08.06.2016 | Bundesfinanzhof

Kindergeld für Elternteile, die im EU-Ausland leben

Lebt ein Kind im EU-Ausland bei der geschiedenen Ehefrau, ist sie, nicht aber der in Deutschland lebende Vater kindergeldberechtigt, wie der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat. In einem weiteren Fall sprach der BFH der Großmutter in Griechenland das Kindergeld zu, die das Enkelkind bei sich aufnahm.

Im Streitfall beantragte ein in Deutschland wohnender deutscher Staatsangehöriger Kindergeld für seinen Sohn. Der Sohn lebte in Polen im Haushalt seiner Mutter, der geschiedenen polnischen Ehefrau des Klägers. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil sie der Ansicht war, der Anspruch auf Kindergeld stehe nicht dem Kläger zu. Kindergeldberechtigt sei die geschiedene Ehefrau. Dem stehe nicht entgegen, dass sie in Deutschland über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt habe. Vor dem Finanzgericht (FG) hatte der Kläger Erfolg. Demgegenüber hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Klage mit mit Urteil vom 4. Februar 2016 (Az. III R 17/13) ab.

Entscheidend sei hierfür die unionsrechtliche Vereinheitlichung der nationalen Regelungen zur sozialen Sicherheit. Danach ist bei Ansprüchen auf Familienleistungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten die gesamte Familie so zu behandeln, als würde sie in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Familienleistungen beansprucht werden (Wohnsitzfiktion).

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten greift die Wohnsitzfiktion

Da das deutsche Kindergeldrecht nicht danach unterscheidet, ob die Eltern eines Kindes verheiratet sind oder nicht, ist auch die geschiedene Ehefrau Familienangehörige. Somit gilt sie als mit dem Kind in Deutschland lebend. Damit steht ihr der Anspruch auf Kindergeld zu, da nach deutschem Recht das Kindergeld bei getrennt lebenden Eltern vorrangig an den Elternteil ausgezahlt wird, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

Da der BFH Zweifel hatte, ob das Unionsrecht tatsächlich eine solch weitgehende Fiktion beabsichtigte, richtete er ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Dieser entschied, dass die Wohnsitzfiktion zu einem Wechsel der persönlichen Anspruchsberechtigung von dem in Deutschland lebenden Elternteil zu dem im EU-Ausland lebenden anderen Elternteil führen kann. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der im EU-Ausland lebende Elternteil keinen Antrag auf deutsches Kindergeld gestellt hat.

Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs

In seinem Urteil folgte der BFH der Beurteilung durch den EuGH. Damit war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage des Vaters abzuweisen. Die Entscheidung des BFH ist von allgemeiner Bedeutung für Fälle, in denen die Eltern eines Kindes in unterschiedlichen EU-Staaten leben und in keinem EU-Staat ein gemeinsamer Haushalt der Eltern und des Kindes besteht. In Bezug auf den Sohn, für den das Kindergeld beansprucht wurde, hat die Familienkasse nunmehr über den Kindergeldanspruch der geschiedenen Ehefrau zu entscheiden.

Inhaltsgleich hat der BFH in einem zweiten Urteil vom 10. März 2016 (Az. III R 62/12) entschieden. Hier lebten die beiden Töchter des in Deutschland wohnenden Klägers bei ihrer in Griechenland lebenden Großmutter. Nach deutschem Recht kann ein Anspruch auf Kindergeld auch einem Großelternteil zustehen, der sein Enkelkind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Der BFH folgte auch hier dem EuGH-Urteil. Somit war auch hier zu fingieren, dass die Großmutter mit ihren beiden Enkelinnen in Deutschland lebte. Ein Anspruch auf Kindergeld steht somit ihr zu und nicht dem Kläger.

(BFH / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 08.06.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.