25.03.2015 | Kanzleiorganisation

Einzelkämpfer: Totgesagte leben länger

von Alexandra Buba *

Seit längerer Zeit gelten sie als Auslaufmodell, die Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer in ihren kleinen Kanzleien. Zu komplex sei die Materie, zu anspruchsvoll moderne Mandanten, als dass Einzelne mit wenigen Mitarbeitern auf Dauer erfolgreich im Wettbewerb mit größeren Einheiten bestehen könnten. Doch eine Studie des Softwareanbieters Agenda ließ vor einiger Zeit aufhorchen: So konnte über die Hälfte der kleinen Kanzleien seit 2008 sowohl Umsatz als auch Rentabilität steigern. Das passt nicht recht zum gängigen Bild von der drohenden Marktkonsolidierung. Tatsächlich haben kleinere Kanzleien eine Reihe von Wettbewerbsvorteilen.

Nicht nur Privatpersonen, auch viele mittelstandische Unternehmen schätzen die Zusammenarbeit mit kleineren Kanzleien und den persönlichen Kontakt. (Foto: © contrastwerkstatt - Fotolia.com)

Wenn Steuerberater Michael Tiedt, 38 Jahre, zurückschaut, dann war das bei seinem Vater alles ganz einfach. Der führte seine Kanzlei im Harz gänzlich allein. Dass dabei jemals Stress aufgekommen wäre, daran kann sich Tiedt beim besten Willen nicht erinnern. Heute ist das ganz anders. „Die Fülle an gesetzlichen Nuancen, die Anzahl der Mandanten mit grenzüberschreitenden Fragen, das gesamte technische Umfeld – das schaffst du allein kaum“, sagt der Steuerberater, der vor wenigen Jahren die Geschäfte von seinem Vater übernommen hat. „Außerdem brauche ich unbedingt den fachlichen Austausch.“ Gerade sind zwei seiner Mitarbeiter zu Berufsträgern avanciert, insgesamt arbeiten momentan elf Steuerfachleute in der Kanzlei.

Mit dieser Strategie widerspricht Tiedt zwar vordergründig dem „Zukunftsmodell Einzelkämpfer“, setzt aber umgekehrt gleichzeitig genau auf die Stärken kleinerer Kanzleien, indem er auf eine Vielzahl von Buchführungsmitarbeitern verzichtet. Das Wichtigste in der Mandatsbeziehung seien Qualität und Kommunikation – beides steht bei Tiedts Strategie stark im Vordergrund. Standardaufgaben sollten die Mandanten gern selbst erledigen oder von einer immer stärker automatisierten IT versehen lassen. Im Vordergrund steht tatsächlich die Beratung – und die setzt die persönliche Bekanntschaft über einen längeren Zeitraum voraus. „Wir erteilen keine Ratschläge nach Aktenlage, sondern kennen die gesamte, auch private Situation“, so Tiedt. „Das Vertrauensverhältnis ist daher ein ganz anderes.“

Es wird sich etwas verändern

Foto: StB Michael Tiedt

Diese Organisationsform – ersetze Arbeitskräfte durch Technik und schare Beraterinnen und Berater um dich – entspricht nun nicht dem Standard, der heute mehrheitlich in kleineren Kanzleien anzutreffen ist. Aber er ist vielleicht ein Stück weit Modell für die erfolgreiche Zukunft kleinerer Kanzleien.

Denn, und auch das sei nicht verhehlt, die „Zukunftsstudie kleine Kanzlei“ des Softwareanbieters Agenda aus dem Jahr 2013 spricht nicht nur von 50 Prozent der Kanzleien, die Umsatz und Rentabilität steigern konnten, sondern auch von 50 Prozent, die das nicht erreicht haben. Allerdings verzeichnete lediglich jede fünfte einen Rückgang. Für die Zukunft plant ein Drittel der kleinen Steuerkanzleien, ihren Mandantenstamm weiter zu vergrößern. Ebenso viele haben in den vergangenen fünf Jahren zusätzliche Kräfte eingestellt. Für die Zukunft plant jedoch lediglich jede sechste kleine Steuerkanzlei, weiteres Personal einzustellen.

In Deutschland gibt es derzeit 38.000 Einzelpraxen, 70 Prozent aller Kanzleien sind in dieser Form organisiert. Die Zukunftsstudie untersuchte nur solche, in denen ein Steuerberater bzw. eine Steuerberaterin und höchstens vier Mitarbeiter tätig sind. Diese typischen kleinen Kanzleien betreuen bis zu 150 Mandate, die etwa zu gleichen Teilen von Privatpersonen und Unternehmen beauftragt werden. Wesentliche Unterschiede in Entwicklung und Zukunftsplanung der Kanzleien ergeben sich in der Analyse der Altersstruktur. Wachsen wollen danach vor allem die Jüngeren: So planen laut Studie 65 Prozent der Kanzleien unter zehn Jahren, ihren Mandantenstamm zu vergrößern.

Die Gesamtzahl der kleinen Kanzleien steigt indes weiter, allerdings langsamer als die der Steuerberatungsgesellschaften. „Die Marktkonsolidierung wird schon seit 20 Jahren beschworen – eingetreten ist sie bisher nicht“, sagt Sebastian Theisen, Marketingleiter bei Agenda. „Veränderungen in der Branche wird es sicherlich geben. Aber der Mittelstand wird auch zukünftig auf die kleineren Kanzleien setzen, einfach weil er die Chefbehandlung und die Beratung auf Augenhöhe schätzt.“

Liefern Kleine bessere Qualität?

Das weiß auch Steuerberater Ewald Hennl, 56 Jahre, aus dem mittelfränkischen Roth. Für ihn kam eine Partnerschaft in einer größeren Kanzlei nie in Frage, stattdessen stürzte er sich von Ehefrau Regina begleitet in das Abenteuer Soloselbstständigkeit. Bereut hat er dies bislang noch nicht. „Mir ist es außerordentlich wichtig, dass ich meine Mandanten persönlich kenne“, sagt er. Dabei geht es nicht nur um den „Wohlfühlfaktor“ für den Mandanten oder stärkeres Maß an Vertrauen, sondern ganz handfest um Qualitätsfragen.

Die arbeitsteilige Vorgehensweise in größeren Einheiten könne dazu führen, dass etwa gesetzliche Änderungen, die vordergründig nur den Lohn betreffen, erst spät oder gar nicht an diejenigen weitergegeben werden, die Buchführung und Abschluss erledigen. „Im schlimmsten Fall macht Sie dann der Mandant darauf aufmerksam, dass in seinem Abschluss etwas nicht stimmt.“ Diesen Kommunikations- und damit Qualitätsproblemen wollte Hennl aus dem Weg gehen und setzt ganz auf die persönliche Betreuung eines jeden Mandanten. Neben einer höheren Qualität könnten Mandanten kleineren Kanzleien zudem von einer äußerst schlanken Kostenstruktur und damit von niedrigeren Honoraren profitieren. Das sind schlagende Argumente, für die sich sicherlich dauerhaft eine Kundschaft finden wird.

Persönlicher Kontakt der Motivator

Tatsächlich betonen nicht nur Tiedt und Hennl die Bedeutung des persönlichen Kontakts als den entscheidenden Motivator für ihre Strategie, sondern dies ist auch ein Ergebnis, zu dem die Studie kommt. Inhaber kleinerer Kanzleien wollen genau diesen unbedingt beibehalten und verzichten dafür bewusst auf stärkeres Wachstum. Der hohe Stellenwert, der dieser ureigenen Stärke beigemessen wird, ist eines der Hauptergebnisse, zu denen auch die Studie kommt.

Hätten kleine Steuerkanzleien im Übrigen einen Wunsch frei, würde sich die Mehrheit mehr Zeit wünschen, dicht gefolgt von einer unkomplizierten Softwarelösung und mehr qualifizierten Mitarbeitern. Um zumindest ersteres zu erreichen, sind ein konsequentes Ausbauen der eigenen Stärken und eine Verschlankung der Standardprozesse gefragt. Gelingt dies, werden kleinere Kanzleien sicherlich auch in Zukunft ein Erfolgsmodell bleiben.

Hinweis: Agenda führt im Rahmen der Initiative für die kleine Kanzlei ab Anfang Mai eine Folgestudie durch. Sie untersucht die Zusammenarbeit zwischen Steuerberatern und Mandanten.

* Hinweise zur Autorin:

Alexandra Buba, Nürnberg, ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche. Ihr besonderer Schwerpunkt sind Management- und IT-Themen.

Weitere Informationen unter:

www.medientext.com

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.03.2015, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.