im Juni 2016 zog er mit seinem Lebenspartner in die Wohnung ein und nutzt sie seitdem zu eigenen Wohnzwecken. Schlau ist ganz erfreut, denn er hat schon eine Käuferin gefunden, die ihm für die Wohnung 450.000 EUR bietet. Als Termin für den Abschluss des Kaufvertrags ist der 4.12.2017 vorgesehen.

Würde in dem Beispielsfall Herr Schlau den Verkaufsvertrag am 4.12.2017 abschließen, müsste er den Veräußerungsgewinn 2017 in Höhe von 150.000 EUR der Einkommensteuer unterwerfen. In Ihrem Gespräch machen Sie Herrn Schlau natürlich darauf aufmerksam, dass der Veräußerungsgewinn nicht zu versteuern wäre, wenn der Verkauf erst im Januar 2018 erfolgen würde.

Praxishinweis: Gerade in diesem Bereich ist die sorgfältige Planung eines Verkaufs besonders wichtig, denn wie der Beispielsfall zeigt, sind im ersten Fall 150.000 EUR zu versteuern, obwohl auch im Alternativfall der Veräußerungsgewinn 150.000 EUR beträgt. Deshalb sollten Sie Ihre Mandanten auffordern, solche Vorhaben stets vorab mit Ihnen zu besprechen.

Drei-Jahres-Frist: Auch die Randjahre zählen mit

Der BFH hat mit Urteil vom 27.6.2017 (Az. IX R 37/16) hat zu diesem Thema aktuell ein sehr erfreuliches Urteil gefällt:

Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken "im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren" liegt vor, wenn das Gebäude in einem zusammenhängenden Zeitraum genutzt wird, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie - mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahrs - voll auszufüllen.

Das bedeutet, dass die Steuervergünstigung auch in Anspruch genommen werden darf, wenn in beiden Randjahren die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht während des gesamten Kalenderjahres erfolgte. So ist es möglich, im Laufe eines Kalenderjahres zur Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu wechseln und dieses Kalenderjahr in die Drei-Jahres-Frist einzubeziehen.

Achtung! Es muss sich aber um eine zusammenhängende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken handeln.

Der BFH hat diese Auffassung in seinem Urteil vom 27.6.2017, IX R 27/16 erfreulicherweise bestätigt und orientiert sich dabei am Wortlaut des § 23 EStG.

Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bei Zweit- und Ferienwohnungen möglich

Während die oben angeprochene Fristberechnung nicht sehr umstritten war, ist die Frage, was unter eigenen Wohnzwecken zu verstehen ist, bislang umstrittener. Der BFH hat es abgelehnt, die Steuervergünstigung nur für die Nutzung von Familienheimen zu gewähren, sondern vertritt die Ansicht, dass diese auch beispielsweise bei der Nutzung als nicht fremd vermietete Ferienwohnung, Zweitwohnung oder einer Wohnung, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt wird, zu gewähren ist.

Auch hier hat sich der BFH vom Wortlaut der Vorschrift leiten lassen und - entgegen der Vorinstanz - entschieden, dass eine Nutzung als Familienheim in § 23 EStG nicht gefordert wird. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass die Steuervergünstigung nur bei Nutzung als Familienheim gewährt werden soll, hätte er das, wie in anderen Vorschriften auch, etwa in § 13 Abs. 2 Ziff. 4a, 4 b ErbStG oder bei der Eigenheimzulage, klar zum Ausdruck gebracht, so der BFH. Da er dies nicht getan hat, kann die Steuervergünstigung auch für Immobilien genutzt werden, die als Ferienwohnungen oder Zweitwohnungen zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden.

Achtung! Werden die Wohnungen in Zeiten, in denen sie selbst nicht genutzt werden, vermietet, werden sie nicht ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt, so dass Spekulationssteuer erhoben wird, wenn zwischen Erwerb und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre liegen, selbst wenn die Immobilie überwiegend zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Wer also seine Immobilie hin und wieder über "airbnb" oder ähnliche Organisationen anbietet und vermietet, ist spekulationssteuerpflichtig, wenn die Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb veräußert wird.

Entscheidend für die Fristberechnung sind übrigens die schuldrechtlichen Verträge!

Sonderfall: Spekulationssteuer in Scheidungsfällen sehr tückisch

Wird eine Immobilie, die Eheleute/eingetragene Lebenspartner zusammen zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben, nach einer Scheidung/Trennung und Auszug aus der gemeinsamen Wohnung durch den einen Partner an den in der Wohnung verbleibenden Partner als Ausgleich für den Zugewinnanspruch übertragen, kann damit der Tatbestand eines Spekulationsgeschäftes erfüllt werden. Denn die das Eigentum an der Immobilie übertragende Person hat seit dem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung diese nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken genutzt.

Beispiel: Die Eheleute Frau Müller und Herr Schneider haben 2013 eine Eigentumswohnung gekauft, die sie selbst genutzt haben. Im November 2016 trennen sie sich, Herr Schneider zieht noch im Dezember 2016 aus. 2017 vereinbaren die beiden, dass Herr Schneider seinen Anteil der Wohnung Frau Müller als Ausgleich für den ihr zustehenden Zugewinnausgleichsanspruch überträgt.

Hier liegen die Voraussetzungen für ein Spekulationsgeschäft beim Ehemann vor: Veräußerung innerhalb von zehn Jahren und keine Nutzung des Ehemannes zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung. Die Übertragung erfolgt auch entgeltlich, Gegenleistung ist der Zugewinnausgleichsanspruch.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 13.12.2017, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.