24.01.2018 | Beratertipp

Zur Änderung der Beitragsberechnung in der freiwillig gesetzlichen Krankenversicherung

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Zukünftig kann es zu Nachforderungen von Krankenversicherungsbeiträgen kommen – freiwillig gesetzlich Versicherte sollten deshalb Rücklagen bilden. Wie das neue Verfahren zur Beitragsberechnung funktioniert und was dabei zu beachten ist, klärt dieser Beitrag.

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Zum 1.1.2018 ist eine Änderung bei der Berechnung der Beiträge zur freiwillig gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft getreten, die eine erhebliche Veränderung bei der Beitragsberechnung nach sich zieht. Betroffen davon sind insbesondere Selbständige, die in einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) „freiwillig“ krankenversichert sind. Nicht betroffen von der Neuregelung sind Selbständige,

  • die privat krankenversichert sind,
  • die wegen hoher Gewinne den Höchstbetrag zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlen oder
  • die wegen sehr geringer Einnahmen familienversichert sind.

Das Verfahren zur Berechnung der von Selbständigen zu leistenden Beiträge

Grundsätzlich wird der Krankenversicherungsbeitrag von Selbständigen auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 53.100 EUR bzw. monatlich 4.425 EUR erhoben (die Zahlen gelten für 2018). Ist der Gewinn geringer als die Beitragsbemessungsgrenze, werden die Beiträge auf Grundlage des tatsächlich erzielten Gewinns ermittelt. Dazu benötigt die Krankenkasse einen Einkommensnachweis, der durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides zu führen ist. Allerdings wird auch bei geringen Einkommen ein Mindestbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 377,85 EUR (ohne Krankengeldanspruch und ohne Zusatzbeitrag) erhoben; in Härtefällen kann dieser Beitrag noch reduziert werden.

Bis Ende 2017 wurden die Beiträge zur GKV anhand des Einkommens berechnet, dass sich aus dem letzten bekanntgegebenen Einkommensteuerbescheid ergab; unabhängig davon, für welchen Veranlagungszeitraum der Einkommensteuerbescheid galt. Erst die Bekanntgabe eines neuen Einkommensteuerbescheid führte zur Anpassung der Beiträge zur GKV; eine rückwirkende Änderung der Beiträge war nur bei Existenzgründern vorgesehen.

Beispiel:Die selbständige Grafiker Frau Zack erzielte im Veranlagungszeitraum 2014 ein Einkommen von 30.000 Euro, der dazugehörige ESt-Bescheid wurde am 31.3.2016 bekanntgeben. Ab dem Folgemonat der Bekanntgabe des Steuerbescheides 2014, also April 2016, wurden Frau Zacks KV-Beiträge auf Basis des Einkommens von 30.000 EUR berechnet, obwohl es sich dabei um das Einkommen aus dem Jahr 2014 handelte.

2015 stieg Frau Zacks Einkommen auf 50.000 Euro; der ESt-Bescheid für 2015 wurde ihr am 15.2.2017 bekanntgegeben, so dass die Beiträge ab März 2017 auf Basis des erhöhten Einkommens erhoben wurden. 2016 sank das Einkommen von Frau Zack dann wieder auf 30.000 Euro. Da sie die Steuererklärung für 2016 schon im Februar 2017 abgab, wurde ihr der ESt-Bescheid 2016 bereits am 15. August 2017 bekanntgeben, so dass sie ab September 2017 wieder Beiträge auf Basis des geringeren Gewinns in Höhe von 30.000 EUR zu zahlen hatte.

Die bis Ende 2017 geltende Regelung sah eine Erstattung oder Nachforderung von Krankenversicherungsbeiträge für abgelaufene Kalenderjahre grundsätzlich nicht vor.

Neues Verfahren ab 2018

Damit ist nun Schluss. Ab 2018 werden die Krankenversicherungsbeiträge, soweit sie auf Gewinne unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze erhoben werden, nur noch vorläufig festgesetzt. Maßgebend für die vorläufig festzusetzenden Beiträge ist der letzte Einkommensteuerbescheid. Ab 2018 werden die Beiträge erst später, auf Basis des tatsächlich in diesem Kalenderjahr erzielten Einkommen, endgültig festgesetzt. Waren die vorläufig festgesetzten Beiträge zu hoch, kommt es nunmehr zu einer Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen durch den Krankenversicherer, waren sie zu niedrig, kommt es zu einer Nachforderung.

Beispiel: Frau Zack erzielte 2017 einen Gewinn von 30.000 Euro und wird 2018 voraussichtlich einen Gewinn von 40.000 Euro erreichen. Die Einkommensteuererklärung für 2017 will Frau Zack voraussichtlich Ende September 2018 einreichen. Ab 1.1.2018 sind ihre KV-Beiträge nur noch vorläufig auf Basis des letzten bekanntgegebenen Einkommensteuerbescheids festzusetzen, also auf Basis ihres Einkommens 2016 (30.000 Euro). Sollte Frau Zack 2018 tatsächlich einen Gewinn von 40.000 EUR erzielen, wird die Krankenversicherung nach Veranlagung der Einkommensteuer 2018 die zu geringen Beiträge nachfordern. Wird Frau Zack, entgegen ihrer Erwartungen, bspw. aufgrund einer Erkrankung, nur einen Gewinn von 20.000 EUR erzielen, kann es zu einer Beitragserstattung kommen.

Das bedeutet, dass bei steigenden Gewinnen mit Beitragsnachforderungen zu rechnen ist, für die unbedingt Rücklagen gebildet werden sollten. Bei sinkenden Einkommen ist zwar umgekehrt mit einer Erstattung zu rechnen; allerdings ist hier der Mindestbeitrag zu beachten, der 2018 auf Basis eines Gewinns von 27.402 EUR erhoben wird. D.h. auch wenn der Gewinn unterhalb dieses Betrags liegt, wird der KV-Beitrag auf Basis dieses Mindestgewinns berechnet, und zwar grundsätzlich unabhängig von dem tatsächlich erzielten niedrigeren Einkommen. Härtefallregelungen sind aber denkbar.

Nachweis des Einkommens

Das tatsächlich in dem betreffenden Kalenderjahr erzielte Einkommen ist der Krankenkasse durch Vorlage des Einkommensteuerbescheids nachzuweisen. Wird dieser Nachweis nicht innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des betroffenen Kalenderjahres geführt, werden die Beiträge auf Basis der Beitragsbemessungsgrenze (53.100 EUR!) erhoben. Für das Kalenderjahr 2018 ist der Nachweis also bis Ende 2021 zu führen.

In der Regel erfolgt die Einkommensteuerfestsetzung etwa ein bis zwei Jahre nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraums. Das hat zur Folge, dass die Beitragsnachforderungen zur Krankenversicherung erst ca. zwei Jahre nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres eingefordert werden. Zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen ist es deshalb wichtig, entsprechende Rücklagen zu bilden - so wie das auch hinsichtlich der Einkommensteuervorauszahlungen zu empfehlen ist. Darauf sollten Mandanten hingewiesen werden.

Fazit und Bewertung

Grundsätzlich ist die Reform der Beitragsberechnung zu begrüßen, da sie sich an dem tatsächlich in dem betreffenden Kalenderjahr erzielten Einkommen orientiert und nicht am Einkommen der Vorjahre. Allerdings verlangt es von den Versicherten, bei denen die Gewinne steigen, Rücklagen zu bilden und diese auch über einen längeren Zeitraum nicht anzutasten, was ein erhöhtes Maß an Selbstdisziplin erfordert. Auch wird das Verfahren dadurch für alle Beteiligten aufwendiger, da in der Regel nach der vorläufigen Festsetzung der Beiträge ca. zwei Jahre später eine Neuberechnung der Beiträge vorgenommen werden muss und entsprechend Beiträge nachgefordert oder erstattet werden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang der hohe Mindestbeitrag, den freiwillig gesetzlich Versicherte zu leisten haben. Hier sollte eine Gleichstellung mit Pflichtversicherten, also insbesondere Arbeitnehmern, bei denen ein solcher Mindestbeitrag nicht erhoben wird, erfolgen. Solange diese Gleichstellung nicht eingeführt wird, wird es bei den freiwillig gesetzlich Versicherten eher selten zu Beitragserstattungen kommen.

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 24.01.2018, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.