25.07.2019 | Gestaltungsberatung

Berliner Testament: Nachteile der Vor- und Nacherbschaft gegenüber Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt

DKB

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Eltern stehen bei der eigenen Nachfolgeplanung häufig vor einem Dilemma: Zunächst soll das eigene Vermögen der längerlebende Elternteil erhalten, aber nach dessen Tod das oder die Kinder. Diesen Zielen dient ein sog. Berliner Testament. Allerdings gelten die Berliner Testamente erbschaftsteuerlich als Freibetragsvernichter, da beim ersten Erbfall das gesamte Vermögen des verstorbenen Elternteils erst mal auf den überlebenden Elternteil übergeht und so der erbschafsteuerliche Freibetrag gegenüber dem zuerst verstorbenen Elternteil nicht in Anspruch genommen werden kann. – Welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es?

Bei erbschaftsteuerlichen Gestaltungen sollte stets auch der Erhalt des Familienfriedens bedacht werden – ein nicht zu unterschätzender Wert. (Foto: © JohnnyGreig – Getty)

Beispiel: Am 3.4.2014 verstirbt Sophia Müller, Mutter von Antje Müller. Ihr Vermögen besteht aus einem fremdvermieteten Gewerbegrundstück mit einem Wert von 600.000 EUR. Aufgrund eines mit ihrem Ehemann Klaus Müller (und Vater von Antje Müller) geschlossenen Berliner Testaments geht das Grundstück auf Klaus Müller über. Vorerwerbe hatte er keine, nach Abzug des Freibetrags für Eheleute in Höhe von 500.000 EUR unterliegen 100.000 EUR der Erbschafsteuer (vereinfachte Berechnung ohne Berücksichtigung weiterer Freibeträge).  Am 30.6.2019 verstirbt Klaus Müller und vererbt seiner Tochter ein Vermögen von insgesamt 900.000 EUR, das in Höhe von 600.000 EUR von der Mutter stammt. Nach Abzug des Kindern gewährten persönlichen Freibetrags von 400.000 EUR unterliegen 500.000 EUR der Erbschafsteuer (vereinfachte Berechnung). Der ihr gegenüber der Mutter zustehende Freibetrag von 400.000 EUR geht bei einer solchen Gestaltung verloren (daher Berliner Testament als Freibetragsvernichter).

Diese Regelung gilt auch dann, wenn die überlebende Person nicht Vollerbin, sondern lediglich als Vorerbin eingesetzt wird und zur Nacherbschaft das Kind bzw. die Kinder berufen werden. Ist eine Person als Vorerbin eingesetzt, ist sie grundsätzlich in ihrer Verfügungsbefugnis über das Erbe beschränkt. So kann sie insbesondere nicht über Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte verfügen.

Beispiel: Wäre Klaus Müller im oben genannten Fall Vorerbe, dürfte er das Grundstück grundsätzlich nach § 2113 BGB nicht frei veräußern und zwar weder verkaufen noch verschenken; diese Beschränkung ist nach § 51 Grundbuchordnung in das Grundbuch einzutragen. 

Ausnahmen davon können im Testament enthalten sein. Ziel der Vor- und Nacherbschaft ist es häufig, bestimmte zum Nachlass gehörende Vermögensbestandteile, insbesondere Immobilien, in der Familie zu halten. Bei einem „einfachen“ Berliner Testament ohne Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft erhalten die Kinder in der Regel das Vermögen der Eltern in Form einer Schlusserbschaft; der überlebende Elternteil, der zunächst Vollerbe wird, kann zu Lebzeiten grundsätzlich frei über das vom zuerst verstorbenen Elternteil ererbte Vermögen verfügen. Durch das Berliner Testament ist der überlebende Elternteil grundsätzlich lediglich in der Testierfreiheit beschränkt. Soll diese Verfügungsbefugnis für den überlebenden Elternteil zur Sicherung des Nachlasses gegenüber den Kindern beschränkt werden, wird daher häufig im Berliner Testament eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet.

Achtung! Manchmal wird in einem Berliner Testament „versehentlich“ eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet, obwohl die Eheleute sich einer solchen Beschränkung zu Lebzeiten gar nicht unterwerfen wollen. Insbesondere, wenn das Vermögen ggf. auch zur Sicherung der Altersversorgung dienen soll, ist die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft häufig nicht sinnvoll. Betroffene sollten daher ihre Regelungen überprüfen.

Erbschaftsteuerlich gilt Vor- und Nacherbschaft wie Vollerwerb

Erbschafsteuerlich wird die Vor- und Nacherbschaft ohne einen Abschlag für die Verfügungsbeschränkung als Vollerwerb behandelt (vgl. ErbStG§ 6). Das Finanzamt stuft die Nacherbschaft als Erwerb von der vorerbenden Person und nicht als eine Erbschaft von der zuerst verstorbenen Person (im obigen Beispiel die Mutter) ein. Lediglich bei der Einstufung in die Steuerklassen können sich Vorteile ergeben, wenn die zunächst verstorbene Person gegenüber der nacherbenden Person in einem näheren verwandtschaftlichen Verhältnis steht, als die vorerbende Person zur nacherbenden Person (vgl. § 6 Abs. 2 ErbStG).

Diese Regelung hat zur Folge, dass bei Vor- und Nacherbschaft zwei Erbfälle angenommen werden, obwohl die vorerbende Person (im Beispiel oben der Vater) nicht in vollem Umfang über das ererbte Vermögen verfügen kann. Beabsichtigen die Eltern bei ihrer Nachfolgeplanung eine solche Einschränkung, um sicherzustellen, dass das Vermögen nach dem Tod des zweiten Elternteils auch tatsächlich dem Kind bzw. den Kindern zugewendet wird, könnte dieses Ziel auch erbschafsteuerlich günstiger durch eine Schenkung zu Lebzeiten unter Nießbrauchsvorbehalt erreicht werden. Dann unterliegt zwar die Schenkung der Schenkungsteuer, zugleich ist aber der kapitalisierte Wert des Nießbrauchsrechts abzuziehen. Mit dem Tod des zweiten Elternteils fällt das Nießbrauchsrecht weg, ohne dass dafür Erbschafts- oder Schenkungsteuer zu zahlen ist.

Praxishinweis: Tritt der Tod kurze Zeit nach Einräumung des Nießbrauchsrechts ein, kann es zu einer Korrektur der Wertberechnung des Nießbrauchs kommen und sich so nachträglich die Schenkungssteuer erhöhen. Was als kurze Zeit gilt, ist in § 14 Abs. 2 BewG festgelegt und richtet sich nach dem Alter der schenkenden Person(en).  Ist diese beispielsweise 71 Jahre, beträgt diese Frist fünf Jahre.

Allerdings scheuen sich manche Eltern, ihre Immobilien bereits zu Lebzeiten auf die Kinder zu übertragen, selbst wenn sie sich das Nießbrauchsrecht vorbehalten. Haben die Eltern mit einer solchen Gestaltung aber kein Problem, sollte eine solche Übertragung in Erwägung gezogen werden. Welche Vorteile damit verbunden sind, zeigt das Beispiel:

Beispiel: Am 21.9.2009 hat die Mutter Sophia Müller die Gewerbeimmobilie (damaliger Wert: 500.000 EUR) auf ihre Tochter Antje Müller übertragen und zugleich für sich und ihren Mann ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht (kapitalisierter Wert: 150.000 EUR) vorbehalten. Damit unterlag die Zuwendung in 2009 der Schenkungsteuer, bei der Antje Müller den ihr zustehenden persönlichen Freibetrag von 400.000 EUR in Anspruch nehmen konnte. T musste auf den Erwerb keine Schenkungsteuer zahlen, da seit 1.1.2009 der Wert des Nießbrauchsrechts vom Wert der Schenkung abgezogen werden darf, so dass der steuerpflichtige Erwerb der Tochter mit 350.000 EUR unterhalb ihres persönlichen Freibetrages lag. Vorschenkungen hatte es keine gegeben. Das dem Vater Klaus Müller unentgeltlich eingeräumte Nießbrauchsrecht unterliegt ebenfalls der Schenkungsteuer, liegt aber unterhalb des Eheleuten gewährten Freibetrages von 500.000 EUR. Beim Tod von Sophia Müller entsteht für Klaus Müller kein erbschafsteuerpflichtiger Erwerb, da das Grundstück nicht zum Nachlass gehört. Entsprechendes gilt beim späteren Tod von Klaus Müller für seine Tochter Antje Müller. Da das Grundstück nicht zum Nachlass des Vaters gehört, ist der Nachlass lediglich mit 300.000 EUR zu bewerten, so dass seine Tochter keine Erbschafsteuer zahlen muss, da ihr gegenüber dem Vater bestehende persönliche Freibetrag von 400.000 EUR über dem Nachlasswert liegt. Die Übertragung der Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt führte also dazu, dass weder der Ehemann noch die Tochter mit Schenkungs- oder Erbschaftsteuer belastet werden.

Erhalt des Familienfriedens beachten

In der Beratung sollten aber neben den erbschafsteuerlichen Unterschieden zwischen einer Vor- und Nacherbschaft und einer schenkweisen Übertragung einer Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt auch die zivilrechtlichen Folgen genau geprüft werden. Denn auch wenn die lebzeitige Übertragung einer Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt erbschaftsteuerlich attraktiv ist, kann es ratsam sein, auf eine solche Gestaltung zu verzichten, wenn die zivilrechtlichen Folgen nicht sinnvoll sind. Selbst wenn zivilrechtlich keine Bedenken bestehen, sollten solche Gestaltungen mit Bedacht gewählt werden. Denn sie können auch den Familienfrieden gefährden. Etwa, wenn das Vermögen nur teilweise aus Immobilien besteht und zugleich mehrere Kinder vorhanden sind, die gleich behandelt werden sollen. Hier könnte die frühzeitige Übertragung einer Immobilie auf nur ein Kind zu Unstimmigkeiten in der Familie führen, wenn ein anderes Kind den Ausgleich dafür erst nach dem Tod beider Elternteile erhalten soll. In solchen Fällen sollte ggf. – auch wenn es steuerlich teurer werden kann – auf solche Gestaltungen verzichtet werden, da der Erhalt des Familienfriedens ein nicht zu unterschätzender Wert ist.  

Achtung! Bei der schenkweisen Übertragung einer Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt entsteht grundsätzlich Grunderwerbsteuer auf den Wert des Nießbrauchsrechts, da das Nießbrauchsrecht eine Auflage im Sinne des § 3 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG darstellt. Solange es sich um Verwandte handelt, die in gerader Linie miteinander verwandt sind, stellt das kein Problem dar, da sie persönlich von der Grunderwerbesteuer befreit sind, vgl. § 3 Ziff. 6 GrEStG. Sind die Beteiligten aber nicht oder nur entfernt miteinander verwandt, sind die grunderwerbsteuerlichen Folgen einer solchen Gestaltung mit zu berücksichtigen. So sind bereits Erwerbe von Geschwistern nicht persönlich von der Grunderwerbsteuer befreit.

Beachten Sie hierzu auch folgende Beiträge:


* Über die Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.07.2019, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.