22.03.2017 | Beratertipp

Verfahrensrechtliche Tücken bei der Erbschafts- und Schenkungsteuer

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Im Erbschaftsteuergesetz lauern verschiedenste Fallen, besonders tückisch ist aber das Verfahrensrecht, weil es sich - zum Teil erheblich - von den laufend zu zahlenden Steuerarten unterscheidet.

Zweistufiges Verfahren bei Erbschafts- und Schenkungsteuer  

Ungewöhnlich ist schon das zweistufige Verfahren. Der Erbe oder Beschenkte (bzw. andere dazu verpflichtete Personen, wie etwa der Testamentsvollstrecker oder der Schenker), müssen den Erwerb aus einer Schenkung oder einer Erbschaft

  • nach § 30 ErbStG innerhalb von drei Monaten beim Finanzamt anzeigen (erste Stufe) und
  • eine Steuererklärung beim Finanzamt einreichen, wenn das Finanzamt dazu auffordert (zweite Stufe). 

Ggf. - auch dazu kann das Finanzamt auffordern - ist die Steuer selbst zu berechnen. Wenn das der Fall ist, wird die Steuer einen Monat nach Abgabe der Steuererklärung fällig.

Was ist bei der Anzeige zu beachten?

Ein besonderes Formular ist nicht zu verwenden, es reicht eine formlose schriftliche Mitteilung, welche die beteiligten Personen, den Todeszeitpunkt und -ort des Erblassers bzw. den Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung, den Gegenstand und den Wert sowie den Rechtsgrund des Erwerbs benennt. Darüber hinaus sind Angaben zu dem persönlichen Verhältnis der Beteiligten bzw. des Erblassers zum Erwerber und zu Vorerwerben zu machen.

Wird die Anzeige verspätet oder gar nicht vorgenommen, kann bereits in diesem Unterlassen eine leichtfertige Steuerverkürzung oder vorsätzliche Steuerhinterziehung liegen.

Aber! Einen Verspätungszuschlag nach § 152 AO kann das Finanzamt bei verspäteter Abgabe der Anzeige nach § 30 ErbStG nicht festsetzen, da es sich bei der Anzeige nach § 30 ErbStG nicht um eine Steuererklärung handelt. Erst wenn die Steuererklärung nach Aufforderung durch das Finanzamt nicht fristgerecht eingereicht wird, droht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags.

In bestimmten Fällen ist der Erbe oder Beschenkte von der Pflicht zur Anzeige befreit, vgl. § 30 Abs. 3 ErbStG. Das sind Fälle, in denen das Finanzamt von dem steuerpflichtigen Vorgang ohnehin erfährt, etwa weil Notare oder das Nachlassgericht den Vorgang melden müssen, bspw. bei Schenkungen unter Lebenden, die gerichtlich oder notariell beurkundet wurden.

Praxistipp: Besteht Unsicherheit darüber, ob eine Anzeigepflicht besteht, sollte dem Mandanten geraten werden, dies durch Ihr Büro prüfen zu lassen oder sicherheitshalber dem Finanzamt den  Erwerb anzuzeigen.

Folgen der Anzeige des Erwerbs von Todes wegen oder unter Lebenden

Nach Eingang der Anzeige klärt das Finanzamt, ob der angezeigte Erwerb eine Steuer auslösen könnte. Immer dann, wenn dies möglich ist, wird es zur Abgabe einer Steuererklärung auffordern.

Praxishinweis: Wenn Sie davon ausgehen, dass der Erwerb keine Erbschafts- oder Schenkungsteuer auslösen wird, sollten Sie das in der Anzeige deutlich machen. Vergessen Sie also keinesfalls die Angabe des Verwandtschaftsverhältnisses, damit das Finanzamt direkt erkennen kann, dass aufgrund der gewährten persönlichen Freibeträge die Festsetzung einer Steuer gar nicht in Betracht kommt. Deshalb sollte auch immer zu der Frage, ob es Vorerwerbe innerhalb der letzten zehn Jahre gegeben hat, Stellung genommen werden. Hat es keine gegeben, bitte auch vermerken. Vorerwerbe innerhalb der letzten zehn Jahre können dazu führen, dass der aktuelle Erwerb Steuern auslöst. Fehlt dazu ein Hinweis in der Anzeige, sieht sich das Finanzamt evt. gezwungen, nachzufragen. Und dies geschieht in der Regel durch Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung. 

Wenn die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung ins Haus flattert...

Für die Abgabe der Steuererklärung muss das Finanzamt eine Frist von mindestens einem Monat gewähren. Oftmals ist es aber problematisch, innerhalb eines Monats den Überblick über den gesamten Nachlass zu erhalten, so dass die Finanzverwaltung häufig längere Fristen anordnet und bei Fristverlängerungsanträgen in der Regel großzügig verfährt.

Sind mehrere Erben vorhanden, können sie die Steuererklärung gemeinsam abgeben. Die Finanzverwaltung kann dann aber verlangen, dass alle Miterben die Steuererklärung unterschreiben. Die Steuerbescheide werden jedoch zwingend gegenüber jedem Miterben - schon wegen des Steuergeheimnisses - getrennt bekanntgegeben.

Sind neben dem oder den Erben noch andere Personen am Erbfall beteiligt, etwa ein Vermächtnisnehmer, kann er die Steuererklärung gemeinsam mit den Erben einreichen, wenn die Erben damit einverstanden sind.

Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter

Ist Testamentsvollstreckung oder Nachlassverwaltung angeordnet, ist die Steuererklärung vom Testamentsvollstrecker bzw. Nachlassverwalter einzureichen. Dieser Person gegenüber ist der Steuerbescheid auch bekanntzugeben.

Achtung, Haftungsfalle! Ein Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ist nicht befugt, Rechtsbehelfe gegen die Steuerbescheide einzulegen. Auch wenn die Steuerbescheide nach § 32 Abs. 1 ErbStG dem Testamentsvollstrecker bzw. Nachlassverwalter bekanntzugeben sind, führt das nicht dazu, dass sie auch Einspruch oder Klage gegen den Bescheid einlegen können, ohne dazu vom Erben beauftragt worden zu sein.

Besonderheiten bei der Verzinsung von Erbschafts- und Schenkungsteuer

Zinsen werden für Erbschafts- und Schenkungsteuer nicht festgesetzt. Wird also für die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung vom Finanzamt eine großzügige Fristverlängerung bewilligt, fallen für diese Verzögerung keine Zinsen an. Anders ist es, wenn gegen die bereits festgesetzte Erbschaftsteuer Einspruch eingelegt wird und Aussetzung der Vollziehung bewilligt wird. Ausgesetzte Steuern sind, sollte sich später herausstellen, dass sie zu Recht festgesetzt wurden, immer noch mit 6 % jährlich zu verzinsen. Nicht fristgerecht gezahlte Erbschafsteuern lösen darüber hinaus ab Fälligkeit Säumniszuschläge aus.

Hinweis: Beim BFH ist seit Anfang 2016 (AZ: I R 77/15) ein Verfahren anhängig, in dem es um die Frage geht, ob die Zinsen von 6% jährlich angesichts des niedrigen Zinsniveaus zu Recht erhoben werden. Deshalb sollte gegen die Festsetzung der Zinsen Einspruch eingelegt und mit Hinweis auf dieses Verfahren zugleich das Ruhen des Verfahrens beantragt werden.

Ärgerlich: Keine Verzinsung bei Erstattung einer Steuer nach Einspruch

Bereits gezahlte Erbschafsteuer, die später wegen eines Einspruchs wieder erstattet wird, wird nicht verzinst, vgl. § 233 a AO! Denn die allgemeine Verzinsung, wie sie beispielsweise bei der Einkommensteuer vorgesehen ist, gilt bei der Erbschaftsteuer nicht, da die Erbschaftsteuer in § 233 a AO nicht aufgeführt ist. Immerhin: Nach § 236 AO kann die zu Unrecht gezahlte Erbschaftsteuer vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage an verzinst werden, es sei denn, dem Kläger werden die Kosten des Verfahrens nach § 137 Satz 1 FGO auferlegt, vgl. § 236 Abs. 3 AO.

Fazit: Erbschafsteuererklärung nicht voreilig einreichen

Eine Erbschafsteuererklärung sollte nicht voreilig eingereicht werden; besser ist, Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärung zu beantragen, wenn noch Unklarheiten über den Nachlass bestehen. Ist die Erbschafsteuer erst einmal festgesetzt, ist diese zu zahlen, ohne dass - zumindest im Einspruchsverfahren - eine Verzinsung erfolgt, wenn sie zu Unrecht gezahlt wurde und deshalb wieder erstattet wird. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung sollten angesichts des Risikos, den ausgesetzten Betrag mit 6 % jährlich verzinsen zu müssen, nur gestellt werden, wenn dies unbedingt notwendig ist! Wird die Steuer nach Fälligkeit nicht gezahlt, werden Säumniszuschläge von 12 % jährlich erhoben.

Übersicht über Folgen von Verfahrensfehler

 

Frist

Folge Verspätung

Anzeige der Erbschaft

Drei Monate

Kein Verspätungszuschlag, ggf. leichtfertige Steuerverkürzung/vorsätzliche Steuerhinterziehung

Abgabe der Erbschafsteuererklärung

In der vom Finanzamt vorgesehenen Frist, mindestens einen Monate

Verspätungszuschlag

Festsetzung der Erbschafsteuer

In der Regel durch Selbstberechnung des Steuerpflichtigen, fällig einen Monat nach Abgabe der Erbschafsteuererklärung mit Selbstberechnung

Säumniszuschläge

Folge Aussetzung der Vollziehung bei zu Recht festgesetzter Steuer

Bei zu Recht festgesetzter Steuer: Verzinsung mit 6 % jährlich (Frage der Verzinsung ist aber verfassungsrechtlich bedenklich, Verfahren beim BFH deshalb anhängig).

 

 

Zahlung der zu Unrecht festgesetzten Steuer

Bei zu Unrecht festgesetzter Steuer: im Einspruchsverfahren keine Verzinsung zugunsten des Steuerpflichtigen, im Klageverfahren grundsätzlich ab Rechtshängigkeit des Verfahrens Verzinsung zugunsten Steuerpflichtigen mit 6 % jährlich

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de

(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 22.03.2017, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.