20.07.2016 | Beratertipp

Kindergeld für volljährige Kinder - ein Überblick

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Kindergeld kann für Kinder bis zur Vollendung des 18-ten Lebensjahres beansprucht werden, ohne das es dabei auf den Ausbildungsstatus oder das Einkommen des Kindes ankommt. Ab Vollendung des 18. Lebensjahres ändert sich dies. Nunmehr kann Kindergeld grundsätzlich nur für ein Kind beansprucht werden, dass sich in der Ausbildung befindet oder eine Ausbildung anstrebt. Entscheidend für die Bewilligung des Kindergeldes für volljährige Kinder ist nicht deren Einkommen, sondern der Ausbildungsstatus. Grundsätzlich wird das Kindergeld bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gezahlt.

Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres , vgl. § 32 Abs. 3 EStG Vollendung des 18. Lebensjahres bis Vollendung 25. Lebensjahres , vgl. § 32 Abs. 4 EStG Ab Vollendung 25. Lebensjahres

Status des Kindes ist unerheblich, es ist also nicht entscheidend, ob sich das Kind in einer Ausbildung befindet.

Kindergeld wird nur gezahlt, wenn sich das Kind in einer Ausbildung befindet oder auf eine Ausbildung wartet oder bis zum Ausbildungs- oder Studienbeginn höchstens vier Monate liegen

Besonderheiten gelten bei arbeitssuchend gemeldeten Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres

Kindergeldanspruch entfällt (Ausnahme bei bestimmten behinderten Kindern, vgl. § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG)


Technisch richtet sich die Auszahlung des Kindergeldes danach, ob für das Kind ein Kinderfreibetrag nach § 32 EStG beansprucht werden kann. Die Regelungen zum Kindergeld im Einzelnen (wer hat Anspruch darauf, wem wird es bei mehreren Anspruchsberechtigen ausgezahlt, wie hoch ist das Kindergeld bei mehreren Kindern usw.) finden sich in den §§ 62 ff EStG. Auch andere kinderbezogene Leistungen, etwa Kinderzuschläge im öffentlichen Dienst oder die Berechtigung zur Familienkrankenversicherung setzen voraus, dass für das Kind ein Kinderfreibetrag beansprucht werden kann.

Unproblematisch ist es, solange sich das volljährige Kind in einer Ausbildung (Berufsausbildung, Studium, Schulbesuch) befindet. Ausbildungen an folgenden Institutionen werden von den Familienkassen als Ausbildung/Studium anerkannt:

  • allgemeinebildende Schule
  • Fachoberschule
  • Berufskolleg/Berufsfachschule
  • Berufsakademie
  • Hochschule/Universität
  • Fachhochschule
  • Betriebliche Ausbildung

Ist unklar, ob die angestrebte Ausbildung von der Familienkasse anerkannt wird, sollte mit der Familienkasse bzw. der Ausbildungsstelle geklärt werden, ob es sich dabei um eine Ausbildung handelt, die zum Bezug von Kindergeld berechtigt.

Wird die Ausbildung/das Studium aus Krankheitsgründen oder wegen Mutterschaft unterbrochen, bleibt es beim Kindergeldbezug.

Achtung! Wird das Studium/die Ausbildung wegen der nachfolgenden Kinderbetreuung unterbrochen und Elterngeld bezogen, führt dies zum Entfallen des Kindergeldes.

Kindergeldschädliche Tätigkeiten / Arbeitszeiten

Erzielt das Kind während des Kindergeldbezugs eigenes Einkommen, ist das für die Frage des Kindergeldbezuges ohne Bedeutung. D.h., wenn Eltern ihren Kindern frühzeitig Vermögenswerte übertragen, aus denen das Kind eigene Einkünfte, etwa aus Vermietung oder Verpachtung, erzielt, ist das für den Bezug des Kindergeldes unschädlich.

1. Vier Monate Übergangszeit nach Schulabschluss unproblematisch

Für einen Zeitraum von vier Monaten nach dem Schulabschluss kann das Kindergeld weiter bezogen werden, wenn das Kind spätestens nach vier Monaten mit einer Lehre/Berufsausbildung oder einem Studium beginnt. Dem gleichgestellt sind der Europäische Freiwilligendienst, oder Auslandsdienst nach dem Zivildienstgesetz sowie, was sich bei jungen Erwachsenen großer Beliebtheit erfreut, ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr, vgl. dazu im Einzelnen die Regelung in § 32 Abs. 4 Ziff 2 d EStG. 

Auch alle praktischen Vorbereitungen, etwa Volonatariate, Berufspraktika, selbst wenn diese freiwillig erbracht werden, oder Sprachaufenthalte im Ausland können als Berufsausbildung anerkannt werden. Entscheidend ist, ob die Vermittlung von Kenntnissen im Vordergrund steht. Wer also nach der Schule für drei Monate ins Ausland geht und im vierten Monat mit einem freiwilligen Berufspraktikum für drei Monate beginnt, um im Anschluss daran mit einem Studium zu beginnen, hat für den gesamten Zeitraum Anspruch auf Kindergeld.

2. Kndergeld bei fehlenden Ausbildungsplatzes/Studienplatzes

Häufig klappt es aber nicht auf Anhieb mit dem Studienplatz; auch wer eine betriebliche Ausbildung durchlaufen möchte, muss nicht selten erst mal darauf warten. Kann nachgewiesen werden, dass das Kind sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle/Studienplatz bemüht, besteht während der Warte- und Suchzeit weiterhin Anspruch auf Kindergeld, auch wenn mehr als vier Monate vergehen. Das ernsthafte Bemühen muss nachgewiesen werden. Junge Erwachsene, die eine betriebliche Ausbildung anstreben, sollten sich bei der Berufsberatung der Bundesagentur bzw. beim Jobcenter als Bewerberin/Bewerber für eine Ausbildungsstelle oder Bildungsmaßnahme registrieren lassen; wer ein Studium beginnen möchte, muss sich zwingend auf den Studienplatz bewerben und die Ablehnung vorlegen, selbst wenn aufgrund des Notendurchschnitts beim Abitur oder anderem Abschluss nicht damit zu rechnen ist, dass der betreffenden Person direkt ein Studienplatz bewilligt wird.

Geht das Kind in der „Wartezeit“ einer Vollzeittätigkeit nach, hängte es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob während der Wartezeit Kindergeld bezogen werden kann. Entscheidend ist, ob nach den Gesamtumständen das Kind noch ausbildungswillig ist. Der BFH hat dazu mehrfach Stellung genommen, und sich dabei auch von der Höhe des Kindereinkommens leiten lassen. Ob angesichts der gesetzlichen Regelung, nach der die Höhe des Einkommens des Kindes für die Frage des Kindergeldbezuges mittlerweile unerheblich ist, diese Rechtsprechung des BFH auf die aktuelle Rechtslage zu übertragen ist, ist fraglich. Betroffene sollten, wenn während der Wartezeit einer Vollzeittätigkeit nachgegangen werden soll, deutlich machen, dass die Ausbildungswilligkeit dadurch nicht beeinträchtigt wird. Etwa, indem intensiv, z.B. an verschiedenen Universitäten, Bewerbungen für entsprechende Studienplätze eingereicht werden.

Zu beachten ist dabei, dass jeder Ausbildungswunsch des Kindes anzuerkennen ist, es sei denn, es kann aufgrund objektiver Voraussetzungen oder aus persönlichen Gründen diese Ausbildung gar nicht antreten.

„Work and Travel“ berechtigt nicht zum Kindergeldbezug

Wer, ohne sich ernsthaft um einem Studienplatz/Ausbildungsplatz zu bemühen, eine längere Zeit im Ausland mit dem beliebten „work and travel“ verbringt, hat in dieser Zeit keinen Anspruch auf Kindergeld.  

3. Kindergeld bei Arbeitslosigkeit

Ist der junge Erwachsene bei der Bundesagentur für Arbeit oder einem Jobcenter als arbeitssuchend gemeldet, besteht bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres Anspruch auf Kindergeld.

Allerdings muss sich das Kind mindestens alle drei Monate als weiterhin arbeitssuchend/ausbildungssuchend melden; ansonsten entfällt der Anspruch auf Kindergeld wegen Arbeitslosigkeit.

Praxishinweis: 450 EURO-Jobs sind zulässig; es ist also erlaubt, dass sich das Kind etwas dazu verdient.

4. Nach Abschluss der Erstausbildung

Nach Abschluss der Erstausbildung kann Kindergeld bei Kindern, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, beansprucht werden, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Während Kinder vor und in der Erstausbildung einer Erwerbstätigkeit in unbegrenztem Umfang nachgehen dürfen, ohne das Kindergeld zu riskieren, ist das nach erfolgter Erstausbildung nicht mehr zulässig.

Aber: Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis, vgl. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG. Da das Kindergeld nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gezahlt wird, hat diese Frage vor allem bei denjenigen praktische Bedeutung, die vor dem Studium eine betriebliche Ausbildung durchlaufen.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 20.07.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.