24.05.2017 | Kanzleimanagement

Seien Sie durchschnittlich! - Wie man sich in einem dynamischen Marktumfeld positioniert

Teil 2 unserer Serie: "Die größten Herausforderungen für Steuerberater bis 2019"

Von Alexandra Buba *

Das, was für die digitale Revolution in der letzten Ausgabe des Newsletters galt - nämlich, dass niemand von heute auf morgen überrollt wird, gilt auch für das heutige Thema: den Steuerberatungsmarkt. Dass dessen Wandel nicht so radikal und rasch kommt, wie mancher prophezeit, offenbart ein Blick auf die Umsatzentwicklung der vergangenen Jahre. Es bleibt also Zeit – für die Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Wer sie heute auf dem Reißbrett unternimmt, tut dies gleich einer unbemannten Mission in die postanaloge Galaxie.

(Foto: © magele-picture - Fotolia.com)

Erbsenzähler, Paragraphenreiter, Korinthenkacker – zu diesen drei plastischen Bezeichnungen, die Steuerberatern oft zugeschrieben werden, muss sich unbedingt eine vierte gesellen: Tiefstapler. Der typische Berater unterschätzt nämlich notorisch die positiven Seiten des Fortgangs der Geschichte. Bei Umfragen manifestiert sich die Überraschung über die eigene Leistungsfähigkeit: So gaben in der STAX-Umfrage der Bundessteuerberaterkammer über 90 Prozent an, dass das zurückliegende Jahr (hier ging es um 2014) besser gewesen sei, als sie es erwartet hätten. Fast ebenso viele bejahten das dann auch für das Jahr 2015; spannend wurde es in 2016 insofern, als dieses Jahr zum Zeitpunkt der Umfrage noch teilweise in der Zukunft lag. Für diese prognostizierten Steuerberater etwa zu zwei Dritteln, dass sie keinesfalls erfolgreicher verlaufen werde als die Vergangenheit.

Das zeigt zweierlei: Zum einen offenbaren sich darin Glück und Weisheit der pessimistischen Weltsicht, bei der es die Realität zumeist schafft, die Erwartungen zu übertreffen. Zum anderen veranschaulicht sich darin der Mangel der menschlichen Fähigkeit zur richtigen Einschätzung in Abhängigkeit von der Zeit.

Wer das mit Fakten unterlegen möchte, findet sie in der Umsatzsteuerstatistik. So entwickelten sich die Umsätze der deutschen Steuerberaterkanzleien in den besagten Jahren tatsächlich weitaus besser als die Gesamtwirtschaft. In 2014 stiegen die Umsätze der Kanzleien um 4,1 und in 2015 um 3,4 Prozent. Für die einzelne Kanzlei – derer rund 43.541 umsatzsteuerpflichtige zählte das statistische Bundesamt – bedeutete dies eine Umsatzsteigerung von 3,86 und 3,30 Prozent. Die positive Einschätzung in STAX war also mehr als ein vages Gefühl.

Grund zum Optimismus(!)

Seit Jahren steigt die Zahl der umsatzsteuerpflichtigen Kanzleien immer langsamer (zuletzt um 0,1 Prozent) und dürfte, so der Trend weiter anhält, im Jahr 2016 sogar gesunken sein. Das bedeutet, dass auch in Zukunft die Umsätze stabil bleiben dürften und ist ein Grund für verhaltenen Optimismus, wenngleich dies nicht automatisch für die Deckungsbeiträge gilt. Denn sowohl die IT- als auch die Personalkosten könnten in Zukunft steigen. Während bei den Mitarbeitern der Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage greift, offenbart ein Blick in den Geschäftsbericht der Datev eG, dass deren Umsatz häufig nicht nur die Gesamt- oder IT-Wirtschaft übertrifft, sondern auch stärker als der der Kanzleien wächst. Das ist nachvollziehbar, Digitalisierung kostet nun einmal.

Der Investitionsdruck, dem die Kanzleien ausgesetzt sind, wird sich in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach nicht abschwächen. Dafür, dass er eher weiter anwächst, könnten nicht nur die Ansprüche der Mandanten sorgen. Insgesamt wird der Markt tatsächlich immer dynamischer, die Leistungen der Kanzleien sind in Qualität und Preis austauschbar; so will es die Berufs- und Gebührenordnung ja auch. Fraglich ist allerdings, ob letztere – so sie dauerhaft in der EU Bestand haben - tatsächlich immer zum Wohle des Berufsstands und überhaupt notwendig sind. Denn einen Steuerberater braucht auch morgen noch eine Mehrheit, wenn nicht den einen, dann den anderen. Oder anders gedrückt: Wenn Mandanten gehen, werden schon auch welche kommen.

Geschäftsmodell 20xx unbekannt

Weshalb? Weil es fraglich ist, ob die Mandanten sich in Zukunft groß dafür interessieren werden, was ihr Steuerberater tut. Die Convenience-Gesellschaft setzt auf automatisch befüllte Kühlschränke, Pflegeroboter und die Lieferung an Abholstationen. Welche Rolle spielt da der Dienstleister, der dem Finanzamt die Zahlen zuschiebt? Wollen Unternehmen wirklich persönliche Beratung? Und wenn ja, von wem?

Tatsache ist, dass im Moment die Frage, mit welchem Angebot morgen Mandanten zu gewinnen sind, oft kurzsichtig beantwortet wird. Spielt es denn strategisch tatsächlich die große Rolle, ob der Mandant mobil auf irgendetwas zugreifen kann oder nicht? Er hat ja auch die Papierausdrucke nicht gelesen. Ist es eine kaufentscheidende Revolution, wenn die Kanzlei jetzt noch eine Teilaufgabe im Mahnwesen übernehmen kann? Spielt es eine Rolle, wie intensiv und sicher gigantische Datenmengen in Rechenzentren ausgewertet werden können, wenn die Informationen keiner will?

Genauso kurzsichtig wie die strategische Dimension der künftigen Kanzleiausrichtung auf Produktdetails zu reduzieren, ist es im Übrigen, den zeitlichen Druck zu überschätzen. Derzeit – und das Internet gibt es nun schon eine Weile – deutet nichts daraufhin, dass sich das Geschäftsfeld der Steuerberatung in den kommenden drei Jahren drastisch ändern wird. Wer in den Job Futuromat der Bundesagentur für Arbeit „Betriebswirt/in (Hochschule) - Steuern und Prüfungswesen“ eingibt, erfährt freilich, dass 56 % der Tätigkeiten in diesem Beruf schon heute Maschinen übernehmen könnten. Das ist amüsant, und es wäre eine Frage wert, ob die Datev solche Maschinen bereits vorhält.

Beratungstykoon oder kleiner Krautler

Natürlich wird sich das Geschäftsmodell Steuerberatung in Zukunft verändern und an die Bedürfnisse des Mandantenmarktes anpassen – aber, sofern nicht die Weltrevolution ohne Steuern und Abgaben kommt – keinesfalls radikal und in atemberaubendem Tempo. Natürlich kann, wer schon heute die treffende visionäre Strategie entwickelt den Vorsprung nutzen und ein Beratungsimperium aufbauen. Das ist auch in der Vergangenheit einigen Vorreitern in Köln oder Nürnberg gelungen.

Doch notwendig, um als Steuerberatungskanzlei zu überleben, ist es nicht. Für die Durchschnittskanzlei – aber wer ist das schon gern? – gilt, dass sie ihr Ohr und Auge wie auch bisher schon an den Problemen der Mandanten haben muss. Echte Innovation geht nur von den Bedürfnissen des Kunden aus. Das klingt ganz unspektakulär, wird aber mit einer Anleihe aus der Modebranche, die sich schließlich jede Saison neu erfinden muss, attraktiver. Nicht umsonst sagt Giorgio Armani: „Eleganz heißt nicht, ins Auge zu fallen, sondern im Gedächtnis zu bleiben.“

* Autorin:

Alexandra Buba ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche. Ihr besonderer Schwerpunkt sind Management- und IT-Themen (www.medientext.com). Sie schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.

(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 24.05.2017, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.