27.09.2017 | Wettbewerb

Onlinehändler als Mandanten - Amazon als Steuerberater?

Von Alexandra Buba *

Seit einiger Zeit diskutiert die Steuerberatungsbranche, ob das Internetunternehmen Amazon gerade beginnt, den Beratern Konkurrenz zu machen. Dem ist nicht so, meinen Experten. Diese Entwarnung betrifft aber nur die kleinere Seite des Problems – denn tatsächlich bringt das zunehmende Onlinehandelsgeschäft ihrer Mandanten viele Kanzleien an ihre Grenzen. Roger Gothmann, Geschäftsführer und Mit-Gründer der Hamburger Taxdoo GmbH, erklärt weshalb.

(Screenshot der Seite von "Amazon Services Europe")

STB Web:
Herr Gothmann, was macht Amazon gerade genau?

Roger Gothmann:
Amazon bietet die Dienstleistung an, umsatzsteuerrelevante Daten automatisiert an die Finanzbehörden in den verschiedenen Ländern zu melden. Das ist übrigens nicht unbedingt der Idee geschuldet, ein lukratives Geschäftsfeld aufzubauen, wie gelegentlich behauptet wird.

Vielmehr war es so, dass Amazon aus Kapazitätsgründen und um näher am Endverbraucher zu sein Mitte 2015 damit begann, seine Warenlager in Polen und Tschechien und mittlerweile in vier weiteren EU-Staaten anzupreisen. Die Händler haben das Angebot angenommen und erst später gemerkt, dass sie damit ja in diesen Ländern umsatzsteuerpflichtig werden. Amazon hat daraufhin Beratungskapazitäten u.a. beim KPMG-Service-Center in Ungarn eingekauft. Funktioniert hat das Ganze, wenn man ehemalige Kunden befragt, oftmals nicht.

STB Web:
Wie sieht das derzeitige Dienstleistungsangebot von Amazon im Detail aus?

(Foto: Roger Gothmann, Taxdoo GmbH)

Roger Gothmann:
Amazon nimmt den Steuerberatern keine Stunde Arbeit weg, sondern schickt lediglich die Daten von Land A nach Land B. Dabei erfasst das Unternehmen ausschließlich die Daten, die im Rahmen von Amazon-Transaktionen anfallen und übermittelt diese. Ebay und andere Handelsplattformen oder der eigene Webshop des Unternehmens bleiben außen vor. Sie zu integrieren, obliegt den Kundenunternehmen selbst, allerdings ist das sehr aufwändig, denn das Datenformat, das Amazon verwendet, ist restriktiv.

Ein weiteres Problem der Amazon-Dienstleistung ist, dass sie die einzelnen Steuersätze nicht wirklich rechtssicher anwenden kann und Lieferschwellen überhaupt nicht überwacht.

Ein dritter problematischer Aspekt ist, dass als Bemessungsgrundlage für die innergemeinschaftlichen Verbringungen der Waren in die ausländischen Warenlager ja die Herstellungskosten beziehungsweise der Einkaufspreis relevant werden. Diesen wollen Unternehmen Amazon verständlicherweise nicht offenlegen.

STB Web:
Was nützt der Service dann den Unternehmen?

Roger Gothmann:
Nun, viele haben momentan gar keine große Alternative, denn die meisten Steuerberater können die Beratung eines Mandanten, der vielleicht in vier EU-Staaten umsatzsteuerpflichtig ist, gar nicht kostendeckend anbieten, da sie grundsätzlich immer Kollegen in den entsprechenden Staaten hinzuziehen müssten. Natürlich gibt es die hemdsärmelige Einstellung "So eine Meldung für Österreich kriege ich auch noch hin" – rechtssicher ist das nicht und stellt zudem ein erhebliches Haftungsrisiko dar.

STB Web:
Müssen sich Mandanten also auf Amazon einlassen?

Roger Gothmann:
Nein, das müssen sie nicht. So bietet etwa unser Unternehmen  Steuerberatern eine Software an, mit deren Hilfe diese die Meldungen automatisiert abwickeln können. Dabei werden alle Daten aus sämtlichen verschiedenen Plattformen aufgegriffen, ausgewertet und nach verschiedensten Steuersätzen klassifiziert gemeldet.

STB Web:
Warum ist das wichtig - gibt es dafür ein Beispiel?

Roger Gothmann:
Nehmen Sie ein Unternehmen, das europaweit mit Tiernahrungsmitteln handelt. 1.000 verschiedene davon hat es im Sortiment. In der EU kennen etliche Länder dafür nicht etwa nur zwei verschiedene Steuersätze, sondern drei oder vier. Sie können nun als Unternehmen, wenn Sie händisch vorgehen, entweder den Standardsteuersatz für all ihre Meldungen wählen - und damit auf Marge verzichten - oder aber das Risiko eingehen, dass ihre Meldung nicht korrekt ist. Denn mit Excel sind Sie mit diesen Datenmengen und der Komplexität der verschiedenen Regelungen schnell am Ende.

STB Web:
Ist das aber nicht ein Spezialproblem, das nur wenige Mandanten betrifft?

Roger Gothmann:
Nicht wirklich, denn Probleme entstehen immer dann, wenn ich grenzüberschreitend handele – und das passiert online sehr schnell. Sobald ich ein ausländisches Lager benutze, bin ich bereits betroffen, selbst wenn meine Kunden alle in Deutschland ansässig sind. Ich habe dann das Problem, große Datenmengen verwalten und in das Verfahrensrecht der anderen EU-Staaten überführen zu müssen. Das birgt, wenn man es manuell abwickelt, hohe Risiken.

STB Web:
Wie gehen Steuerberater Ihrer Erfahrung nach mit diesen Problemen um?

Roger Gothmann:
Sehr unterschiedlich. Tatsächlich nehmen etliche das Thema sehr ernst. So hat mir in einem Seminar ein Berater von einem Mandanten erzählt, für den er den gesamten Prozess in zwei Staaten händisch bearbeitet hat. Dazu hat er seine Auswertungen eigens an zwei ausländische Kollegen geschickt, die er von der Außenkammer empfohlen bekommen hatte. Dem Mandanten den tatsächlichen Aufwand für diese Leistungen in Rechnung stellen? Undenkbar.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Berater, die das alles eher locker sehen, am Ende allerdings ist das Haftungsrisiko immens.

* Roger Gothmann startete seine Karriere bei der Finanzverwaltung als Umsatzsteuer-Sonderprüfer. Im Rahmen seiner anschließenden Tätigkeit beim Bundeszentralamt für Steuern war er für den Informationsaustausch auf EU-Ebene im Bereich Umsatzsteuer verantwortlich. Gemeinsam mit zwei Kollegen gründete er zu Beginn des vergangenen Jahres das Softwareunternehmen Taxdoo in Hamburg.

 

* Autorin:

Alexandra Buba ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche. Ihr besonderer Schwerpunkt sind Management- und IT-Themen (www.medientext.com). Sie schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.

 

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 27.09.2017, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.