25.10.2017 | Beratertipp

Steuerliche Folgen bei der Übertragung einer Immobilie gegen Pflegeleistungen

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Viele machen sich mit fortschreitendem Alter Gedanken über ihre Pflege, wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können. Ist die betroffene Person in der erfreulichen Lage, Grundvermögen zu besitzen, wird gern die schenkweise Übertragung der Immobilie schon zu Lebzeiten, ggf. unter Zurückbehaltung Nießbrauchs an der Immobilie, gegen Pflegeleistung ins Auge gefasst. Hier stellt sich natürlich nicht nur die Frage, wie die Regelungen zur Pflege zivilrechtlich wasserdicht vereinbart werden, sondern auch, wie das Finanzamt eine solche Übertragung einstuft.

Die schenkweise Übertragung einer Immobilie gegen künftige Pflegeleistungen ist häufig Gegenstand von Vorsorge-Überlegungen. (Foto: © JohnnyGreig - Getty)

Wird eine Schenkung der Immobilie zu Lebzeiten gegen Pflegeleistungen vorgenommen, ist danach zu unterscheiden, ob der Pflegefall bereits eingetreten ist oder ob nur für den künftigen Pflegefall vorgesorgt werden soll. Denn in Höhe der Pflegeleistung handelt es sich ggf. um eine entgeltliche Übertragung, so dass das Finanzamt in solchen Fällen eine sog. gemischte Schenkung prüft.

Hier wird wie folgt unterschieden:

1. Pflegefall ist noch nicht eingetreten

Ist der Pflegefall noch nicht eingetreten, handelt es sich um eine Schenkung ohne Gegenleistung. D.h. die Übertragung der Immobilie unterliegt mit ihrem Wert in voller Höhe der Schenkungsteuer. Es gelten die üblichen Freibeträge, die bei nahen Verwandten höher sind als bei entfernteren Verwandten oder Fremden, und die Steuersätze entsprechend der Einstufung in die Steuerklassen I bis III.

Wird beispielsweise der Nachbarin die Immobilie gegen evtl. künftig entstehende Pflegeleistungen übertragen, wird lediglich ein Freibetrag von 20.000 EUR gewährt, der darüber hinausgehende Wert der Immobilie unterliegt in der Steuerklasse III einem Steuersatz von 30 Prozent. Ein Abzug für die zukünftig evtl. entstehende Pflegeleistung wird zunächst nicht vorgenommen.

Achtung – bei Zurückbehaltung eines Nießbrauchs Grunderwerbsteuer beachten! Behält sich der Eigentümer den Nießbrauch an der Immobilie vor, ist der kapitaliserte Wert des Nießbrauchs bei der Ermittlung des Wertes der Immobilie abzuziehen und unterliegt nicht der Schenkungsteuer (die dem entgegenstehende frühere Regelung in § 25 ErbStG a. F. ist seit 2009 aufgehoben). Ein aus Sicht der erwerbenden Person zunächst sehr erfreuliches Ergebnis. Allerdings unterliegen Tatbestände, die nicht der Schenkungsteuer unterliegen, ggf. der Grunderwerbsteuer. Denn nur Tatbestände, die der Erbschafts- und Schenkungsteuer unterliegen, sind sachlich von der Grunderwerbsteuer befreit (vgl. 3 Ziff. 2 GrEStG). Solange es sich bei der erwerbenden Person um einen Ehegatten, einen eingetragenen Lebenspartner oder einen Verwandten in gerader Linie handelt, ist diese Einschränkung praktisch ohne Bedeutung. Denn dieser Personenkreis ist persönlich von der Grunderwerbsteuer befreit. Nicht befreit sind weiter entfernte Verwandte und natürlich nicht nichtverwandte Personen.

2. Pflegefall ist bereits bei Übertragung der Immobilie eingetreten

Erfolgt die Übertragung der Immobilie zu einem Zeitpunkt, zu dem der Pflegefall bereits eingetreten ist, handelt es sich um eine sog. gemischte Schenkung. In Höhe des Wertes des Pflegefalles wird eine entgeltliche Übertragung der Immobilie, für die keine Schenkungsteuer anfällt, angenommen, nur der Restwert wird unentgeltlich übertragen und der Schenkungsteuer unterworfen. Zu Ermittlung der schenkungsteuerlich heranzuziehenden Bemessungsgrundlage ist der Wert der Pflegeleistung anhand des Alters und des Geschlechts der zu pflegenden Person sowie dem Umfang der Pflege, ggf. auch unter Berücksichtigung des Pflegegrades, zu kapitalisieren.

Auch hier unterliegt der entgeltliche Teil des Erwerbs der Grunderwerbsteuer. Relevant ist das vor allem, wenn es sich bei der erwerbenden Person um weiter entfernte Verwandte, etwa Geschwister, oder Nichtverwandte, etwa Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, handelt, vgl. dazu die ausführlichen Hinweise weiter oben.

3. Pflegefall tritt erst nach Übertragung der Immobilie ein

Wird die Immobilie zu einem Zeitpunkt, zu dem der Pflegefall noch nicht eingetreten ist, gegen die Verpflichtung, bei Eintritt des Pflegefalls die Pflege zu übernehmen, übertragen, wird zunächst in vollem Umfang eine unentgeltliche Zuwendung, also Schenkung angenommen und in voller Höhe der Schenkungsteuer unterworfen.

Tritt später, ggf. auch erst viele Jahre später, der Pflegefall ein, wird dann die Pflegeleistung anhand des Umfangs der Pflege sowie des Alter und Geschlechts der zu pflegenden Person kapitalisiert und der Schenkungsteuerbescheid wegen Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses nach 175 AO geändert. Wurde Schenkungsteuer festgesetzt, kommt es zu einer Erstattung eines Teils der Steuer. Aber Achtung! Da nunmehr teilweise ein entgeltlicher Erwerb vorliegt, stellt sich sofort die Frage der Grunderwerbsteuer. Diese wird dann – wenn keine persönliche Befreiung von der Grunderwerbsteuer vorliegt – für den entgeltlichen Teil der Übertragung erhoben. Die Finanzämter sind angewiesen, darauf zu achten, dass entsprechende Hinweise an die Gemeinden bzw. die Erhebungsstellen der Grunderwerbsteuer gegeben werden.

Und noch etwas ist wichtig, zu beachten: Wird die Pflegeleistung gegen Entgelt in Form der Übertragung der Immobilie erbracht, kann dies auch Einkommensteuer auslösen. So hatte der Bundesfinanzhof bereits 1995 entschieden, dass die Übernahme der Pflege durch eine Nachbarin gegen Übertragung einer Immobilie zu gewerblichen Einkünften bei der Nachbarin führt, vgl. Urteil vom 25.10.1995, II R 45/92. Hier lauern also auch einkommensteuerliche Risiken. Vgl. Sie zur Übernahme von Pflegeleistungen gegen Weiterleitung des Pflegegeldes auch unseren Beratertipp vom 21.1.2015 „Pflege durch Angehörige: Ist das Pflegegeld steuerpflichtig“.

Praxishinweis: Bei der Übertragung einer Immobilie gegen Pflege ist eine umfassende steuerliche Betrachtung durchzuführen, da sowohl schenkungs- als auch grunderwerb- und ertragsteuerliche Folgen zu beachten sind. Werden die steuerlichen Folgen zu Lebzeiten der zu pflegenden Person nicht dem Finanzamt gegenüber offengelegt, besteht stets das Risiko, dass spätere Erben der zu pflegenden Person, deren Erbe durch die Übertragung der Immobilie ggf. geschmälert wird, dem Finanzamt gegenüber solche Vorgänge anzeigen. Auch anonyme Anzeigen sind in bei solchen Sachverhalten nicht selten.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.10.2017, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.