20.05.2015 | Beratertipp

Umsatzsteuerliche Besonderheiten bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmen (Teil 1)

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Im Zuge der Globalisierung rücken die Staaten immer näher zueinander, Unternehmen arbeiten immer enger mit ausländischen Partnern zusammen. So werden ausländische Unternehmen mit der Erstellung von Webseiten beauftragt, bei Musikfestivals treten Musiker aller Nationen auf oder es werden immer häufiger auch Seminare in Nachbarstaaten angeboten. Umsatzsteuerlich gelten für diese international aufgestellten Geschäftsbeziehungen besondere Regelungen. Steuerberater werden, vor allem wenn es dabei um Dienstleistungen (umsatzsteuerlich: "sonstige Leistungen") geht, immer häufiger von ihren Mandanten angesprochen, weil in bestimmten Fällen nicht der Auftragnehmer, sondern der Auftraggeber dem Finanzamt die Umsatzsteuer aus Umsätzen mit Auslandsbezug schuldet.

(Foto: © yukipon00 - Fotolia.com)

Es stellen sich vor allem zwei Fragen:

  1. Was ist zu beachten, wenn ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland ein ausländisches Unternehmen, also ein Unternehmen ohne Sitz in Deutschland mit einer sonstigen Leistung beauftragt und diese Dienstleistung deutsche Umsatzsteuer auslöst?
  2. Was ist zu beachten, wenn ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland eine sonstige Leistung gegenüber über einem Unternehmen erbringt, das keinen Sitz in Deutschland hat.

Wir gliedern das Thema daher in 2 Teile. Teil 1 lesen Sie heute.

  Leistendes Unternehmen Leistungs-empfänger Ort der Leistung Besonderheiten
Teil 1 Unternehmen ohne Sitz in Deutschland Unternehmen mit Sitz in Deutschland erbringt sonstige Leistung, die der deutschen Umsatzsteuer unterliegt - Deutschland Übergang der Steuerschuldneschaft
Teil 2 Unternehmen mit Sitz in Deutschland Unternehmen mit Sitz im Ausland erbringt sonstige Leistung, die einer ausländischen Umsatzsteuer unterliegt - Ausland Pflicht zur Abgabe von zusammenfassende Meldungen

(Aus Vereinfachungsgründen werden hier nur Regelungen für Unternehmen mit jeweils einem Sitz/Betriebsstätte dargestellt.)

Teil 1: Umsatzsteuer auf sonstige Leistungen bei Auslandsbezug 

Beauftragt ein in Deutschland ansässiges Unternehmen ein Unternehmen mit einer sonstigen Leistung, die für das Unternehmen ausgeführt wird, so gilt diese Leistung grundsätzlich als in Deutschland ausgeführt. Auf diesen Umsatz wird also deutsche Umsatzsteuer geschuldet.

Beispiel: Eine in Deutschland ansässige Gitarristin G tritt bei einem Konzert auf und engagiert dazu auf eigene Rechnung eine in Frankreich ansässige Sängerin S. Als Honorar werden 1.000 EUR netto vereinbart.

Hier erbringt die Sängerin gegenüber der Gitarristin eine sonstige Leistung; da beide Vertragspartnerinnen unternehmerisch tätig sind, und der Auftritt der Sängerin auch für das Unternehmen der Gitarristin erbracht wird, handelt es sich um einen sog. B2B-Umsatz. Der Ort dieser Leistung ist in Deutschland, da G ihr Unternehmen von Deutschland aus betreibt.

Praxishinweis: Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten u.a., wenn die Leistung gegenüber einer Privatperson erbracht wird, es sich also nicht um einen Umsatz zwischen zwei Unternehmen (sog. B2B-Umsatz) handelt oder andere Fälle des § 3 a Abs. 3 UStG vorliegen.

Reverse charge Verfahren

Grundsätzlich würde die Sängerin S als Leistende der G für ihre Mitwirkung am Konzert 1.000 EUR zuzüglich 19 Prozent Umsatzsteuer, also brutto 1.190 EUR, in Rechnung stellen. Aber S ist nicht in Deutschland ansässig, sondern in Frankreich. Ist ein Leistender mit seinem Unternehmen nur im EU-Ausland oder Drittland und nicht auch in Deutschland ansässig, schuldet grundsätzlich nicht der Leistende, hier die S, sondern der Leistungsempfänger, hier die G, die Umsatzsteuer nach dem sog. Reverse charge Verfahren.

Formale Anforderungen an den Wechsel der Steuerschuldnerschaft

  • G(!), also die Leistungsempfängerin, muss diesen Umsatz als Steuerschuldnerin in Rahmen ihrer Umsatzsteuervoranmeldung anmelden und entsprechend 19 Prozent Umsatzsteuer berechnen.
  • S als Leistende darf nur ihr Nettohonorar in Rechnung stellen, Umsatzsteuer darf sie keine ausweisen.
  • In ihrer Rechnung muss auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft hingewiesen werden.

S stellt somit der G ein Honorar von 1.000 EUR netto in Rechnung; Umsatzsteuer wird keine gesondert berechnet. In der Rechnung ist S allerdings verpflichtet, auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft auf G hinzuweisen. Der Gesetzgeber schreibt in § 14 a Abs. 5 Satz 1 UStG vor, dass der Hinweis durch den Zusatz „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ in der Rechnung erfolgt. Es ist aber auch zulässig, in anderer Weise, etwa durch den Hinweis „Reverse charge Verfahren“ den Wechsel der Steuerschuldnerschaft deutlich zu machen.

Vorsteuerabzug bleibt gleichwohl erhalten

Keinen Einfluss hat der Wechsel der Steuerschuldnerschaft auf den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers. Zur Erinnerung: Würde es sich bei der Sängerin um eine in Deutschland ansässige Sängerin handeln, hätte sie G 1.000 EUR zuzüglich 190 EUR Umsatzsteuer in Rechnung gestellt; G könnte die 190 EUR als Vorsteuern geltend machen (vorausgesetzt, S hätte ihr eine ordnungsgemäße Abrechnung ausgestellt). Auch wenn die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht, soll der Vorsteuerabzug in gleicher Weise bestehen bleiben, wie wenn die Steuerschuldnerschaft nicht gewechselt hätte. G steht aus diesem Umsatz also der Vorsteuerabzug zu (vgl. § 15 Abs. 1 Ziff. 4 UStG) und zwar auch ohne dass ihr eine Rechnung mit offenen Umsatzsteuerausweis vorliegt. Es geht sogar noch weiter: Auch wenn der Leistende, also die S, verpflichtet ist, in ihrer Rechnung auf den Wechsel der Steuerschuldnerschaft hinzuweisen, ist dieser Hinweis keine zwingende Voraussetzung für den Vorsteuerabzug der G. Überhaupt muss zum Vorsteuerabzug im Falle des Wechsels der Steuerschuldschaft keine Rechnung des Leistenden zum formalen Nachweis des Vorsteuerabzugs vorgelegt werden.

Was bedeutet das Verfahren für die Praxis?

Erbringt ein Unternehmen, dass sein Unternehmen ausschließlich aus dem Ausland (übriges Gemeinschaftsgebiet oder Drittland) betreibt, gegenüber einem in Deutschland betriebenen Unternehmen als Leistungsempfänger eine sonstige Leistung, darf das deutsche Unternehmen nur das Nettohonorar auszahlen; die auf den Umsatz entfallende deutsche Umsatzsteuer muss der Leistungsempfänger einbehalten und selbst an das deutsche Finanzamt abführen. Zugleich kann der Leistungsempfänger aus diesem Umsatz den Vorsteuerabzug geltend machen, es sei denn, der Vorsteuerabzug ist, ggf. auch teilweise, ausgeschlossen. Das ist bspw. der Fall, wenn der Leistungsempfänger als Arzt umsatzsteuerbefreite Umsätze erbringt, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Ist das jedoch nicht der Fall, meldet das Unternehmen in der Regel in derselben USt-Voranmeldung die durch den Wechsel der Steuerschuldnerschaft auf ihn übergehende Umsatzsteuer und zugleich die Vorsteuer an; beide Beträge heben sich auf; es entsteht keine Zahlungsverpflichtung.

In der Umsatzsteuervoranmeldung sind folgende Ziffern anzusprechen:

bei Übergang Steuerschuldnerschaft bei einem im EU-Ausland ansässigen Unternehmen
Ziff 46 Nettoumsatz
Ziff 47 Umsatzsteuer
Ziff. 67 Vorsteuer
bei Übergang Steuerschuldnerschaft bei einem im Drittland ansässigen Unternehmen
Ziff. 52 Nettoumsatz
Ziff. 53  
Ziff. 67 Vorsteuer

Durch den Übergang der Steuerschuldnerschaft kann für den Leistungsempfänger ein Liquiditätsvorteil entstehen, denn er braucht dem Leistenden nicht die Umsatzsteuer auszuzahlen, um sie dann vom Finanzamt erstattet zu bekommen. Vielmehr berechnet er diese gegenüber dem Finanzamt und zieht in der Regel gleichzeitig die entsprechende Vorsteuer wieder ab, die Zahllast für diesen Vorgang beträgt dann 0,00 EUR.

Achtung! Ein Risiko für das deutsche Unternehmen besteht dann, wenn der Übergang der Steuerschuldnerschaft unbemerkt bleibt. Denn der Leistungsempfänger schuldet auch dann die Umsatzsteuer, wenn er dem Leistenden die Umsatzsteuer auszahlt. Deshalb sollte sehr genau darauf geachtet werden, ob ein Übergang der Steuerschuldnerschaft vorliegt. Steuerberater sollten ihre Mandanten für diese Besonderheiten sensibilisieren.

Pflichten des Leistenden

Nach den oben dargestellten Grundsätzen ist der Leistende in diesen Fällen nicht verpflichtet, auf seine der deutschen Umsatzsteuer unterliegende Umsätze Umsatzsteuer zu berechnen und dem deutschen Finanzamt abzuführen. Die weiteren Pflichten richten sich danach, ob der Unternehmer sein Unternehmen aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet oder von einem Drittland aus betreibt.

Betreibt der Unternehmer sein Unternehmen vom übrigen Gemeinschaftsgebiet aus, ist er verpflichtet, gegenüber seiner heimatlichen Finanzbehörde eine Erklärung entsprechend der deutschen zusammenfassenden Meldung über diese Umsätze abzugeben. Dazu benötigt er die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des deutschen Vertragspartners.

Handelt es sich um ein Unternehmen, dass sein Unternehmen aus dem Drittland betreibt, gelten keine Regelungen über zusammenfassende Meldungen; die Weitergabe der USt-Identifikationsnummer ist dann nicht zwingend erforderlich.

(Teil 2 folgt)

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 20.05.2015, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.