26.04.2017 | Beratertipp

Endlich: Vorsteuerabzug kann durch Rechnungsberichtigung rückwirkend gerettet werden

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

In der Beratungspraxis waren dies stets sehr ärgerliche (und auch haftungsintensive) Fälle: In Anspruch genommene Vorsteuern wurden - vor allem im Rahmen von Betriebsprüfungen - zurückgefordert, wenn Rechnungen (angeblich oder tatsächlich) den formellen Anforderungen nicht genügten. Selbst wenn noch im Rahmen der Betriebsprüfung berichtigte Rechnungen vorgelegt wurden, blieben Finanzämter (und mit ihnen die Finanzgerichte) stur: die Vorsteuern wurden - nebst sechs Prozent Zinsen jährlich -  für den Prüfungszeitraum zurückgefordert, um sie dann im Zeitpunkt der Berichtigung der Rechnung erneut zu bewilligen.

Diese Regelung - garantierte sie den Betriebsprüfern doch satte Mehrergebnisse - war daher auch ein sehr beliebter Prüfungsschwerpunkt. Die Dummen waren die Unternehmen und ihre Beraterschaft. Denn selbst wenn der Vorsteuerabzug später wieder geltend gemacht werden konnte, und somit der „Schaden“ für den Prüfungszeitraum weitestgehend kompensiert werden konnte,  musste für den Zeitraum zwischen Geltendmachung der (zurückgeforderten) Vorsteuern und Auswertung der Betriebsprüfung die hohen Zinsen von 6 Prozent per anno gezahlt werden. Und diese wurden auch dann nicht erlassen, wenn im Zeitpunkt der Korrektur der Rechnungen der Vorsteuerabzug doch beansprucht werden konnte.

Dem hatte sich in jüngster Zeit der EuGHmit Urteil vom 15. September 2016 (AZ C-518/14, sog. Senatex GmbH) entgegengestellt und entschieden, dass

  1. grundsätzlich auch eine berichtigte Rechnung zum Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Ausstellung der ursprünglichen Rechnung (und nicht erst im Zeitpunkt der Berichtigung der Rechnung) berechtigt und
  2. es außerdem europarechtlich nicht zulässig ist, pauschal Zinsen in Höhe von 6 Prozent zu erheben. Diese „Gebühr“ wurde als viel zu hoch angesehen.

Rückwirkende Berichtigung der Rechnung nunmehr bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beim Finanzgericht möglich

Nicht entschieden hatte der EuGH jedoch die Frage, bis wann die Berichtigung zu erfolgen hat, um den Vorsteuerabzug rückwirkend zu retten. Erfreulicherweise vertritt der BFH in seinem Urteil vom 20.10.2016 (Az. V R 26/15) hierzu nunmehr eine großzügige Auffassung: Der Vorsteuerabzug lässt sich retten, wenn die berichtigten Rechnungen bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung beim FG vorliegen. Begründet wird dies damit, dass § 31 Abs. 5 UStDV i.V.m. § 14 Abs. 4 UStG keine Frist für die Berichtigung der Rechnung vorsieht. Damit ist der BFH der Auffassung entgegengetreten, dass die Rückwirkung nur dann gelten sollte, wenn die Berichtigung bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung erfolgte.

Praxishinweise: Auch wenn damit etwas mehr Zeit für die Korrektur der Rechnungen gewährt wird, sollten Rechnungen möglichst zeitnah korrigiert werden, idealerweise sofort nach Bemängelung einer Rechnung in der Betriebsprüfung. Zwar wird es die Betriebsprüfenden nicht erfreuen, wenn die korrigierte Rechnung noch während der Betriebsprüfung vorgelegt wird - immerhin geht dadurch deren Mehrergebnis verloren -  doch Sie können dadurch die Einleitung eines Rechtsbehelfsverfahrens vermeiden. Außerdem können Sie sofort prüfen lassen, ob die korrigierte Rechnung von der Finanzverwaltung akzeptiert wird.  

Diesen Weg sollten Sie übrigens auch dann gehen, wenn Sie der Auffassung sind, dass eine Rechnung zu Unrecht beanstandet wird. Streitig ist häufig die Frage, ob bei einer sonstigen Leistung die Leistungsbeschreibung ausreichend ist. Wird im Rahmen der Betriebsprüfung ein solcher Punkt bemängelt und besteht noch die Möglichkeit, die Rechnung ohne großen Aufwand berichtigen zu lassen, sollten Sie dies veranlassen. Allerdings sollten Sie dann auch darauf achten, diese Zusammenhänge den Mandanten zu vermitteln, um nicht den Eindruck zu erwecken, Sie hätten die Ursprungsrechnungen nicht sorgfältig geprüft.

Im BFH-Streitfall war u.a. die Leistungsbeschreibung einer Rechtsberatung als unzureichend bemängelt worden und das Unternehmen, eine GmbH, hatte diese Rechnung im Rahmen des Klageverfahrens noch vor der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigen lassen und vorgelegt. Da jedenfalls die Berichtigung zum Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Ausstellung der ursprünglichen Rechnung berechtigte, hat der BFH ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob die Leistungsbeschreibung in der ursprünglichen Rechnung tatsächlich unzureichend gewesen ist. Mit dieser längst überfälligen Korrektur der Rechtsprechung werden zukünftig zahlreichen Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung über Formalien von Rechnungen vermieden.

Worauf ist im Zusammenhang mit der Berichtigung einer Rechnung zu achten?

Eine Berichtung kommt nur in Frage, wenn tatsächlich eine Rechnung vorliegt. Wurde der Vorsteuerabzug ohne Rechnung geltend gemacht, ist kein Raum für eine Berichtigung. Ein Dokument ist jedenfalls dann eine Rechnung und damit berichtigungsfähig, wenn es Angaben

  • zum Rechnungsaussteller
  • zum Leistungsempfänger
  • zur Leistungsbeschreibung
  • zum Entgelt und
  • zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer

enthält. Der BFH sieht es dabei als ausreichend an, wenn das Dokument Angaben dazu enthält und diese Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen. Fehlen Angaben zu den vorgenannten Punkten vollständig, ist eine rückwirkende Korrektur nicht möglich.

Um Missverständnissen vorzubeugen: enthält die Abrechnung eine Leistungsbeschreibung, ist diese aber unvollständig oder zu ungenau, kann die Leistungsbeschreibung grundsätzlich mit Rückwirkung korrigiert werden. Damit werden wohl zukünftig Auseinandersetzungen über die richtige Beschreibung einer sonstigen Leistung deutlich reduziert werden können.  

Rückwirkend ergänzt werden können insbesondere fehlende oder fehlerhafte Angaben zum

  • Ausstellungsdatum,
  • der laufenden Rechnungsnummer oder
  • Steuernummer bzw. Umsatzsteueridentifikationsnummer.

Zusammenfassung

Auch wenn im Rahmen einer Betriebsprüfung (oder aufgrund eines anderen Anlasses) eine Rechnung als fehlerhaft angesehen wird, kann der bereits geltend gemachte Vorsteuerabzug rückwirkend gerettet werden, wenn

  1. das Dokument berichtigungsfähig ist,
  2. die Rechnung so berichtigt wurde, dass sie nach Berichtigung den Anforderungen des § 14, 14 a UStG entspricht und
  3. die berichtigte Rechnung spätestens vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgelegt wird.  

Liegen diese Voraussetzungen vor, darf das Finanzamt den bereits geltend gemachten Vorsteuerabzug nicht rückgängig machen. Ratsam ist es, eine Rechnung unverzüglich korrigieren zu lassen, wenn diese bemängelt wird. Ist eine Korrektur ohne großen Aufwand möglich, sollte die Rechnung auch dann so korrigiert werden, wie es in der Betriebsprüfung verlangt wird, um unnötigen Streit über die Frage, ob die Rechnung korrekt ist, aus dem Weg zu gehen.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de

(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 26.04.2017, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.