10.02.2016 | Bundesfinanzhof

Betriebliche Zinsen: BFH hält Zinsschranke für verfassungswidrig

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob die sog. Zinsschranke aufgrund eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungswidrig ist.

Betrieblich veranlasste Zinsaufwendungen sind entsprechend dem sog. Nettoprinzip grundsätzlich als Betriebsausgaben abziehbar. Hiervon abweichend gilt eine Abzugsbeschränkung für Zinsaufwendungen, die den Zinsertrag übersteigen. Dieser sog. negative Zinssaldo ist nicht abziehbar, soweit er 30 Prozent des „operativen“ Gewinns (heute: verrechenbares EBITDA) übersteigt (sog. Zinsschranke).

Der nichtabziehbare Aufwand ist in die folgenden Wirtschaftsjahre regelmäßig vorzutragen. Die Zinsschranke steht dem Betriebsausgabenabzug allerdings nicht entgegen, wenn der negative Zinssaldo des Unternehmens weniger als drei Millionen Euro beträgt oder die Eigenkapitalquote des konzernangehörigen Unternehmens diejenige des Konzerns um nicht mehr als 2 Prozent unterschreitet (sog. Eigenkapital-Escape) oder bei Kapitalgesellschaften keine sog. schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt.

Abzugsbeschränkung für betrieblich veranlasste Zinsaufwendungen

Den Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes begründet der BFH in seinem Beschluss vom 14. Oktober 2015 (Az. I R 20/15) damit, dass die Zinsschranke das Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des Ertragsteuerrechts nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen verletzt. Sie missachte das objektive Nettoprinzip, da nicht mehr das Nettoeinkommen der Besteuerung zugrunde gelegt werde. Das Abzugsverbot rechtfertige sich mangels folgerichtiger Umsetzung auch weder durch den vom historischen Gesetzgeber angeführten Zweck der Eigenkapitalstärkung noch durch das Ziel der Sicherung des deutschen Steuersubstrats. Gleiches gelte für das Anliegen, unkalkulierbare Steuerausfälle zu vermeiden.

Argument der Missbrauchsverhinderung nicht ausreichend

Im Streitfall wurde die Zinsschranke bei der zu einem inländischen Konzern gehörenden Kapitalgesellschaft, die in der Immobilienbranche tätig ist, angewandt und der Betriebsausgabenabzug nach Maßgabe der Zinsschranke begrenzt; der zum Ende des ersten Streitjahres festgestellte Zinsvortrag entfiel darüber hinaus im Folgejahr infolge einer betriebsbezogenen Umstrukturierung. Die Steuerbelastung in diesem "reinen Inlandsfall" (keine Finanzierung aus dem Ausland) wertet der BFH aus den vorgenannten Gründen als gleichheitswidrigen Eingriff in den Kernbereich des ertragsteuerrechtlichen Nettoprinzips, der auch nicht durch den Aspekt der Missbrauchsverhinderung gerechtfertigt werden könne.

Bereits in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2013 (Az. I B 85/13) hatte der BFH in einem summarischen Verfahren Zweifel an der Verfassungskonformität der Zinsschranke geäußert. Dazu hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 13. November 2014 einen sog. Nichtanwendungserlass angeordnet. Das BMF begründete dies insbesondere mit den "Gefahren für die öffentlichen Haushalte".

(BFH / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 10.02.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.