21.08.2017 | Insolvenz & Sanierung

Geschäftsführer-Haftung für Lohnsteuern: Keine grobe Fahrlässigkeit bei eingeholtem Rechtsrat

Mit zwei Urteilen hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden, dass Geschäftsführer einer sich im Insolvenzverfahren befindlichen GmbH nicht grob fahrlässig handeln, wenn sie sich an den eingeholten Rechtsrat gehalten und keinen Anlass gehabt haben, diesen in Zweifel zu ziehen.

Die Kläger der beiden Verfahren waren zum Zwecke der Restrukturierung und der Sanierung einer GmbH als deren Geschäftsführer eingesetzt worden (sog. "Turnaround-Manager"). Ihrem Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung folgte das Insolvenzgericht und setzte einen vorläufigen Sachwalter ein. Nach Stellung des Insolvenzantrags fällig gewordene Lohnsteuerbeträge zahlten die Kläger auf ein durch eine Rechtsanwaltskanzlei eingerichtetes Treuhandkonto, nachdem sie sich durch diese zuvor eingehend bezüglich der Haftungsfragen hatten beraten lassen. Durch die Überweisung standen auf dem Geschäftskonto der GmbH jedoch keine Mittel mehr zur Verfügung, so dass der Lastschrifteinzug durch das Finanzamt scheiterte.

Verstoß gegen Mittelvorsorgepflicht, jedoch keine grobe Fahrlässigkeit

Nach Auffassung des FG Münster (Urteile vom 23. Juni 2017) haben die Kläger zwar gegen ihre Mittelvorsorgepflicht verstoßen, indem sie den Einzug der Lohnsteuer durch die Separierung der Mittel auf dem Treuhandkonto verhindert hätten. Allerdings könne den Klägern keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil sie sich an den eingeholten Rechtsrat gehalten und keinen Anlass gehabt hätten, diesen in Zweifel zu ziehen. Mangels eigener steuerlicher Sachkunde seien sie verpflichtet gewesen, fachlichen Rat einzuholen.

Insolvenzrechtliche vor steuerrechtlichen Pflichten?

Nach der Vernehmung zahlreicher Zeugen sei der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Rechtsanwälte durchgängig die Auffassung vertreten hätten, die Lohnsteuer dürfe nach Antragstellung nicht mehr beglichen werden, da ihre insolvenzrechtlichen Pflichten den steuerrechtlichen Pflichten vorgingen. Selbst wenn man diese Auffassung als hoch risikobehaftet oder sogar falsch ansehen sollte, hätten sich die Kläger hierauf verlassen dürfen. Ob sich die Kläger tatsächlich in einer entschuldigenden Pflichtenkollision aufgrund von im Rahmen der Eigenverwaltung widerstreitenden Pflichten steuerrechtlicher und insolvenzrechtlicher Natur befunden haben, ließ der Senat daher offen.

(FG Münster / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.08.2017, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.