25.07.2018 | Beratertipp

Gestaltungsberatung: Risiken bei der Verteilung von Erhaltungsaufwand in Nießbrauchsfällen

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Verstirbt eine Person, der ein Nießbrauchsrecht an einer fremdvermieteten Immobilie zusteht, können die bei der Immobilie entstandenen Erhaltungsaufwendungen nicht von den erbenden Personen als Werbungskosten geltend gemacht werden, wie der BFH jüngst festgestellt hat.

Das Risiko, dass auch in diesen Fällen der Erhaltungsaufwand verloren gehen kann, sollte in der Beratung einkalkuliert werden. (Foto: © contrastwerkstatt - Fotolia.com)

Hintergrund der Entscheidung vom 13.03.2018 (Az. IX R 22/17) ist ein zugunsten der Steuerpflichtigen in § 82 b EStDV geltendes Wahlrecht. Danach können Erhaltungsaufwendungen für Immobilien, die überwiegend Wohnzwecken dienen und Einkünfte aus Vermietung begründen, gleichmäßig auf zwei bis fünf Jahre verteilt werden, so dass der Werbungskostenabzug gestreckt werden kann. Das kann aufgrund des progressiven Steuersatzes vorteilhaft sein. Ohne dieses Wahlrecht müssten Erhaltungsaufwendungen stets nach dem Abflussprinzip in voller Höhe in dem Kalenderjahr abgezogen werden, in dem sie entstehen.

Das Wahlrecht steht bei einer Immobilie, die unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen wurde, in der Regel der Person zu, die den Nießbrauch an der Immobilie innehat. Sind mehrere Personen an der Immobilie beteiligt, ist das Wahlrecht für alle Personen gleich auszuüben.

Beispiel: Eine Mutter (M) hatte eine fremdvermietete Eigentumswohnung auf ihren Sohn S im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen und sich das Nießbrauch daran bis zu ihrem Tod vorbehalten. Im Kalenderjahr 2015 zog der bisherige Mieter aus, M renovierte daraufhin die Wohnung; die dadurch entstandenen Erhaltungsaufwendungen von 25.000 EUR verteilte sie bei ihrer Einkommensteuer gleichmäßig auf fünf Jahre gem. § 82 b Abs. 1 EStDV. M wurde bei der Erstellung ihrer Einkommensteuererklärung steuerlich beraten. M verstarb am 23.12.2016 und wurde von ihrem Sohn beerbt.

In einem solchen Fall geht, wie der BFH entschieden hat, der von der Mutter noch nicht verbrauchte Erhaltungsaufwand (15.000 EUR) nicht im Wege der Erbfolge auf den Sohn über, sondern entfällt! Denn bei der  Übertragung einer Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt geht die Vermietungsfunktion der Erblasserin nicht kraft Erbfolge auf den Sohn über, sondern schlicht durch Erlöschen des Nießbrauchsrecht. Selbst wenn S seine Mutter nicht beerbt hätte, wäre er als Eigentümer der Immobilie, die ihm die Mutter ja bereits zu Lebzeiten übertragen hatte, durch den Wegfall des Nießbrauchsrecht Vermieter der Immobilie geworden. Für einen solchen Fall sieht das Gesetz jedoch keine Übertragung des noch nicht verbrauchten Erhaltungsaufwandes vor; für eine analoge Anwendung der Regelung des § 11 Abs. 1 EStDV sieht der BFH keinen Anlass und verwehrte mangels Rechtsgrundlage die Übertragung des noch nicht durch die Mutter verbrauchten Erhaltungsaufwandes auf den Sohn.

Konsequenzen der Entscheidung für die Praxis

Liegen die Voraussetzungen für das Wahlrecht nach § 82 d EStDV vor, sollte die genannte Rechtsprechung unbedingt berücksichtigt werden und der Mandantschaft auch gegenüber kommuniziert werden, wenn die vermietende Person die Vermietungseinkünfte aus einem Nießbrauchsrecht und nicht aus ihrem Eigentumsrecht an der Immobilie ableitet. Ist die vermietende Person bereits älter oder erkrankt, sollte eine Verteilung des Erhaltungsaufwandes auf fünf Jahre nicht in Betracht gezogen werden; ansonsten besteht das Risiko, dass ein Teil des Erhaltungsaufwands durch (vorzeitigen) Tod der Nießbraucherin/des Nießbrauchers verloren geht.

Oftmals ist aber die Verteilung des Erhaltungsaufwandes deshalb so interessant für die Steuerpflichtigen, weil sie dadurch eine bessere Nutzung der Tarifprogression erreichen können.

In solchen Fällen sollte eine Verteilung des Erhaltungsaufwandes auf zwei bis drei Jahre geprüft werden. Denn das Wahlrecht nach § 82 b EStDV ist für das Kalenderjahr zu treffen, in dem der Erhaltungsaufwand entstanden ist. In der Regel wird die Einkommensteuererklärung in dem dem Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahr, vielfach, insbesondere wenn auf steuerliche Beratung zurückgegriffen wird, in dem zweiten dem Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahr erstellt. Ist die Nießbraucherin/der Nießbraucher zwischenzeitlich nicht verstorben, kann die Verteilung ohne Risiko des Verlustes auf zwei bzw. drei Kalenderjahre verteilt werden.

Das lässt sich gut in unserem Beispiel illustrieren: M verstarb Ende 2016; die Einkommensteuererklärung für 2015, dem Kalenderjahr, in dem der Erhaltungsaufwand entstanden ist, müsste grundsätzlich, da M steuerlich beraten war, erst Ende 2016 eingereicht werden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Tod von M im Jahr 2016 bereits bekannt ist. In einem solchen Fall hätte, um den vollen Abzug des Erhaltungsaufwands zu erreichen, der Aufwand höchstens gleichmäßig auf die Jahre 2015, 2016, also auf zwei Jahre, verteilt werden dürfen. Alles andere könnte einen Beratungsfehler darstellen. Wäre demgegenüber die Einkommensteuererklärung bereits im August 2016 abgegeben und die Einkommensteuerfestsetzung 12. Dezember 2016 bekannt gegeben worden, hätte S als Erbe von M nach dem Tod von M gegen die Einkommensteuerfestsetzung bis zum 12. Januar 2017 Einspruch einlegen können und den Verteilungszeitraum von fünf auf zwei Jahre ändern können.

Das Beispiel zeigt aber auch, dass grundsätzlich einer Verteilung des Erhaltungsaufwandes auf zwei bis drei Jahre in der Regel nichts im Wege steht. Denn das Wahlrecht kann bis zur Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung noch geändert werden. Verfahrensrechtlich berechtigt dazu sind die erbenden Personen, im Beispielsfall also der Sohn als Gesamtrechtsnachfolger seiner Mutter.

Merke: Das Wahlrecht kann bis zur Rechtskraft des Steuerbescheides noch geändert oder rückgängig gemacht werden.

Ist also der Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig, sollte diese verfahrensrechtliche Möglichkeit unbedingt genutzt werden, um nicht verbrauchten Erhaltungsaufwand der verstorbenen Person zu retten. Ist unklar, ob ein solcher Fall vorliegt, sollte gegen Steuerbescheide der verstorbenen Person rein vorsorglich Einspruch eingelegt werden, um etwas Zeit zu gewinnen. Ggf. wird auch bis zur Klärung der Nachlasssache das Ruhen des Verfahrens bewilligt.

Veräußerung der Immobilie und Übertragung Immobilie durch Erbfolge

Wird die Immobilie während des Verteilungszeitraums veräußert, ist der noch nicht verbrauchte Erhaltungsaufwand im Jahr der Veräußerung in voller Höhe als Werbungskosten abzuziehen. Ob die Veräußerung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, ist dabei ohne Bedeutung, vgl. § 82 Abs. 2 Satz 1 EStDV.

Unklar ist, wie zu verfahren ist, wenn eine Immobilie während des Verteilungszeitraums durch Erfolge übergeht.

Beispiel: Mutter M hat die Eigentumswohnung nicht zu Lebzeiten ihrem Sohn übertragen. Ende 2016 stirbt sie. S wird durch Erbfolge nach § 1922 BGB u.a. auch Eigentümer der fremdvermieteten Immobilie; er fragt, ob er bei seiner Einkommensteuer den durch die Mutter nicht verbrauchten Erhaltungsaufwand geltend machen darf.

Bei einem solchen Fall handelt es sich nicht um eine Veräußerung, sondern um einen Eigentumswechsel kraft Gesetzes, auch die Vermietungseigenschaft geht durch Erbfolge – anders als in den Nießbrauchsfällen – über. Ob für den Fall der Universalsukzession nach § 1922 BGB auch die Rechtsprechung des BFH zum Nießbrauch gelten soll, lässt sich aus der aktuellen Entscheidung des BFH nicht entnehmen. Das Risiko, dass auch in diesen Fällen der Erhaltungsaufwand verloren gehen kann, sollte in der Beratung einkalkuliert werden, da das Gesetz auch diesen Fall, anders als den Fall der Veräußerung, nicht geregelt hat. Deshalb sollten die oben genannten Grundsätze im Zweifel auch beachtet werden, wenn sich im Nachlass eine Immobilie befindet, für die der Verteilungszeitraum noch nicht abgelaufen ist.

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. E-Mail: s.christ@netcologne.de

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.07.2018, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.