27.08.2014 | Im Brennpunkt

Erbschaftsteuer auf dem Prüfstand

Von Viola C. Didier *

Im Herbst wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts klären, ob Begünstigungen und Verschonungsregelungen im Erbschaftsteuergesetz gegen die Verfassung verstoßen. Ein Urteil, dem die meisten Unternehmen mit großen Bedenken entgegenschauen.

Derzeit bestehen für die Übertragung von Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Anteilen an Kapitalgesellschaften Verschonungsregelungen, die zu einer Befreiung von Erbschaft- und Schenkungsteuerzahlungen für betriebliches Vermögen führen. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs sind diese Regeln verfassungswidrig. Es handele sich um eine Überprivilegierung zum Nachteil der übrigen Steuerpflichtigen, die keinen Anspruch auf solche Begünstigungen haben, so die BFH-Richter.

Das Erbschaftsteuerrecht ist so nicht haltbar

„Gleichheitsrechtlich sind die aktuellen Regeln zur Verschonung von Betriebsvermögen nicht haltbar“, erklärt die Kölner Professorin für Steuerrecht, Johanna Hey. „Die Regeln sind nicht zielgenau: Zwar sind 2013 der so genannten Cash-GmbH, mittels derer auf einfachste Weise privates Kapitalvermögen in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiungen gebracht werden konnte, Riegel vorgeschoben worden. Es gibt aber nach wie vor zahlreiche Gestaltungen, um Privat- in Betriebsvermögen umzuwandeln.“ Gemeint sind hier die großzügigen Regeln für unschädliches Verwaltungsvermögen. Liegt dessen Anteil am Gesamtvermögen eines Unternehmens unterhalb von 50 Prozent, unterfällt es der Vergünstigung.

Reparaturauftrag für den Gesetzgeber?

„Abgesehen von den Gestaltungsmöglichkeiten ist auch das Ausmaß der Begünstigung unverhältnismäßig. Während Betriebsvermögen in unbegrenzter Höhe ohne jegliche Besteuerung übertragen werden kann, erreichen die Steuersätze bei anderem Vermögen bis zu 50 Prozent. Der Gesetzgeber darf sich zwar entscheiden, die deutsche Familienunternehmenskultur zu schützen, die Begünstigung darf aber nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist“, so Hey weiter. Die Fachpresse und zahlreiche Steuerexperten gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber hinsichtlich des Erbschaftsteuergesetzes einen „Reparaturauftrag“ erteilen und das Gesetz innerhalb einer Übergangszeit für noch anwendbar erklären wird. Dennoch stünden dann drastische Veränderungen und Mehrbelastzungen für Unternehmen an.

Voreilige Entscheidungen vermeiden

„Im Hinblick auf das erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts besteht für Unternehmer die Möglichkeit, anstehende Firmenübertragungen ganz oder teilweise vorzuziehen, um die gegenwärtig günstige Rechtslage noch zu nutzen“, meint WW+KN-Geschäftsführer und Steuerberater Matthias Winkler. Solche vorgezogenen Vermögensübertragungen könnten durch Widerrufsvorbehalte oder Nießbrauchsbestellungen in den Übergabeverträgen abgesichert werden. Trotz des wahrscheinlichen Umbruchs im Erbschaftsteuerrecht sollte eine voreilige Übertragung von Betriebsvermögen aus rein steuerlichen Gründen aber vermieden werden. Nur sofern alle Fragen zur Unternehmensnachfolge geklärt sind, sollte zeitig gehandelt werden, da nach der zu erwartenden Entscheidung nicht mit einer Verbesserung der bisherigen Freistellungsmöglichkeiten zu rechnen ist.

Problem in der Beratungspraxis: Teilnichtigkeit

Eine gewisse Gefahr besteht in der Beratungspraxis, sollte das Bundesverfassungsgericht nicht das ganze Erbschaftsteuergesetz, sondern allein die Verschonungsregelungen für verfassungswidrig erachten und insoweit die Teilnichtigkeit aussprechen. Teilnichtigkeit würde bedeuten, dass die Begünstigungen für Unternehmensvermögen rückwirkend, seit dem 01.01.2009 bei der Steuerfestsetzung nicht mehr anwendbar wären, klärt der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) auf. Mangels gesetzlichen Vertrauensschutzes kämen erhebliche Mehrbelastungen auf die Unternehmen zu. Da allerdings eine Bundesverfassungsgerichtsentscheidung Gesetzescharakter hat, sprechen gewichtige Gründe dafür, dass das Bundesverfassungsgericht bei einem Ausspruch der Teilnichtigkeit die von ihm selbst entwickelten Grundsätze zum Vertrauensschutz bei rückwirkenden Steuergesetzen zu beachten hat.

Frage an die renommierte Steuerrechtlerin Prof. Dr. Johanna Hey: Wie könnte Ihrer Ansicht nach eine Neuregelung des Erbschaftsteuergesetzes aussehen?

Foto: Prof. Dr. Johanna Hey

„Dem allgemeinen Gleichheitssatz würde am besten durch eine Erbschaftsteuer mit wirklich breiter Bemessungsgrundlage und deutlich niedrigeren Sätzen Rechnung getragen. Auch die privaten Freibeträge sollten dabei kein Tabu sein. Eine Absenkung von 400.000 auf 200.000 Euro pro Erbendes Kind hielte ich für verfassungsrechtlich vertretbar. Durchschnittsvermögen blieben weiterhin steuerfrei. Politökonomisch ist eine solche Reform jedoch wenig realistisch, weil durch drastisch abgesenkte Steuersätze die Erben sehr großer Vermögen auf Kosten mittlerer Vermögen entlastet würden. Der Widerstand in der Bevölkerung wäre groß – selbst, wenn die meisten Bürger nach wie vor gar nicht betroffen wären. Aber die Erbschaftsteuer ist eine in besonderem Maße emotional besetzte Abgabe. Wenn aber die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage weniger beherzt ausfällt und damit auch die Steuersätze durchaus spürbar bleiben, käme auch eine Reform nicht ohne Sonderregeln für Unternehmen aus. Zum einen müssten Verfügungsbeschränkungen, die Unternehmenserben an der Realisierung der Werte hindern, Berücksichtigung finden. Darüber hinaus bedürfte es Stundungs- und Erlassregeln, um Härtefällen begegnen zu können.

Zur Person: Prof. Dr. Johanna Hey (44) ist seit 2006 Direktorin des Instituts für Steuerrecht an der Universität Köln. U.a. gehört sie dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums an und ist gesamtverantwortliche Herausgeberin des Großkommentars zum Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht Hermann/Heuer/Raupach. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die verfassungs- und europarechtlichen Grundlagen des Steuerrechts sowie das Einkommen- und Unternehmensteuerrecht.

 

viola_didier* Viola C. Didier arbeitet als freie Journalistin für Printmedien, Fachverlage, Online-Portale und Kanzleien. Ihre Spezialgebiete sind Steuern und Recht. Die Juristin gründete 2003 das spezialisierte Redaktionsbüro RES JURA für Recht, Steuern und Wirtschaft in Stuttgart.

 
(STB Web)



Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 27.08.2014, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.