11.06.2013 | Für die Beratungspraxis

Eingetragene Lebenspartnerschaften: Praktische Auswirkungen der Entscheidung des BVerfG für die Beratung

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Die aktuelle Entscheidung des BVerfG, auch eingetragenen Lebenspartnerschaften den den Eheleuten zustehenden Splittingtarif zu gewähren, kam spät - die Verfahren waren seit 2006 anhängig - jedoch nicht wirklich überraschend. Danach verstößt die bestehende Regelung des Splittingtarifs, gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, weil er nur Eheleuten und nicht auch eingetragenen Lebenspartnern gewährt wird. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, unverzüglich eine verfassungsgemäße Regelung zu erlassen. Bis zur Einführung einer solchen Regelung gilt die aktuelle Regelung übergangsweise auch für eingetragene Lebenspartnerschaften.

Somit können sich eingetragene Lebenspartner mit Wirkung ab
2001 bei der Einkommensteuer nach §§ 26, 26 a, 32a EStG zusammen veranlagen lassen. Allerdings nur, soweit die Bescheide noch nicht bestandskräftig sind. Was bedeutet das für die Praxis?

Allgemeine Voraussetzungen der gemeinsamen Veranlagung

Eingetragene Lebenspartner können sich danach in aktuellen und in allen noch nicht bestandskräftig gewordenen Veranlagungen zusammen zur Einkommensteuer veranlagen lassen, wenn sie

  • unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, d.h. grundsätzlich ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in Deutschland haben,

  • nicht dauernd getrennt leben und

  • beide Partner sich für die Zusammenveranlagung entscheiden.

Hinweis: Geben Eheleute keine Erklärung zu der Art der Veranlagung ab, wird eine gemeinsame Veranlagung durchgeführt, vgl. § 26 Abs. 3 EStG. Ob die Finanzverwaltung diese Regelung unmittelbar auch auf alle eingetragenen Lebenspartner anwendet, ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch ungeklärt. Eingetragenen Lebenspartner sollten daher darauf achten, aktiv die Zusammenveranlagung zu beantragen. Eine Zusammenveranlagung ist ausgeschlossen, wenn ein Partner eine Einzelveranlagung beantragt, vgl. § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG.

Was ist mit rückwirkender Anwendung gemeint?

Das BVerfG hat betont, dass die gemeinsame Veranlagung für alle seit 2001 begründeten Lebenspartnerschaften ermöglicht werden soll, soweit über die Veranlagungen noch nicht bestandskräftig entschieden wurden. Damit hat das BVerfG die Zusammenveranlagung für alle eingetragenen Lebenspartnerschaften dem Grunde nach eröffnet. Die Bildung einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft ist seit 2001 möglich; 2005 gab es eine erste Reform, durch die Lebenspartnerschaften noch stärker der Ehe angenähert wurden. Deshalb hatten es zwei Richter des BVerfG abgelehnt, die Splittingtarif bereits für Lebenspartnerschaften ab 2001 zu gewähren; sie wurden aber durch die sechs anderen Richter überstimmt.


a) Ruhend gestellte Verfahren

Im Hinblick auf das seit 2006 anhängige Verfahren beim BVerfG hatten immer mehr eingetragenen Lebenspartner die gemeinsame Veranlagung beantragt. Die Finanzverwaltung hat auf diese Anträge unterschiedlich reagiert. Überwiegend wurde die Zusammenveranlagung abgelehnt. Wurde dagegen Einspruch eingelegt, wurden die Verfahren im Allgemeinen für ruhend gestellt. Diese Verfahren sind somit noch nicht bestandskräftig; die jetzt durch die Entscheidung des BVerfG mögliche gemeinsame Veranlagung kann daher für ruhend gestellte Veranlagungszeiträume beansprucht werden. Die betroffenen Paare können sich daher auf einen Steuererstattung freuen, soweit die gemeinsame Veranlagung steuerlich günstiger als die Einzelveranlagung bzw. getrennte Veranlagung ist.


b) Vorläufig gewährte Zusammenveranlagung

Hat ein Finanzamt ausnahmsweise die Zusammenveranlagung vorläufig gewährt, ist durch die Entscheidung des BVerfG diese nun endgültig durchzuführen, indem der Vorläufigkeitsvermerk aufgehoben wird.

Praxistipp: Wird die Finanzverwaltung nicht von selbst tätig, sollte die Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks beantragt werden.


c) Zeiträume, die bereits bestandskräftig veranlagt wurden

Zwar hat das BVerfG ausdrücklich die gemeinsame Veranlagung rückwirkend bis zur Einführung der Möglichkeit der Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im August 2001 angeordnet; zugleich aber betont, dass dies nur für noch nicht bestandskräftige Veranlagungen gilt. Das bedeutet, dass bei bestandskräftigen Veranlagungen eine gemeinsame Veranlagung nicht mehr möglich ist.


d) Rettung der gemeinsamen Veranlagung, wenn bei einem Partner eine bestandskräftige Veranlagung noch nicht erfolgt ist

Die gemeinsame Veranlagung kann solange beantragt werden, solange die Veranlagung gegenüber einem Ehegatten noch nicht bestandskräftig erfolgt ist. Ist also gegenüber einem Ehegatten bereits eine bestandskräftige Veranlagung durchgeführt worden, nicht aber gegenüber dem anderen Ehegatten und wird die gemeinsame Veranlagung nach Abgabe der bislang noch nicht eingereichten Steuererklärung beantragt, handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 AO. Das hat zur Folge, dass auch der bestandskräftig veranlagte Einkommensteuerbescheid zu ändern ist.

Diese Möglichkeit dürfte auch eingetragenen Lebenspartnern offen stehen. Hat einer der beiden Partner bislang keine Einkommensteuererklärung abgegeben, weil z.B. sie bzw. er wegen einer angestellten Tätigkeit nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet war, ist zu prüfen, ob vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG eine sog. Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Ziff. 8 EStG, also die (freiwillige) Abgabe der Einkommensteuererklärung, sinnvoll ist. Sinnvoll ist sie, wenn durch eine gemeinsame Veranlagung die Partner insgesamt steuerlich geringer belastet sind als durch die getrennte Veranlagung bzw. Einzelveranlagung. Eine Frist zur Abgabe der Steuererklärungen sieht das Gesetz in solchen Fällen nicht vor; es gilt die allgemeine Verjährungsfrist. Diese beträgt 4 Jahre, vgl. § 169 Abs. 2 Ziff. 2 AO, so dass derzeit über diesen Weg noch Antragsveranlagungen ab dem Kalenderjahr 2009 zulässig sind.

Beispiel: Annegret Zack und Iris Schneider haben 2003 eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet. Frau Zack ist selbständig tätig; Frau Schneider ist leitende Angestellte in einem großen Unternehmen. Ihr Verdienst dort ist etwa doppelt so hoch wie der Gewinn aus selbständiger Tätigkeit von Frau Zack. Eine gemeinsame Veranlagung würde sich daher für die beiden lohnen. Die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2012 sind gegenüber Frau Zack bestandskräftig veranlagt; Frau Schneider hatte bislang auf die Abgabe von Einkommensteuererklärungen verzichtet. Gibt Frau Schneider nunmehr für die Zeiträume bis einschließlich 2009 Einkommensteuererklärungen ab und wählt dabei mit Zustimmung von Frau Zack die gemeinsame Veranlagung, sind die gegenüber Frau Zack durchgeführten bestandskräftigen Veranlagungen wegen des Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 AO zu ändern und eine gemeinsame Einkommensteuerveranlagung durchzuführen.

Tipp: Klären Sie bei betroffenen Mandanten, ob deren Partner für die Veranlagungszeiträume 2009 und später eine Antragsveranlagung durchgeführt haben. Ist dies nicht geschehen, kann diese noch beantragt werden und in diesem Zuge die Zusammenveranlagung beantragt werden. Die bereits bestandskräftigen Veranlagungen Ihrer Mandanten sind zu ändern. Entsprechendes gilt, wenn gegenüber einem der beiden Partner eine bestandskräftige Veranlagung noch nicht erfolgt ist, etwa, weil ein Rechtsbehelfsverfahren oder eine Betriebsprüfung durchgeführt wurde. Dann können sogar noch für weiter zurückliegende Veranlagungszeiträume die Zusammenveranlagung gerettet werden.


e) Steuererklärung wurde pflichtwidrig nicht abgegeben

Hat einer der Partner, obwohl sie bzw. er dazu verpflichtet war, die Steuererklärung nicht abgegeben, verschiebt sich der Beginn der Festsetzungsfrist um zu drei Jahren, vgl. § 169, 170 Abs. 2 Nr. 1 AO, ; so dass die die Einkommensteuer der Veranlagungszeiträume bis 2006 noch nicht verjährt sind. Erfahren sie in der Steuerberatung von einem solchen Sachverhalt, sind Sie grundsätzlich verpflichtet, auf die Abgabe der Steuererklärung hinzuwirken. Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung kann sich beispielsweise bei angestellten Mandanten ergeben, wenn sie nebenberuflich selbständige Einkünfte erzielen.

Praxishinweis: Dauernd getrennt lebende oder geschiedene Eheleute haben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, das sog. Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG durchzuführen. Konsequenterweise müsste diese Regelung nunmehr auch bei eingetragenen Lebenspartnerschaften gelten, die sich trennen bzw. getrennt haben. Ob die Finanzverwaltung diesen Schritt mitgeht, ist allerdings völlig offen. Gleichwohl sollten Betroffene, wenn dies vorteilhaft ist, entsprechende Anträge stellen.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. ;

E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 11.06.2013, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.