24.05.2017 | Bundesgerichtshof

Entscheidungsrecht bei Uneinigkeit der Eltern über Schutzimpfung ihres Kindes

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Frage befasst, wie ein zwischen sorgeberechtigten Eltern in Bezug auf die Schutzimpfungen ihres Kindes entstandener Streit beizulegen ist. Der Vater war für die Impfungen, die Mutter aufgrund des Risikos von Impfschäden dagegen.

Zwischen den gemeinsam sorgeberechtigten, nichtehelichen Eltern besteht Uneinigkeit über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für ihre 5-jährige Tochter. Der Vater befürwortet die Durchführung der altersentsprechenden Schutzimpfungen, die durch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.

Einschränkung auf bestimmte Schutzimpfungen 

Zunächst hatte das Amtsgericht hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht es zwar dabei belassen, jedoch beschränkt auf auf Schutzimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln.

Familiengericht kann bei Uneinigkeit die Entscheidung einem Elternteil übertragen

Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Mutter ist ohne Erfolg geblieben. Nach bürgerlichem Recht kann das Familiengericht, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird, und zwar unabhängig davon, bei welchem Elternteil das Kind lebt.

Die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll, fällt im Gegensatz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig nur einmal an. Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung belegen die erhebliche Bedeutung.

Impfempfehlungen der STIKO vom BGH als medizinischer Standard anerkannt

Das Oberlandesgericht habe den Vater mit Recht als besser geeignet angesehen, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden, so der BGH nun in seinem Beschluss vom 3. Mai 2017 (Az. XII ZB 157/16). Es hat hierfür in zulässiger Weise darauf abgestellt, dass der Vater seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Die Impfempfehlungen der STIKO sind vom BGH bereits als medizinischer Standard anerkannt worden. Da keine einschlägigen Einzelfallumstände wie etwa bei dem Kind bestehende besondere Impfrisiken vorliegen, konnte das Oberlandesgericht auf die Impfempfehlungen als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen. Die von der Mutter erhobenen Vorbehalte, die aus ihrer Befürchtung einer "unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft" resultieren, musste das Oberlandesgericht dagegen nicht zum Anlass für die Einholung eines gesonderten Sachverständigengutachtens über allgemeine Impfrisiken nehmen.

(BGH / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 24.05.2017, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.